S. Freud: "Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie"
Die "Drei Abhandlungen" von Sigmund Freud gehören zu den psychoanalytischen Klassikern. Der Text ist ca. 100 Jahre alt, viele werden ihn für überholt halten. Ich tue das nicht - auch wenn ich nicht alle Wertungen dieses Textes teile. Aber in einer Hinsicht gebe ich diesem Text voll Recht: wir sind alle bisexuell - Bisexualität ist der natürliche Normalzustand.
Was uns sexuell erregt, sind nämlich nicht bestimmte Geschlechter, sondern Berührungen der Haut, vor allem der Schleimhaut, und ganz intensiv: Berührungen von Schleimhäuten untereinander. Erst durch Erziehung, die Sozialisation, wird unsere ursprüngliche, nicht eingeschränkte Sexualität kanalisiert, auf das gesellschaftlich erwünschte Maß zurechtgestutzt und kanalisiert. Dieser Prozeß funktioniert indessen nicht fehlerfrei, die ursprüngliche Sexualität setzt sich bei vielen doch wieder durch, und bei vielen gibt es auch "sekundäre" Effekte, wie zB traumatisierende Erfahrungen mit einem Geschlecht, die zur Fixierung auf das andere Geschlecht führen können.
Soweit Freud, und ich stimme dem zu, weil es sich mit meiner Lebenserfahrung deckt. Ich habe meine Bisexualität ca. 1993 entdeckt, lebe sie seither auch aus, wobei "ruhigere" und "heftigere" Phasen sich abwechseln. Bisexuell zu sein, seine homosexuelle Komponente zu entdecken, das habe ich als sehr positiv empfunden, auch und gerade was das andere Geschlecht, die Heterosexualität anbelangt. Es klingt "pervers" - aber erst durchs rumschwulen haben ich gelernt, wie man mit Frauen richtig umgeht - in sexueller Hinsicht. Ich habe vor allem am Baggersee, auf den Parkplätzen, in den Pornokinos und Saunen: flirten gelernt - eine ungeheuer wichtige Fähigkeit vor allem im heterosexuellen Bereich.
Sex mit Männern zu haben, war also für mich auch eine ungeheuere Bereicherung meiner Heterosexualität gewesen - und ist es noch heute.
Harald Schmidt - der Größte Dampfplauderer aller Zeiten (GröDaPlaZ)- hat mal verkündet: Bisexualität verdoppelt die Möglichkeiten und halbiert die Chancen. Das ist so falsch, daß ich Harald Schmidt gerne seine Dritten Zähne dafür einschlagen möchte. OK- es gibt eine gewisse Gruppe von Frauen, die sich von bisexuellen Männern zurückziehen oder abschließen. Auf die kann ich zumindest gerne verzichten, weil - eine gewisse andere Gruppe von Frauen auf bisexuelle Männer äusserst positiv reagiert - nämlich die Frauen, die ihrerseits bisexuell sind, sexuell offen, aufgeschlossen, aktiv, neugierig, experimentierfreudig ... mit einem Wort: die wirklich geilen Frauen, mit denen man nicht nur Liebe und Beziehung erleben kann, sondern auch Freundschaft, Sexfreundschaft - was anfangen kann, sich austauschen kann, sich als Mensch unter Menschen begegnen kann, statt nur als Mann unter Frauen (oder umgekehrt).
Da stellt man dann auch irgendwann fest, daß die Unterschiede zwischen Mann und Frau eigentlich so furchtbar groß garnichts sind, wie sie alle immer so machen - wir sind uns in Wirklichkeit viel näher, als man uns ständig "politisch" einreden will.