Legasthenie
Bei meiner Tochter war in der 1. Klasse schnell klar, dass sie viel langsamer im Lesenlernen war, als alle anderen. Wir haben sie aber erst in der 4. Klasse testen lassen, weil ich dachte, ist ja wurscht, ob das "Kind einen Namen hat".
In der 4. Klasse traute sie sich aber nichts mehr zu und ihr Selbstwert war total im Keller.
Sie bekam mit der offiziellen Diagnose auch den Nachteilsausgleich, bei dem gewisse "Vergünstigungen" mit einher gehen. Texte werden vergrößert, bzw. vorgelesen, Rechtschreibleistungen nicht bewertet und sie hat mehr Zeit für die Bearbeitung. Bei ihr machte das sogar den Übrtritt in die Realschule aus, den sie sonst nicht bekommen hätte.
In der Realschule hatte sie Glück, weil in ihrer Klasse immer zwischen 3 und 5 Legastheniker waren. Daher hat sie eigentlich wenig Leidensdruck geäußert. Die Vergünstigungen betrafen aber eben auch eine Menge Kinder. Weil es so viele waren, haben sich auch die Lehrer, bis auf ganz wenige Ausnahmen, an die Vergünstigungen gehalten.
Jetzt ist sie in der 10. Klasse und äußert sich manchmal gefrustet über die Mitschüler, die in Hinblick auf den Abschluss wohl die Vergünstigungen neiden. Allerdings gelten diese nur während des Jahres und nicht für die Prüfungen selber. Außerdem hat sie natürlich den Satz im Abschlusszeugnis stehen, dass "aufgrund einer fachärztlich festgestellten Legasthenie ihre Lese- und Rechtschreibleistungen nicht bewertet wurden". Das sehen die Mitschüler natürlich nicht.
Nach Außen wirkt sie meistens, als ob es ihr nicht so viel ausmacht. Nach Innen bin ich mir da oft nicht so sicher. Allerdings redet sie eben mit 16 nicht so regelmäßig mit mir über das Defizit.
Wir machen es bis heute so, dass ich bei Lektüren ihr große Teile vorlese, bzw inzwischen ihr Freund. Geschriebenes gibt sie mir immer wieder zur Korrektur. Geübte oder schulische Inhalte schreibt sie mit weniger Fehlern, als spontane Sachen. Kleine Briefchen an mich oder gefühlsmäßige Dinge strotzen nach wie vor vor Fehlern. Lesen ist ein Graus für sie.
Ich versuche so wenig wie möglich Aufhebens darum zu machen. Allerdings kann vor allem ihre jüngste Schwester manchmal richtig biestig sein, indem sie sich lustig macht. Dann bekommt die Kleine aber ihre Schwachpunkte von mir unter die Nase gerieben und dann ist wieder Ruhe im Karton.
Wo es mir ein wenig graut ist bei ihrer Lehre. Sie hat sich jetzt beworben. Ich hoffe, dass sie trotz dieses Defizits eine Chance bekommt, denn sie ist in allen anderen Bereichen eben richtig gut. Allerdings merke ich schon, dass sie alles Schriftliche aufgrund der Legasthenie eher ablehnt und widerwillig macht. Manchmal denke ich, dass sie sich selber damit schlechter macht, als sie ist.
Wenn Du noch konkretere Fragen hast, beantworte ich sie gerne, sofern ich es kann. Hoffentlich habe ich Dir ein wenig Einblick geben können.
LG Sekube