Einsamkeit, auch eine Folge gesellschaftlicher Normierung ?
Am 10.10. startet die Woche der Seelischen Gesundheit. Das Thema ist dieses Mal Einsamkeit. Und je intensiver ich mich damit beschäftige, um so mehr taucht in mir die Frage auf, wie viel die Normierung in unserer Gesellschaft Einsamkeit fördert. Oder anders gefragt, hat Einsamkeit auch etwas mit gesellschaftlichen Konventionen zu tun? Sind die Konformisten, die im Strom der Masse mit schwimmen, weniger einsam? Ich war mehrfach auch "gemeinsam einsam", das heißt, in einer festen Beziehung einsam. Es war wie ein Korsett, das mich einschnürte. Es gab nichts Neues mehr, nichts Belebendes, Aufregendes, etwas, was die Beziehung in neue Horizonte treibt. Es war erstarrt und langsam absterbend.
Und doch schwamm ich wunderbar in der Masse mit, war monogam, verheiratet und gesellschaftlich aktiv. Nur, war ich zufrieden mit mir und meinem Leben? NEIN!
Zufriedener wurde ich erst wieder, als die Neu-Gier auf das, was kommt, größer wurde als die Angst, etwas zu verlieren, was sich nicht mehr lohnte, zu bewahren, weil es schon im Zustand des Absterbens war.
Das angepasste Leben, das Wegducken und konforme Leben nach den Regeln der Anderen hat mich nur krank gemacht. Und einsam!
Es hat mich in eine tiefe Krise getrieben, die letztendlich aber auch meine Rettung war. Wagte ich doch hier den ersten, für mich damals sehr radikalen Schritt in ein anderes Leben.
Was waren mir meine Wünsche vorher wert, wenn sie mit den Regeln des Lebens kollidierten? Nichts, ich habe sie sehr gekonnt ignoriert!
Es war eine Zeit lang wie auf einem Bahnhof, es verließen mich Menschen, die mit mir meine neuen Wege nicht gehen wollten oder konnten. Nur, bin ich dadurch noch einsamer geworden? NEIN!
Denn es traten neue Menschen in mein Leben, die mich annahmen, wie ich bin. Die mich nicht benutzen wollten. Die mich nicht brauchten, um ihre Eitelkeit an mir zu stillen. Die mich einfach nur als das sehen, was ich bis heute bin, ein Mensch. Nicht perfekt, sondern mit Fehlern. Nicht immer nur fröhlich, sondern auch mal traurig. Nicht immer nur ruhig und gelassen, sondern auch mal wütend oder zornig. Und ey, das durfte ich sein.
Bei denen meine Unvollkommenheit kein Makel war, sondern etwas, was mich liebenswert erscheinen ließ. Eine völlig neue Erfahrung für mich.
Diese Menschen wollten mit mir einen Teil meines Weges gemeinsam gehen, und ich ließ es zu, ließ sie in mein Leben, lud sie ein.
Das beste Navi für das eigene Leben ist immer noch die eigene Seele. Denn niemand kennt Dich besser als sei.
Eine ganz wesentliche Erfahrung aus dieser Zeit ist, je authentischer ich bin, je mehr ich aus mir heraus lebe, je mehr ich mein eigenes ICH anderen Menschen zeige, desto weniger einsam bin ich. Denn ich begegne Menschen, die mich so annehmen, wie ich bin.
Die mich mögen, weil ich so und nicht anders bin.
Nur, darf ich so sein, auch wenn die Regeln etwas anderes vorschreiben. Wenn ich mit meiner Art anecke, wenn ich gegen den Strich bürste, wenn ich mit Konventionen spiele, weil genau das ich bin, darf ich das? JA!
Nur es gehört Mut dazu, innere Kraft und das Vertrauen in mich selber.
Und es braucht Menschen, die mich halten, auch mal auffangen, wenn ich stolpere. Die mich halten, wenn der Gegenwind der Konformisten mir hart entgegen bläst. Die mir Mut machen, meinen Weg weiter zu gehen, und die mit mir den Weg gehen.
Meine Erfahrung ist, gerade am Anfang sind gesellschaftliche Konventionen hinderlich, sie sind Stolperstein und eine Dornenhecke vor dem Weg des Auslebens des eigenen ICH-s. Sie drängten mich immer wieder auf den, auch das habe ich so erlebt, Weg des geringsten Widerstandes zurück. Nur war dieser Weg auch der Weg der Seelenqualen und des Ignorierens eigener Wünsche.
Erst als ich mich von der irrigen Annahme löste, ich müsse so sein, wie andere mich haben möchten, begann ich meinen Weg zu gehen. Und es begann mir Freude zu bereiten, Konventionen zu brechen. Denn es waren nicht meine Konventionen.
Und so beantworte ich die Frage, ob Einsamkeit auch eine Folge gesellschaftlicher Normierung ist, eindeutig mit JA! Und damit meine ich nicht nur die gemeinsame Einsamkeit.
Für mich hat es sich gelohnt, Normen darauf zu hinterfragen,ob es meine Normen sind.
Denn Einsamkeit habe ich oft dann erlebt, wenn ich geduckt durch das Leben schlich, um nur nicht anzuecken.
Seitdem ich aufrecht gehe und auch mal Widerspruch erlebe, empfinde ich keine Einsamkeit mehr.