Ich habe ein komlpettes Seminar, das sich um das Thema "Was ist noch normal?" dreht: "Ethik in der Medizin: Menschliches Enhancement". Ich poste einfach mal einen Auszug aus meiner Mitschrift der zweiten und dritten Sitzung:
Fragestellungen und Herausforderungen
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Enhancement = Verbesserung und Erweiterung der menschlichen Fähigkeiten durch versch. Hilfsmittel; Konzepte, Wege und Mittel nicht vom Staat, sondern von der betroffenen Person (autonom) oder deren Eltern (heteronom) entschieden
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Eugenik = genetische Verbesserungen; liberal (entspr. genet. Enhancement) vs. autoritär-staatlich
• Gibt es überhaupt eine autonome Entscheidung? (Wenn alle im Sport dopen, sehe ich mich auch dazu gezwungen – eingeschränkte Autonomie)
• problematischer Begriff der Natürlichkeit
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Vorher-Nachher-Problem: Wann ist vor und wann nach dem Enhancement?
o Intention – Handlung – Ergebnis
o Status – Prozess
o Analogie zur Therapie: Ist man danach therapiert, egal ob die Therapie erfolgreich war?
-> Enhancement = Grenzüberschreitung, über die Grenzen des Normalen hinaus; Erweiterung der Fähigkeiten der Spezies
-> Therapie ist die Wiederherstellung des Normalzustandes
• Maßstab der Verbesserung
o objektiv, subjektiv
o physiologisch, statistisch
o Leistung, Wohlbefinden
„Ein Staubsauger ist eine Technologie des Enhancement. Eine Brille. Eine Impfung.“
Gesundheit vs. Krankheit
• Disease vs. Illness (nach Borse, biofunktionelle, objektivistische Definition):
o theoretische Erkrankung (statistischer Ansatz: Abweichung von den Durchschnittsparametern / Normwerten)
o vs. praktische Gesundheit / Krankheit (Ab- oder Anwesenheit eines subjektiven Krankheitsgefühls)
o Notwendigkeit der Definition der Normalität, um das Unnormale als Krankheit bezeichnen zu können
o wertneutrales Konzept? (Krankheit wird im Alltag wertend verwendet; Definition von Kriterien für Krankheit ist wertend; Ist der Begriff Krankheit objektiv-normativ oder bereits wertend?);
o laut dieser funktionalistischen Definition wären z.B. die Geschlechtsorgane ausschließlich dem Zwecke der Fortpflanzung verpflichtet, jede andere Verwendung wie Homosexualität, Lust oder Zuneigung wäre demnach Symptom einer Krankheit
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Subjektives Krankheitsgefühl (WHO)
o physisches, mentales und soziales Wohlbefinden (well-being)
o subjektivistisches, idealistisches Leitbild: Laut dieser Definition wäre der Großteil aller Menschen krank
o Erkrankungsrisiko wird in Definition von Krankheit miteinbezogen
o Kausalität für Wohlbefinden (z.B. soziale Faktoren)
• C. Lenk: Fallen subjektive und objektive Krankheit zusammen, ist man mit hoher Wahrscheinlichkeit tatsächlich krank.
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Natürlichkeit und Künstlichkeit
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These: Alles was der Mensch machen kann, ist natürlich, denn alles was wir tun, wird von menschlichem Verhalten determiniert.
• demzufolge wäre Doping mittels Anabolika und Bluttransfusionen natürlich?!
• Ist eine wertfreie Betrachtung des Begriffs der Natürlichkeit möglich?
• natürlich-gut und künstlich-schlecht ist moralisch nicht vertretbar
• Notwendigkeit einer Norm als Vergleichs- und Referenzbasis
• keine einheitliche Verwendung der Begriffe Enhancement, Therapie, Gesundheit, Krankheit, Natürlichkeit, Künstlichkeit in der Literatur – allgemeiner Konsens wird vorausgesetzt
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Worin unterscheidet man natürlich und künstlich?
J. Habermas: Das Gewachsene und das Gemachte (2009)
• das Genetische entspricht dem Gemachten, Umwelt dem Gewachsenen
• Kriterium: eigene Entscheidungsmöglichkeit und Mitspracherecht
-> solange man sich gegen die Entscheidung nicht wehren kann
-> zwei Parteien: Subjekt (Handelnder) und Objekt (Behandelter)
-> Entscheidungsformen:
--> autonom
--> heteronom: X entscheidet für Y ; z.B. Eltern für ihre Kinder (nur Eltern dürfen Entscheidungen betreffend Enhancement bzw. Eugenik ggü. ihren Kindern fällen) vs. Staat, private Firmen, Kirche: liberale Eugenik, genetisches Enhancement
• bei der Therapie wird das Einverständnis vorausgesetzt
• Begriff Enhancement wird eher von Leuten benutzt, die ihm positiv ggü. stehen, Eugenik von den Negativen
• genetische Veränderungen (ein Mensch wird zum „Gemachten“): Therapie ist ggü. Enhancement moralisch unproblematisch
o „Solange der medizinische Eingriff vom klinischen Ziel der Heilung einer Krankheit oder der Vorsorge für ein gesundes Leben dirigiert wird, kann der Behandelnde das Einverständnis des – präventiv behandelten – Patienten unterstellen.“ (S. 303, Abs. 92)
o Menschen machen ist okay, solange es sich um therapeutisches Machern handelt.
o … es gibt also Fälle, in denen etwas Gemachtes unbedenklich ist?
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