Wenn die Psyche in Opposition zum Leben steht...
ist der für mich wesentlichste und prägendste Satz aus dem Buch von Andrew Solomom "Saturns Schatten - Die dunklen Welten der Depression".
Der preisgekrönte Autor beschreibt in diesem Buch nicht nur seine eigenen Depressionen. Er fügt auf mehr als 500 Seiten in 13 Kapiteln auch die Erlebnisberichte anderer Depressiver mit ein. Zahlreiche Gespräche mit Psychiatern und Psychologen, Politikern wie dem damaligen US -Vizepräsidenten Biden und Abgeordneten sowie Senatoren und hochrangigen Mitarbeitern der NHS, der US - Gesundheitsbehörde zeichnen ein vielschichtiges Bild vom Leben depressiver US - Bürger wie auch dem Stand ihrer medizinischen Versorgung.
Ausführlich geht der Autor auf die verschiedenen Aspekte medizinischer Forschung ein und spart dabei auch den Widerspruch zwischen den Interessen der forschenden Pharmaunternehmen und der Anwendung ihrer Ergebnisse nicht aus. Breiten Raum nehmen die sehr unterschiedlichen Möglichkeiten der Behandlung von Depression ein. Pharmakologische und psychotherapeutische Behandlungen werden in ihrer Wirksamkeit ebenso beschrieben wie operative Methoden sowie die Behandlung mit der Elektro - Krampf - Therapie EKT und mit Stromstößen direkt durch die Schädeldecke in ausgewählte Regionen des Gehirns.
Kurzweilig und intensiv beschreibt er seine Seelenzustände während eigener depressiver Phasen, seinen immerwährenden Kampf gegen die dunklen Dämonen und die gefühlte Hilflosigkeit.
Aus der Sicht des selbst Betroffenen, der teilweise mehrere Wochen in der Dunkelheit depressiver Schübe gefangen war, gelingt Solomon eine aufklärende und zugleich aufrüttelnde Beschreibung depressiven Erlebens.
Einfühlsam beschreibt er nicht nur Zustände in den wenigen Kliniken für Depressive in den USA, sondern auch die vielfältigen Aktivitäten einer entstehenden Selbsthilfe - Szene. Wie Betroffene als Teilnehmer medizinischer Studien aus dem Teufelskreis Armut - Depression - Suizid herauskommen und danach Anderen wiederum helfen, beschreibt Solomon anhand mehrerer konkreter Beispiele sehr ausführlich.
Zugleich bietet das Buch einen interessanten Einblick in die sehr verschieden aufgebaute medizinische Versorgung innerhalb der USA. Hier existieren gravierende Unterschiede beispielsweise zwischen den Metropolen NYC oder Los Angeles und den weitflächigen Agrarstaaten. Bewohner der dortigen kleinen Ortschaften sind viel mehr auf Enthusiasten angewiesen, die ein Netz der Versorgung depressiver Bewohner aufbauen als die Einwohner der großen US - Metropolen.
Solomoms Bestseller erschien 2001 als Erstausgabe und wurde in 24 Sprachen übersetzt.
Jede Neuauflage wurde den aktuellen Forschungsergebnissen angepasst und aktualisiert.
Für mich ist "Saturns Schatten - Die dunklen Welten der Depression" ein sehr lesenswertes Buch, das einen breiten und tiefen Einblick in das schwierige und zugleich so leichte Leben von an Depression Erkrankten ermöglicht.
Gemütslage und Charakter sind verschiedene Dinge. Wie Recht Andrew Solomon damit hat.