AD(H)S
Hallo zusammenIch stelle mich in dieser Form hier kurz vor.
Meine kleine Geschichte:
Ich fühlte mich immer schon anders. Weil das so manchem so geht, habe ich nicht gross darauf geachtet, es auch nicht überbewertet. So war ich eben, etwas eigen - durchaus erfolgreich damit.
Mit 30 Jahren brach ich dann in einem Burn-Out zusammen. Erstes Kind, Berufseinstieg, veränderte Wohnsituation, Krankheit meiner Frau (zum Glück jetzt wieder gut). Ich konnte plötzlich nicht mehr 20 Meter gehen, ohne eine Pause machen zu müssen. Schaffe ich es heute nach der Arbeit noch bis zur Bus-Station?
Ich ging dann irgendwann zum Kardiologen. Dieser hat mich gründlich untersucht und dann strahlend gemeint: Sie haben ein gesundes Herz, kräftig, sogar überdurchschnittlich kräftig - allerdings sehr nervös. Er schickte mich zum Psychiater.
Dieser diagnostizierte eine Depression. Ich bekam Antidepressiva. Jede Dosisteigergerung war schrecklich, weil es mir für zahlreiche Wochen jeweils immer noch schlechter ging als zuvor. Ich bekam Cipralex, schliesslich bis zu 45mg im Tag. Der Psychiater hat diese hohe Dosis mit der Herstellerfirma genau ageklärt. Dazu noch Trittico, ein Antidepressiva, das beruhigt und auch als Schlafmittel wirkt, zudem luststeigernd ist (während das Cipralex die Lust hemmt). Ich musste auch noch Blutdrucksenker nehmen und etwas gegen die Blutfette.
Wegen der Depression nahme ich zu, von etwa 78 auf am Schluss 91 kg bei 182cm. Nicht extrem viel, aber doch einiges. Ich musste abends eine Belohnung haben, wenn ich mich so durch den Tag quäle.
Ich habe begonnen mit dem Fahrrad zur Arbeit zu gehen, 15 km ein Weg mit 450 Meter bergauf. Zuerst mit Pedelec-Motor, heute ohne, weil trainiert. Ich habe mir eine Sauna gekauft, um abends besser runterfahren zu können. Ja, es hilft mir, auch heute noch.
Ich habe etwa 5 Jahre lang alle diese Medikamente eingenommen. Erst erfolge erzielte ich, als ich es schaffte, mit dem Gewicht wieder runter zu kommen. Ich konnte die Blutdruckmittel und die Mittel gegen Cholesterin wieder absetzen, als mein Gewicht wieder bei 78kg war - ich war so fit wie noch nie. Pro woche 140km Fahrrad mit knapp 2000m bergauf.
Ein Kollege, der auch noch Psychologe ist, sprach mich dann plötzlich einmal an: Er meinte, es wäre doch auch noch möglich dass ich ADHS haben könnte. Ich verband diese Aussage mit der Hoffnung, eine neue Möglichkeit zu finden, meine psychischen Probleme wirksamer zu behandeln. Nach dem Studium der Symptome im Internet kam mir der Diagnosevorschlage nicht so falsch vor. Ich ging in eine Abklärung und machte die Tests, die dann bescheinigten, dass ich ein ADHS habe.
Ich wagte dann den Versuch mit Ritalin. Oh mein Gott, es wirkte Wunder. Eine Minidosis Ritalin, allle 3h 5mg - die Einstellung der Dosierung ist sehr schwierig, viel schwieriger als bei Antidepressiva. Ich war einige Male arg überdosiert (nicht gefährlich), sehr unangenehm. Doch: Meine Depressionen gingen weg. Ich konnte mir dies anfänglich nicht erklären. Der Psychologe schon: Wegen meines ADHS kann ich meine Energie nicht dosieren und powere mich täglich völlig aus - physisch und emotional, sodass ich eigentlich immer leer, gefühllos, manchmal traurig durch die Welt gehe. Das Ritalin macht es möglich, dosierter seine Energien einzusetzen.
Fazit: Ich hatte eigentlich nie eine Depression im eigentlichen Sinne. Die Depression war nur das Sekundärsymptom von ADHS.
Ich setzte die Antidepressiva langsam ab, natürlich mit der Angst, mich getäuscht zu haben. Aber die Depressionen kamen nicht zurück. Was blieb, waren nur leichte Winterdepressionen, die ich allerdings mit einer Lichttherapie gut im Griff habe. Ich nehme nun nur noch 3-4 Mal im Tag 5mg Ritalin. Alle anderen Medikamente sind weg - und es geht mir so gut wie noch nie in meinem Leben.
Ich habe bitterlich geweint darüber, dass ich nicht schon früher den Zugang zu dieser Substanz gefunden habe. Mein Leben ist nur noch halb so anstrengend wie vorher. Ich hatte plötzlich das Gefühl, nur noch Ferien zu haben.
Aber es war eine lange Odyssee bis zur Lösung - ich bin jetzt 37 Jahre alt. Ich hatte auch schon als Jugendlicher einige Jahre Psychotherapie, die mir sicherlich teilweise auch viel gebracht haben, die aber auch oft völlig verfehlt waren, wenn ich die Lösung jetzt vor mir sehe.
Gibts hier noch mehr ADSler oder ADHSler?
Grüsse
Eusebius