BDSM was ist dieses Spiel
Wenn ich spiele, wird viel darüber geredet was ich und meine Spielpartner*innen wollen und denken. Wir sprechen darüber, was uns Lust verschafft, was gar nicht geht. Das umfasst sowohl Wörter, die nicht fallen sollen, als auch Taten und Szenen. Wir reden darüber, wie es uns gerade geht. Wichtige Fragen dabei: Haben wir ausreichend getrunken und geschlafen? Haben wir irgendwelche Schmerzen, Einschränkungen, Probleme, Stress etc.? Geht es uns gerade körperlich und mental gut? Welche gegenseitigen Erwartungen gibt es? Ganz wichtig ist in diesem Moment, dass wir ein Safeword vereinbaren. Meines ist häufig “Tannenbaum”, weil es ein Wort ist, was im Kontext des Spielens eher nicht benutzt wird.
Wird das Safeword ausgesprochen oder ersatzweise eine ausgemachte Geste oder Handlung (z.B. das Fallenlassen eines Gegenstandes, eine Schelle z.B. eignet sich gut, aber eigentlich ist alles gut, was sicher machbar ist in der Situation) gemacht, ist das Spiel sofort ohne Nachfragen, Vorwürfe, Rechtfertigung oder Verzögerung zu Ende. Es gibt noch diverse andere Möglichkeiten “außerhalb des Spiels” und abgesehen vom Safeword miteinander zu kommunizieren. Möglich ist zum Beispiel einen Farbcode von Worten zu verwenden: Grün – alles ist super, ich fühle mich wohl, Gelb – ich halte es aus, aber es ist nah an meiner Grenze, Rot – meine Grenze ist erreicht, mach bitte etwas Pause oder fahre die Intensität runter.
Das Safeword ist sowohl von Doms als auch Subs benutzbar, der Farbcode auch. Ich finde den Farbcode deswegen so praktisch, weil es mit ihm nur ganz kurze Momente sind, in denen ich aus dem Spiel heraus muss und dieses dadurch nicht signifikant gestört oder unterbrochen wird.
Der Konsens innerhalb der Szene ist, dass “ssc” gespielt wird, also safe-sane-consensual, was soviel heißt wie sicherheitsbewusst-mit gesundem Menschenverstand-einvernehmlich.
Wie und wo ein Spiel anfängt, ist ganz unterschiedlich. Ich war schon auf Play Parties, wo Menschen sich häufig in extra dafür hergerichteten Räumen treffen, um vor allen oder einigen anderen miteinander zu spielen, aber auch, um Gleichgesinnte zu treffen, sich auszutauschen, Sex zu haben und sich “normal” zu fühlen. Außerdem habe ich bei einem SM-LARP mitgemacht (also ein Live Rollenspiel, auf dem auch gespielt werden darf), war zu Hause im Bett und an vielen anderen Orten.
Wichtig ist, möglichst so zu spielen, dass keine Unbeteiligten Zeug*innen werden, denn sonst kann es es zu Missverständnissen kommen, die in ungewollten Polizeieinsätzen und im schlimmsten Fall zu (Re-)Traumatisierung von Menschen führen, die mit dem Spiel nichts zu tun haben.
Um das Spielen ausschließlich zwischen den Beteiligten und “nach außen” subtil zu halten, gibt es verschiedene Möglichkeiten.
Ich traf nach einiger Zeit des gemeinsamen Spiels mit einer Spielpartnerin die Vereinbarung, dass sie, wenn sie als Sub Lust darauf hat, in ein Machtgefälle zu gehen, den Ring der O trägt – ein Erkennungszeichen für Eingeweihte. Das hat es ihr ermöglicht, mir ihre Wünsche zu signalisieren, ohne mich unter Druck zu setzen und ohne mir die Macht über die Situation zu nehmen. Ich konnte also ein konsensuales Machtgefälle aufbauen oder auch nicht. Ich konnte entscheiden, ob ich sie gerade als meine Sub wollte und ob ich wollte, dass sie dient, frei nach dem Motto: “Eine Masochistin bittet eine Sadistin: ‘Bitte schlag’ mich’, die Sadistin antwortet: ‘Nein’ und lächelt fies.”
Mit einem Top (ein anderes Wort für Dom) hatte ich die Absprache, dass ich immer bitten muss, wenn ich rauchen möchte. Innerhalb der geschützten Wohnung war das auf die Knie gehen, die Arme hinter den Rücken nehmen und mit gesenktem Kopf bitten. Außerhalb der Wohnung war es nur ein Blick, bei dem ich die Arme hinter dem Rücken hatte. Eine Geste, die außer uns niemand mitbekommen hat. Die Vielfalt der Möglichkeiten, zu spielen, ohne dass jemand das Machtgefälle bemerkt, sind enorm. Und die Varianten, BDSM auszuleben.