Wie viel Nähe darf sein ?
Vorab, Triggergefahr ! Und es muss nicht jedem gefallen, was ich hier schreibe, nur mir ist es wichtig Wie viel Nähe darf in diesen Corona Zeiten noch sein? Wo ist die Grenze zwischen den berechtigten Bedürfnissen nach emotionaler und auch körperlicher Berührung und dem, ebenfalls notwendigen, Einhalten der Kontaktbeschränkungen?
Neulich begegnete mir das Wort „Coronafluchtbeziehung“. Eine Verbindung zwischen Frau und Mann, geboren aus dem Streben nach Berührung von Seele und Haut. Eine Verbindung, die auf Sympathie beruht und Beiden einen Halt in diesen unruhigen Zeiten gibt. Eine Verbindung aber, die auch das Einhalten der Kontaktbeschränkungen ermöglicht.
Doch wo bleiben Diejenigen, die eine solche Möglichkeit nicht haben, warum auch immer?
Kuschelparties, wie es sie vor einem Jahr in Berlin noch mehrfach im Monat gab, fallen ersatzlos aus. Auch sensual fighting, eine etwas härtere Variante des Körperkontaktes, ist nicht erlaubt. Und auch Shibari und Kinbaku, japanische Fesselkünste, dürfen nicht öffentlich angeboten und zelebriert werden. Einschlägige Clubs sind geschlossen.
Auch bezahlter Sex, immerhin für nicht Wenige auch eine Möglichkeit für Körperkontakt und auch Gespräche, ist untersagt.
Ja, eine haushaltsfremde Person ist erlaubt. Nur wo sollen Frau und Herr Single diese hernehmen?
So verwundert es nicht, dass die Zahlen, nicht nur älterer, einsamer Menschen deutlich ansteigen.
Singles im dauerhaften Home Office, für die der wöchentliche Einkauf im Supermarkt ein Highlight ist, gibt es mehr als genug. Nur bleiben sie unerkannt, anonym schwimmen sie in der Masse mit.
Und freuen sich, wenn sie ihre betagten Eltern einmal in der Woche am Telefon hören, weil sie diese ältere Generation schützen wollen.
Die Anrufe wegen Einsamkeit bei den kostenlosen Hilfenummern haben in den letzten Wochen deutlich zugenommen. Dies ist die andere Seite der Corona Einschränkungen, eine Zunahme seelischer Nöte. Menschen, die sich an die verordneten Maßnahmen halten und dabei in psychische Schieflagen geraten. Die sich einigeln, um andere Personen zu schützen.
In Gesprächen höre ich immer wieder, ja, wir halten uns ja an das, was gefordert wird, aber, wo bleiben unsere ganz legitimen Bedürfnisse? Darauf geben uns die Politiker keine Antwort! Statt dessen schließen sie alle Kontaktmöglichkeiten wie Fitnessstudios, Schwimmhallen, die Gastronomie.
Also, wie viel Nähe darf sein? Es bleibt auch weiterhin ein schmaler Grat zwischen Selbst-Verantwortung und dem Ausleben legitimer Bedürfnisse.
Parties , auch in privaten Räumen, verbieten sich von selber. Ein Spaziergang zu zweit, im Gespräch vertieft, in der Natur, ist weiter möglich.
Und wo bleiben die körperlichen Berührungen?
So eine „Coronafluchtbeziehung“ ist eine Möglichkeit. Denn wir brauchen auch dieses Feeling auf unserer Haut, um seelisch stabil zu bleiben. Und wer diese Möglichkeit bisher nicht hat, darf darüber auch mal nachdenken, wer dafür für ihn in Frage käme. Denn welche weiteren Alternativen, so sie denn im Rahmen des Erlaubten bleiben, gibt es noch?
Und alles, was den Einschränkungen nicht widerspricht und uns auch psychisch gesund und stabil hält, ist erlaubt.
Und für die seelischen Berührungen dürfen wir uns gerne an die „old school“ erinnern. Ein Gespräch mit der Nachbarin, ein Danke und Lächeln für die Kassiererin im Supermarkt oder die Verkäuferin beim Bäcker.
Und auch das Anlächeln anderer Personen, wenn wir unterwegs sind, ist nicht verboten. Und wir bekommen dann bestimmt auch mal ein Lächeln zurück, das unsere Seele streichelt.