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Die Löffeltheorie

******wen Frau
15.893 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
Die Löffeltheorie
In unserem heutigen Karfreitags-Gruppenchat brachte @*********us_KA eine interessante Theorie zur Sprache:

Um ihrer Freundin ihre Krankheit zu verdeutlichen, griff sie nach allen Löffeln, die sie auf ihrem Tisch und auf einigen Nachbartischen in diesem Café finden konnte.

Der Unterschied zwischen einem kranken und einem gesunden Menschen bestünde darin, Entscheidungen zu treffen. Oder besser gesagt darin, sich bewusst über Dinge Gedanken machen zu müssen, während der Rest der Welt das nicht muss.
Die meisten Menschen starten den Tag mit einer Unmenge an Möglichkeiten und Energie um das zu tun, was sie gerade möchten, besonders junge Menschen. Für die meiste Zeit müssen sie sich über Folgen ihrer Entscheidungen keine großen Gedanken machen. Und um diesen Punkt verständlich zu machen, benutzte sie die Löffel. Sie wollte, dass ihre Freundin etwas Reelles in den Händen halten konnte, was sie ihr wegnehmen würde, da die meisten chronisch kranken Menschen den Verlust des «Lebens, wie sie es kannten» verspüren. Wenn sie ihr die Löffel wegnehmen würde, dann hätte sie eine Vorstellung davon, wie es sich anfühlt, wenn jemand oder etwas wie der Lupus plötzlich die Kontrolle übernimmt.

Als gesunder Mensch geht man unbewusst davon aus, dass man einen unerschöpflichen Nachschub an «Löffeln» zur Verfügung hat. Aber wenn du nun deinen Tag planen würdest, dann müsstest du genau bescheid wissen, wie viele Löffel dir am Anfang zur Verfügung stehen.

http://www.schmerzensangelegenheit.de/die-loeffel-theorie/


Ich muss zugeben, von diesem Standpunkt aus habe ich Gesundheit und Krankheit noch nie betrachtet. Setzt man die Löffel mit Energie und Motivation gleich, kann man nachvollziehen, wie groß oder klein der Vorrat eines gesunden oder erkrankten Menschen ist, und wie man sich diese "Vorräte" einteilt für das, was man plant. Man könnte sogar so weit gehen, dieses Konzept von den körperlichen Krankheiten auch auf psychische Erkrankungen zu erweitern. Ich kann mir vorstellen, dass bspw. ein depressiver Mensch täglich nur sehr wenige "Löffel" zur Verfügung hat.

Mich würden eure Gedanken zum vorgestellten Konzept interessieren.



****ko Frau
763 Beiträge
Ich habe das vor Monaten schon gelesen als meine Zusammenbrüche noch nicht so lange her waren und für mich war es genauso. Meine Energie war einfach sehr begrenzt und ich musste mir überlegen, wofür ich sie einsetze. Mein damaliger Partner hat mir vorgeworfen, dass ich mich nicht genug um den Haushalt kümmere und nicht seine Hemden bügele, denn zum spazieren gehen hätte ich ja auch genug Energie gehabt. Aber bei mir ging es darum, was mich am Leben erhält und was mir einen Teil Energie auch wieder zurück gibt. Ich habe durch den Spaziergang zwar einen Teil meiner Energie verloren, da es für mich anstrengend war, aber ich habe auch eine andere Energie zurück bekommen, da es mir Lebensfreude gegeben hat und ich so Stress abbauen konnte. Damals ist mir sehr bewusst geworden, dass sich ein gesunder Mensch, der mich bis nachts um zwei wach gehalten hat, weil er einfach zu voll war mit Energie und total aufgedreht, kein Verständnis dafür haben kann, wie es mir geht, deren Energielevel wirklich ganz weit unten ist. Es ist ein Bild um das Problem zu verdeutlichen, aber wirklich verstehen wird es ein gesunder vor Energie strotzender Mensch wahrscheinlich trotzdem nicht. Manche Dinge kann man nur verstehen, wenn man sie selbst erlebt hat.
Was kediko schreibt, stimmt vermutlich - Gesunde, die das nie erlebt haben, können sich nur schwer hineinversetzen. Unmöglich ist es nicht, wenn der Wille da ist.
Für mich ist die Löffel - Theorie zum idealen Kommunikationsmittel mit ebenfalls Erkrankten geworden. Einige meiner Freundinnen und Bekannten haben chronische Erkrankungen, die ihnen Energie rauben. Sie haben, wie ich, erlebt, dass oft kein Verständnis aufgebracht wird.
Seit ich mit ihnen über die Löffel - Theorie gesprochen habe, ist unsere Kommunikation viel einfacher geworden.
z. B. : wir möchten beide nächste Woche was gemeinsam unternehmen, wissen aber beide noch nicht, was die Woche noch bringt. Wir einigen uns auf "Verabredung abhängig vom Löffel - Stand" und alles ist klar.
Keine Erklärungen notwendig, wenn ein Plan geändert werden muss. Keine Sorge, dass sich das Gegenüber vielleicht sogar abgelehnt fuhlt. Ich erlebe immer noch, dass es ein Aufatmen gibt, wenn ich sage "lass uns beide schauen, wie viele Löffel in der Schublade sind".
Außerdem ist es wie ein kleiner Geheim - Code. Etwaige Mithörer müssen über unseren Gesundheitszustand nichts erfahren *g*
********egel Paar
2.626 Beiträge
Danke für das Bild @******wen bzw. @*********us_KA!

Fast lustig, dass es im Beispieltext um Lupus geht, auch wenn nicht näher spezifiert, welcher (und da gibt es himmelweite Unterschiede!), denn gerade jetzt ist meiner sehr aktiv. In meinem Fall betrifft es glücklicherweise nur die Haut, aber um es mal anhand der Löffel-Theorie auszuführen:

Wir hatten heute 26 Grad, traumhaftes Wetter, wolkenloser Himmel. Ich hab gut geschlafen letzte Nacht, hatte gestern schon einen guten Tag und war den allgemeinen Umständen entsprechend doch ziemlich gut drauf, als ich heute morgen meinen ersten Kaffee getrunken habe. Meine Löffelschublade war also erstmal ziemlich voll und ich voller Tatendrang.

Nach dem Kaffee bin ich mit dem Liebsten raus in den Garten, um einen Plan für den Tag zu machen. Alleine die 20 Minuten in der Sonne auf den Lupus-Ausschlag haben mich über die Hälfte meiner Löffel gekostet. Die 20 Minuten in der Sonne waren aber auch wiederum 2 oder 3 Löffel wert, hat ja anderweitig gut getan.

Klar war jedenfalls, Gartenarbeit ist heute nicht, obwohl ich wirklich Lust darauf hatte. Nicht einmal draußen sein, denn sonst hätte ich morgen Ausschlag nicht nur auf den Händen, Armen und Schultern wie jetzt, sondern auch im Gesicht und auf den Beinen.
Also drin bleiben... Und dann schau ich in die Löffelschublade und sehe, da ist gar nicht mehr soooo viel drin, was mach ich denn jetzt damit?
Es hat gerade mal gereicht, die Glasregale zu putzen und wieder einzuräumen (wir ziehen gerade wieder ein nach Wasserschaden und teilweiser Renovierung).
Sinnvoller wäre gewesen, das Fenster fertig zu streichen, aber hey... es hätte mich bestimmt 3 Löffel gekostet, am Fenster zu stehen und nicht raus zu können... und ich hatte nur noch so wenige.

Dann war ich zwischenzeitlich wirklich ausgelaugt, also quasi out of Löffel. Weil mich das so geärgert hat, dass ich nicht raus kann, weil ich wusste, ich drehe sonst heute abend und nacht völlig durch (was ich trotzdem tue, weil doch zu früh wieder raus und zu viel Sonne abgekriegt).

Am Abend dann bin ich mit dem Liebsten spazieren gegangen, nach Bärlauch schauen. Das war toll und hat den Löffelhaushalt wieder ein bisschen aufgefüllt.

So schränkt ein Lupus ein, jeden Tag, wenn die Sonne scheint, wann immer Sonnenlicht auf die Haut trifft. Zum Glück ist er nicht immer aktiv, derzeit leider schon.

Und klar, das lässt sich absolut auf psychische Erkrankungen übertragen. In meinem beschriebenen Fall hängt es ohnehin zusammen, wahrscheinlich tut es das meistens.

Ich kann mit dem Bild viel anfangen. Wenn ich jetzt dann doch endlich müde ins Bett falle, spüle ich noch ein paar Löffel ab, die ich dann morgen zur Verfügung habe. Und vielleicht kann ich mir was Gutes tun, um den Vorrat ein bisschen aufzustocken. Höre noch ein oder zwei tolle Lieder, dusche ausgiebig oder schreibe mir von der Seele, was ich alles gerade so schlimm finde...

Und wenn ich morgen in die Schublade schaue, habe ich vielleicht ein paar Löffel mehr. Und der Tag wird besser als heute. Vielleicht hab ich sogar einen Suppenlöffel übrig und gehe morgen trotz allem in den Garten, weil ich stark genug bin, die Konsequenzen zu tragen.
Verdammt, ja. Das ist ein Ziel.

Sperling
die jetzt den großen Schöpflöffel abspülen geht *zwinker*
*****sin Mann
8.903 Beiträge
So kann man es "gesunden" oder "normalen" tatsächlich gut erklären. Danke. *g*
********on94 Paar
9.471 Beiträge
Ich gabe, um es meiner Familie verständlicher zu machen, ein Bild mit der Erklärung am Kühlschrank hängen!

Wenn ich mich strickt danach richten würde, wäre ich meist gegen Mittag mit meinen Löffeln am Ende *snief*
*****ena Frau
3.564 Beiträge
Es gibt zur Löffeltheorie sogar eine richtige Bewegung mit Vernetzung. #spoonie
Oder einfach mal Spoonie, Spoonies, googeln.

https://trotzallembewegend.de/archiv/spoonie/
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