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Zufällige Arbeitsverhältnisse oder auch "Erschleichung"

*******mcat Mann
3.663 Beiträge
Themenersteller 
Zufällige Arbeitsverhältnisse oder auch "Erschleichung"
Einer geht noch heute - wir haben ja alle wegen CORONA nix anderes zu tun, sitzen zuhause und langweilen uns vor dem Bildschirm. Also - just for fun:

Vor anderthalb Jahrzehnten oder so machte ich meine Prüfung vor der IHK als "Ausbildung zum Ausbilder". Dazu gehörten selbstverständlich auch Arbeitsrecht.

Mich interessieren zwei Beispiele daraus unter dem Aspekt "Arbeitsrecht" - man kann das aber auch unter dem Stichwort "Strafrecht" einordnen.

Ob die uns damals nahe gebrachten Beispiele heutzutage rechtlich anders gewürdigt werden, weiß ich nicht. Vielleicht hat sich da einiges auch geändert - ich habe das nicht verfolgt.

Die Beispiele an sich halte allerdings für sehr bemerkenswert. Ich wäre nie drauf gekommen, dass sowas wirklich geht. Aber so stehts geschrieben und ist oder war wenigstens öffentlich zugänglicher Stand der Rechtssprechung.

(Nicht dass mir jetzt noch einer kommt und sagt, ich hätte Anleitungen gepostet, wie man in Zeiten von CORONA schnell zu einem neuen Job kommt *zwinker* ).

1)
Eine Auszubildende hat ihren "großen Tag", nämlich Prüfungstag vor der IHK. Sie geht also zur Prüfung und nicht zu ihrem Arbeitsplatz. Nach abgelegter Prüfung kehrt sie an Ihren Arbeitsplatz = bisheriger Ausbildungsplatz zurück. Ihr Arbeitgeber fragt, wie es denn war, sie sagt "gut gelaufen, ich habe ganz sicher bestanden." Dann macht sie ihre Arbeit weiter wie jeden Tag.

Der Arbeitgeber denkt: "Na gut, dann soll sie sich nun irgendwo bewerben. Einstellen kann ich sie nicht. Ich habe zur Zeit zu viele Mitarbeiter und zu wenig Aufträge."

Pech gehabt - die Azubi ist bereits bei ihm fest angestellt. Warum ?

Weil mit der Minute, da sie ihre Prüfung beendet hat, das Ausbildungsverhältnis auch beendet ist. Und weil mit der Minute, da sie ihre bisherige Arbeit am Arbeitsplatz weiter durchführt, ein einvernehmlicher neuer Arbeitsvertrag zwischen dem bisherigen Ausbildungsbetrieb= jetzt Arbeitgeber und der bisherigen Auszubildenden= jetzt Angestellten begonnen hat. Und weil sie schon einige Jahre im Betrieb ist, eingearbeitet ist, in alle Abläufe eingegliedert ist und sich alle einig sind: "Die kann das, die macht das, die gehört zu uns."

2)
Nächster Fall: Eine Arbeiterkolonne ist zugange und arbeitet beispielsweise an einem Bau oder an einer Straße oder beim Umzug eines Unternehmens, hier zum Beispiel beim Reintragen von Mobiliar und Kisten mit Akten in ein Gebäude. Die Arbeiten laufen viele Tage, sind also nicht binnen weniger Stunden abgeschlossen.

Eines morgens ist ein "neuer Mitarbeiter" in der Truppe, der fleißig mit arbeitet und seinen Teil am Gelingen des Werkes, der Arbeit, beiträgt. Er macht zusammen mit den anderen Pause, geht abends heim und kommt am nächsten und übernächsten Tag auch pünktlich wieder.

Irgendwann kommt der Chef vorbei und frägt den Vorarbeiter: "Wer ist denn der da ?". Sagt der Vorarbeiter: "Naja, der Herr Müller, den haben Sie doch eingestellt. Der ist schon seit 3 Tagen hier - guter Mann."

Darauf der Chef: "Nee, den hab ich nicht eingestellt - wie kommen Sie denn da drauf ?"

Der Vorarbeiter: "Nun ja, ich dachte ......" - tja Denken und Wissen sind zwei verschiedene Dinge.

Pech gehabt die zweite - der Mann befindet sich jetzt im Arbeitnehmerverhältnis und hat Anrecht auf Lohn, Sozialleistungen, und auch Kündigungsschutz, wie alle anderen auch.

Hat er aber "gefickt eingeschädelt", der Herr Müller ! So kommt man zu einem Job, ohne sich zu bewerben - Arbeit war ja genügend da.

Kennt Ihr diese Beispiele ? Oder gar noch weitere ?

Und gibt es Informationen, ob die Rechtslage auch heute noch so skurril ist ?

Spannendes Diskutieren wünsche ich.
********Herz Frau
37.532 Beiträge
Das erste Beispiel war mir bekannt und ist, denke ich, auch nicht selten vorgekommen.

Mir fällt ein weiteres ein:

Frau H. hat eine klasse Position im Außendienst. Die Firma - ein internationaler Konzern - stellt grundsätzlich zunächst zweimal ein Jahr befristet ein. Regelmäßig gibt es Zielvereinbarungs- sowie Leistungsgespräche mit dem unmittelbaren Vorgesetzten, der sehr zufrieden ist.

Frau H. weist ihn darauf hin, dass ihr Vertrag befristet ist. Er merkt es bei der Personalabteilung an, dass er sie gerne behalten möchte. "Jaja, kommt noch". Frau H. fährt ihren Firmenwagen, hat ihre Bezirksunterlagen und arbeitet weiter, auch über die (erste) Befristung hinaus.

Ca. 2 Wochen nach Ende der Befristung kommt der neue Vertrag. Frau H. heftet sich den Vertrag samt Umschlag (Poststempel) ab und sieht dem Ende der weiteren Befristung sehr gelassen entgegen. Durch Fristablauf und Weiterbeschäftigung hat sie zu dem Zeitpunkt längst einen unbefristeten Vertrag.
*******Maxx Mann
11.951 Beiträge
Gruppen-Mod 
Tja, es gibt so manche Falle im Recht - auch im Arbeitsrecht.

Beide Fälle - genau so wie der von @********Herz geschilderte, sind formal nicht zu beanstanden.

Es geht aber auch anders herum:

Herr G ist Geschäftsführer einen größeren GmbH.
Es kommt zum Streit mit den Gesellschaftern, die ihn ja eingestellt haben - und der Streit endet mit den Worten: "Herr G, verschwinden Sie nach Hause. Ich will sie hier nicht mehr sehen."

Herr G tut, wie ihm geheißen - aber nach gut zwei Jahren fragt Herr G an, ab wann denn seine Arbeitskraft im Büro wieder gefragt sei. Ach ja, und wann er denn endlich sein Gehalt ausgezahlt bekäme. Er habe schon sein Monaten nix mehr bekommen.

Da keine ordentliche Kündigung erfolgte, bestand das Arbeitsverhältnis weiter. Herr G erhielt das volle Geschäftsführergehalt für die gesamte Zeit nachgezahlt. Allerdings bekam er dann auch prompt die Kündigung *zwinker*
*******ben Mann
3.382 Beiträge
Nebenfrage
Zitat von *****s42:
Herr G tut, wie ihm geheißen - aber nach gut zwei Jahren fragt Herr G an, ab wann denn seine Arbeitskraft im Büro wieder gefragt sei. Ach ja, und wann er denn endlich sein Gehalt ausgezahlt bekäme. Er habe schon sein Monaten nix mehr bekommen.
Na er hätte ja noch knapp ein weiteres Jahr warten können (12 Monate mehr mitnehmen)
Wie ist es den da mit der Verjährungszeit von den drei Jahren geregelt, wenn er z.B. nach 3 Jahren und XX Monaten dies einfordert. Wäre dann noch auszuzahlen: alles was an Lohn anfällt der letzten drei Jahre oder weil der erste nicht gezahlte Lohn länger als drei Jahre her ist verfällt das Ganze?
*******Maxx Mann
11.951 Beiträge
Gruppen-Mod 
Ja, aber vielleicht wurde so langsam das Geld knapp *zwinker*

Und der Lohn verfällt ja nicht - er ist nur nicht mehr einklagbar nach Ablauf der Verjährung.
Der Anspruch bestand trotzdem für die Monate.

Das ist wichtig, z.B. für die Krankenkasse, die die Beiträge für diesen Lohn beim Arbeitgeber bis zu 4 Jahre lang einfordern kann.
*********tion Frau
4.769 Beiträge
Zitat von ********Herz:

Ca. 2 Wochen nach Ende der Befristung kommt der neue Vertrag. Frau H. heftet sich den Vertrag samt Umschlag (Poststempel) ab und sieht dem Ende der weiteren Befristung sehr gelassen entgegen. Durch Fristablauf und Weiterbeschäftigung hat sie zu dem Zeitpunkt längst einen unbefristeten Vertrag.

Tatsächlich? In welchem Pragraphen kann man das nachlesen? *gruebel*
Wie sähe die Sache aus, wenn nach dem (verspätet eingegangenen) neuen Vertrag noch eine Vertragsergänzung oder -änderung, beispielsweise hinsichtlich des Gehaltes oder der Arbeitszeiten, folgt?
********Herz Frau
37.532 Beiträge
Die Frage nach dem Paragraphen muss ich an die Experten weitergeben, das kann ich leider nicht beantworten.

Das ergibt sich wohl aus der Tatsache, dass eine Befristung (wie beispielsweise auch eine Probezeit) von der Schriftform abhängig sind und ein Arbeitsvertrag durch Aufnahme bzw. Weiterführung der Arbeit zu den gesetzlichen Bestimmungen zustandekommt.

D.h.: Letzter Tag der Befristung - danach müsste der AN nicht mehr zur Arbeit erscheinen. Tut er es dennoch und der AG schickt ihn nicht nach Hause, kommt der Vertrag zustande - ohne Befristung.

Wie es mit anderweitigen Änderungen aussieht, weiß ich leider auch nicht.
*********tion Frau
4.769 Beiträge
Danke für die Antwort. Vielleicht kann ja einer der Experten ier in der Gruppe etwas zur Erklärung beitragen.
*******Maxx Mann
11.951 Beiträge
Gruppen-Mod 
Zitat von *********tion:
Wie sähe die Sache aus, wenn nach dem (verspätet eingegangenen) neuen Vertrag noch eine Vertragsergänzung oder -änderung, beispielsweise hinsichtlich des Gehaltes oder der Arbeitszeiten, folgt?
Das müsste dann vermutlich ein Gericht klären, wenn man sich nicht so einigen kann.

Denn wie bereits richtig erklärt wurde, kommt durch das Angebot des Arbeitnehmers, in dem Betrieb zu arbeiten und die Annahme der angebotenen Arbeitskraft ein (Arbeits-)Vertrag zustande (BGB, § 145 ff), denn ein Arbeitsvertrag braucht keine Schriftform. Ohne Schriftform gelten zumindest die orts- bzw. branchenüblichen, tariflichen oder gesetzlichen Mindestbedingungen bezüglich Arbeitszeit, Vergütung, Urlaub usw.
Eine Befristung erfordert zwingend die Schriftform, daher ist dadurch ein unbefristeter Vertrag entstanden. Wird die Schriftform mit einer Befristung nachgereicht, muss man diese Änderung der Vertragsbedingungen ja nicht annehmen - der Vertrag gilt dann ohne die Änderungen, die in der Schriftform stehen, weiter.

Werden jetzt weitere Konkretisierungen wie z.B. Gehalt, Arbeitszeit oder ähnliches schriftlich erfolgen, kommt es sehr auf die Formulierungen an.

Wird kein Bezug auf eine bestimmte Form des ursprünglichen Vertrages (der nun geändert werden soll) genommen - also z.B. "Zu ihrem bestehenden Arbeitsvertrag gelten ab xx.yy. folgende Änderungen: ...", dann kann man das getrost unterschreiben, wenn die Änderungen für einen selbst von Vorteil sind.

Gibt es dagegen einen konkreter Bezug auf den schriftlichen Vertrag (der die neue Befristung enthält) in der Änderung, so sehe ich das so, dass man mit der Annahme dieser Ergänzung auch stillschweigend den Vertrag anerkennt, auf den Bezug genommen wird.
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