¿Übersteuerter BDSM?
Das VG Berlin, Urteil vom 11.06.2008 – 80 A 17.07 hielt eine Dienstgradherabsetzung in das Amt einer Steueroberinspektorin für gerechtfertigt, weil eine seit 1993 als Steueramtsfrau tätige Beamtin Fotos zur Veröffentlichung mit dem Angebot sexueller Dienstleistungen gegen Entgelt im Internet einstellen ließ und es sich hierbei um einen Verstoß gegen die Verpflichtung zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten auch außerhalb der Dienstzeit und damit eine außerdienstliche Pflichtverletzung gehandelt habe.Grober Hintergrund:
Die Beamtin wurde als Domina „Lady S.“ in einem langen, ärmellosen glänzenden Kleid vor einem Vorhang, die rechte Hand fasst in Kopfhöhe in einer herab hängende Handfessel, gezeigt. Um den Hals trug sie ein Halsband. Verkündet wurde daneben „Lady S. und ihre Gefolgschaft empfangen dich im E. . Tauche ein in das Reich bizarrer Phantasien und erotische Dominanz“. Als Service wurde u. a. aus der Palette des BDSM Bondage, Wachs, Strom, Sklavenausbildung, Analbehandlung, Natursekt und Kaviar offeriert. Auch eine Fernerziehung war im Angebot enthalten.
Das Gericht führte u. a. aus:
Durch die Bereitstellung der von ihr aufgenommenen Fotos zur Veröffentlichung im Internet in Verbindung mit dem Angebot sexueller Dienstleistungen gegen Entgelt, mithin Prostitution, hat die Beamtin gegen ihre Verpflichtung zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten auch außerhalb des Dienstes verstoßen (§ 20 Satz 3 Landesbeamtengesetz Berlin - LBG) und sich einer außerdienstlichen Pflichtverletzung schuldig gemacht (§ 40 Absatz 1 Satz 1 LBG). Ihr Verhalten ist in besonderem Maß geeignet, Achtung und Vertrauen in einer für ihr Amt und das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen ( § 40 Absatz 1 Satz 3 LBG). Die bildliche Darstellung der Beamtin in der Pose einer Domina im Internet in Verbindung mit dem Angebot sexueller Dienste in einem Salon der BDSM-Szene habe in gesteigertem Maß an Konkretheit eine Beeinträchtigung des Vertrauens in ihr Amt als Steuerprüferin erwarten lassen, deren Ausmaß deutlich über das Maß hinausgehe, das ohnehin bei jeder außerdienstlichen Pflichtverletzung gegeben sei. Die Veröffentlichungen im Internet ließen erwarten und sie zielten darauf, wahrgenommen zu werden. Die Beamtin musste damit rechnen, dabei erkannt zu werden – was auch tatsächlich eintrat. Wenngleich die allgemeinen Anschauungen über geschlechtsbezogenes Verhalten in den letzten Jahrzehnten in zunehmendem Maß liberaler geworden sind, überschreite eine öffentliche Werbung in der hier vorliegenden Art für sado-masochistische Praktiken die Grenze dessen, was den sozialethischen Wertvorstellungen der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung entspreche. Sie verletze nach wie vor erheblich das sexuelle Anstandsgefühl der Öffentlichkeit. Dies bestätigt der warnende Hinweis auf der Startseite des Salons. Der Begriff BDSM, der sich aus den Anfangsbuchstaben der englischen Begriffe Bondage & Discipline, Dominance & Submission, Sadism & Masochism zusammensetze umschreibe eine sehr vielgestaltige Gruppe von meist sexuellen Verhaltensweisen, die unter anderem mit Dominanz und Unterwerfung, spielerischer Bestrafung, Lustschmerz oder Fesselungsspielen in Zusammenhang stehen können. Mit Natursekt und Kaviar werden Fäkalien umschrieben, bei denen allgemein Ekel- und keine Lustgefühle hervorgerufen werden. Derartige Handlungen bringen eine Sexualität zum Ausdruck, die den Einzelnen als Objekt zeigt, das entweder körperliche Gewalt hinzunehmen oder auszuüben habe ... Eine Domina biete sexuelle Dienstleistungen aus dem Bereich BDSM entgeltlich an. Das Angebot sexueller Dienste jedenfalls in diesem Bereich ist – ungeachtet der dem Schutz von Prostituierten dienenden Regelung ihrer Rechtsverhältnisse durch Gesetz vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I 2001, S. 3983) – mit dem Bild einer im Außendienst tätigen Steuerbeamtin schlechthin unvereinbar. Diese mache sich dadurch erpressbar.
¿Nachvollziehbar oder gibt es Bedenken gegen die Ausführungen im Urteil?