Wann darf ich fremde Personen fotografieren?
Aus dem Tätigkeitsbericht des HmbBfDIDie Hamburger Datenschutzbehörde hat ihren Jahresbericht 2020 veröffentlicht. In den Tätigkeitsberichten legen die Datenschutzbehörden einmal im Jahr über ihre jeweiligen Datenschutzfälle des vergangenen Jahres Rechenschaft ab. Diese Tätigkeitsberichte beschäftigen sich primär mit den datenschutzrechtlichen Highlights des vergangenen Jahres. Die Behörden nutzen die Tätigkeitsberichte, um zu bestimmten Datenschutzfragen ihre Rechtsansichten darzulegen und zu vermitteln, was die DSGVO aus ihrer Sicht zu bestimmten Punkten sagt.
Ab Seite 120 bezieht die hamburgische Behörde wie folgt Stellung zu der Frage, ob das Herstellen privater Fotos unter den Anwendungsbereich der DSGVO fällt:
„Die Anfertigung von Fotos und Videos fremder Personen fällt in den Anwendungsbereich der DSGVO. Die Haushaltsaufnahme des Art. 2 Abs. 2 lit. c) DSGVO findet keine Anwendung, da es sich nicht um eine ausschließlich persönliche Tätigkeit handelt. Rechtswidrig erstellte Aufnahmen können mit einer Geldbuße sanktioniert werden.“
Diese Feststellung wird nun unter Jurist*innen kontrovers diskutiert. Denn bei strenger Lesart dieses Absatzes unterfielen extrem viele Fotos der DSGVO und wären – mangels Erlaubnis – rechtswidrig. Man denke nur zurück an Lichtbilder vom letzten Urlaub (die Älteren werden sich erinnern!), Fotografien von Sehenswürdigkeiten und Gruppenbilder im Restaurant – überall lichten wir nicht nur uns selbst ab, sondern zwangsläufig auch andere Touristen, Spaziergänger oder Gäste.
Dass nun all diese Fotos einen sanktionswürdigen DSGVO-Verstoß darstellen sollen, so streng sieht das nicht einmal die (sonst eher strenge) Datenschutzaufsicht Hamburgs. Wenn eine fremde Person als bloßes Beiwerk quasi „mit“-fotografiert wird, sei alles im grünen Bereich, so die Hamburger Behörde. Fotografiert man zum Beispiel den Hamburger Michel und klein am Rande ist eine fremde Person im Bild, wäre das kein DSGVO-Verstoß. Erst wenn es bei der Aufnahme erkennbar gerade um die abgelichtete fremde Personen geht, sei das Fotografieren nach der Behörde unzulässig.
Ob das tatsächlich stimmt, da wird zur Zeit lebhaft drüber diskutiert. Die DSGVO sagt in Art. 2 Abs. 2 das Folgende:
„Diese Verordnung findet keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogene Daten durch natürliche Personen zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten.“
Wenn eine Verarbeitung – dazu gehört auch die Erstellung eines Fotos (vgl Art. 4 Nr 2 DSGVO) – ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeit dient, dann haben wir kein Datenschutzproblem, denn die DSGVO ist nicht anwendbar. Dies ist die sog. Haushaltsausnahme.
Die Hamburger Datenschutzbehörde sieht die Haushaltsaufnahme eher eng und will die DSGVO auf möglichst viele Konstellationen anwenden. Es gibt auch Fälle, wo eine so extensive Anwendung der DSGVO sehr verständlich erscheint. Die Beispiele, die die Behörde hierfür anführt, entstammen dem gezielten Anfertigen von Fotos fremder Personen zu sexuellen Zwecken.
Andererseits gibt es auch viele Fälle, in denen eine extensive Auslegung der DSGVO die Privatpersonen vor immense Probleme stellt. Man denke zum Beispiel an Beweisaufnahmen bei einem Autounfall. Wenn dort das Datenschutzrecht anwendbar wäre, wäre der Unfallbeteiligte verpflichtet, sich an alle auf ihn zutreffenden Regelungen der DSGVO zu halten. Zwar dürfte er dennoch das Foto anfertigen – schließlich hat er ein berechtigtes Interesse an der Aufklärung des Autounfalls und an der Sicherung seiner Ersatzansprüche. Allerdings müsste der Unfallbeteiligte dann den Schädiger über die Datenverarbeitung informieren, Betroffenenrechte wahren, eventuell ein Verarbeitungsverzeichnis führen und und und…
Wir sehen das Problem. Engen wir die Haushaltsausnahme stark ein, dann belasten wir einen Großteil der Privatpersonen mit der Einhaltung von – für eine Einzelperson recht aufwändigen – Datenschutzvorschriften. Das würde auch den DSGVO-Ansatz „one size fits it all“ endgültig ab absurdum führen. Denn dann müsste sich eine Privatperson an die gleichen datenschutzrechtlichen Regeln halten wie Internetgroßkonzerne.
Vor der DSGVO war übrigens das KUG auf die Fragen rund um das Anfertigen von Fotos von Personen gültig. Viele Jurist*innen argumentieren, dass auch weiterhin das KUG und nicht etwa die DSGVO diese Fragen regelt. Nach dem KUG jedenfalls war erst das Verbreiten von Fotos ohne Erlaubnisgrund untersagt, das Anfertigen von Fotos von Personen war hingegen (bis auf die Ausnahmen in § 201a StGB) erlaubt.
Auch hier gibt es also weiter Diskussionen, was uns das europäische Datenschutzrecht mit auf den Weg gibt.