Auch mir gefällt Lütz´s Buch. Es ist sehr einfach geschrieben und leicht verständlich. Sein Werk strahlt Wärme und Menschlichkeit aus. Es ist mit viel Humor und Emphatie geschrieben und fokussiert sie Sicht des Lesers auf ein Kernproblem, dessen sich die meisten Menschen gar nicht bewusst sind. In diesem Buch erkenne ich auch tendenziell den durchscheinenden Charakter Erich Fromms, der für Lütz ganz sicherlich ein prägendes/ leuchtendes Vorbild gewesen sein muss.
Auch ich bin kein Freund Sigmund Freuds. Das liegt aber vielleicht darin begründet, das mich seine negativen Denkmodelle und -ansätze in den Bann gezogen haben; auch wenn ich dagegen Fromms positive Art mehr schätze und ihn deshalb lieber lese.
Hier prallen wohl zwei Gegensätze aufeinander. Man könnte es auch nennen "Optimismus von Fromm" und "Pessimismus von Freud". Fromm stellte nicht mehr ausschließlich das Individuum in den Mittelpunkt seiner Forschung, sondern er sah das Individuum als Teil eines ganzen (in Interaktion mit der Gesellschaft), was sich nicht unmittelbar voneinander trennen lässt und sich gegenseitig bedingt. Er sagte in diesem Zusammenhang einst: Z: "Die Wahrheit ist untrennbar" und sah in auch in dieser Aussage einen entscheidenden Fehler Freuds, weil Freuds Psychoanalyse im Kern davon ausging, dass man den Mensch als Individuum nur von seinen sexuellen Verdrängungsmechanismen befreien muss.
Was ich aber persönlich denke ist, das wir Menschen tatsächlich alle gestört sind. Aus einem einfachen Grund. Die Bibel sagt dazu, das Eva vom Baum der Erkenntnis aß. Das bedeutete zugleich das Ende des Paradieses.
Aus psychoneurologischer neuzeitlicher Sicht hat diese Aussage tatsächlich auch heute noch Bestand, denn was die Spezies Mensch von den Spezies der Tiere unterscheidet ist unsere Gabe uns selbst reflektieren zu können. Diese Erkenntnis (wie die Bibel im übertragenen Sinne sagt) ist Segen und Fluch zugleich. Wir können nicht, wie unsere Verwandten, die Tiere unser Leben unbeschwert in völligen Einklang mit der Natur und ausschließlich frei nach unseren Trieben und Instinkten leben, denn das verbietet uns die Gabe dieser Selbsterkenntnis.
Wir können uns nicht tragen lassen vom Gleichgewicht der Natur, sondern eine andere Macht treibt uns, die der Moral und der Ethik und die, der Verpflichtung als sozial-kulturelles Wesen, die uns durch die Gabe der Selbstreflektion auferlegt wurde. Freud nannte es das "Über-Ich" (Gewissen, Moral).
Daher sind wir gezwungenermaßen Zwitterwesen und nicht frei und souverän in unserer Entfaltung. Auch authentisch sind wir in den allermeisten Fällen, im Gegensatz zu den Tieren, nicht. Wie sollen wir das auch, schließlich sind wir tierischen und natürlichen Ursprungs und unsere Physionomie und das ganze biologische Konstrukt basiert auf den Gesetzen der Natur.
Diese über jahrmillionen gewachsenen genetisch geprägten Kräfte sind darauf programmiert unsere Art zu erhalten und unser Überleben zu sichern. Hunger, Durst, Müdigkeit, Sex, das Streben nach Macht; es muss mit starken Gefühlen und Emotionen verbunden sein, denn nur, wenn wir nach dessen Gesetz leben können wir als Species bestehen. Essen wir nichts, sterben wir aus. Verlernen wir uns fortzupflanzen ist das ebenso das Ende der Menschheit. Natürlich passiert das nicht, denn die Gefühle und die Reize, bspw. die Geilheit und Hunger sind stark ausgeprägt; das ist Teil der Grundlage unseres Fortbestehens.
Was wir Menschen nun tun ist folgendes: Wir wägen permanent Unbewussten ab. Wie will ich mich verhalten und wie wäre es gesellschaftlich betrachtet, angemessen sich zu verhalten?
Gesellschaftliche Prinzipien, Normen und Gesetze wägen durch Restriktionen stärker und sie hemmen unsere Individualität als Wesen natürlichen Ursprungs. Einst in geraumer Vorzeit, wohl vermutlich um als Individuum nicht dem stärkeren Individuum des Rudels unterlegen zu sein, bildeten wir kulturelle Zellen. Das bedeutet nichts anderes, als das wir durch unsere Selbstreflektion in der Lage waren abzuwägen, das uns eine Gruppe zusammengeschlossener Individuen vor einem einzelnen stärkeren Individuum schützen kann, da ja die Gruppe/Gesellschaft stärker ist, als der Einzelne. Aus diesem Sicherheitsbestreben heraus bildeten wir Gruppierungen und es entstand Kultur.
Tatsächlich wäre es nun nicht besonders toll, wenn wir alle immer einer Meinung und alle authentisch gleich wären. Denn dann wären wir wie Computer oder Maschinen, gleichgerichtet und rein rational handelnd und nicht souverän. Das sind wir aber nur zu einem ganz geringen Teil, denn unsere Emotionen und unsere Gefühle sind eigentlich das, was uns im Kern ausmacht und auch das, was uns letztlich einzig glücklich machen kann.
Die Diskrepanz des Individuums zum Kollektiv schränkt uns ein und presst uns in gesellschaftliche Normen und Fesseln. Wir sind zwar alle Individuen aber wir sind ebenso Teil eines größeren Organismusses, einer Gruppe; deshalb müssen wir permanent unser Handeln abwägen und uns unterordnen.
Es gibt 1000sende Bespiele tagtäglich:
Wer würde sich nicht wünschen einfach spontan eine weite Reise zu machen? Die Mehrzahl aller kann das vermutlich nicht, denn wir haben soziale Verpflichtungen und sind daher reglementiert und in unserer Selbstbestimmung auf einen kleinen Korridor reduziert.
Wir können auch nicht einfach mit jedem Sex haben, der uns gefällt, denn es gehört sich einfach nicht. So wurde es uns beigebracht und wieder hemmt uns unsere Moral, in Form unseres Gewissens.
Selbst wenn man Single ist, geht man nicht einfach zu einer hübschen Frau oder Mann, die/den man in der Stadt sieht und sagt frei heraus, das man den/diejenige heiß und anziehend findet. Es wurde uns beigebracht, das man das nicht darf/soll.
Tiere dagegen leben sprichwörtlich betrachtet tatsächlich im Paradies. Sie tun das, was ihnen instinktiv auferlegt ist und wonach ihnen gerade ist. Jedoch tun sie das, im Gegensatz zum Menschen, im Einklang mit der Natur. Sie töten nur, was sie fressen können und was sie zum Leben brauchen. Sie leben unbeschwert und kämen niemals auf den Gedanken, sinnlos Lebensräume zu zerstören; außer sie brauchen das zum Überleben.
Wir dagegen maßen uns an, dass wir z.B. sinnlos für Möbel Bäume fällen (wo Millionen von tierischen Kulturen leben). Wer gibt uns eigentlich das Recht, Tiere nicht ebenfalls mit Respekt zu behandeln und sie als gleichwertige Lebewesen zu betrachten und zu ehren?
Welches Leid müssten wir ertragen, wenn wir gezüchtet würden und dann in Schlachtfabriken getötet würden?
Ach ja, das hatten wir doch schonmal in Deutschland vor rund 70 Jahren....
Sorry, für diesen überlangen Beitrag. Ich musste mir einfach mal den Frust von der Seele reden. Mein Vater liegt im Sterben und das tut mir sehr weh.
LG an alle,
Martin