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Verwaltungsrecht - Denksportaufgaben zu Fristen

*******mcat Mann
3.661 Beiträge
Themenersteller 
Verwaltungsrecht - Denksportaufgaben zu Fristen
Da ich aktuell gerade mal wieder mit Fristen zu tun habe und mit Behörden, welche offenbar weder Verwaltungsrecht noch die BGB-§§, auf welchen das Verwaltungsrecht im Bereich Fristen häufig fußt kennen, zu tun habe, habe ich mich ein bisschen in die Materie eingelesen. Auch im fortgeschrittenen Alter ist Weiterbildung in Juristerei nie verkehrt.

Was mein aktuelles eigenes Thema angeht, bin ich also momentan gut informiert - und habe einen entsprechenden Gerichtsbescheid beantragt. Antrag ging laut Sendungsverfolgung heute bei der betreffenden Behörde ein - fristgerecht *zwinker* Da bin ich jetzt mal gespannt.

Aber !

In den letzten Jahren habe ich mehrere skurrile Fristenangelegenheiten erlebt. Das ist zumeist nicht mehr relevant - in einem Fall davon wird auch noch ein Gericht was dazu sagen, aber das ist "Nebenschauplatz" und nicht die "Hauptsache".

Was ich da aber alles erleben durfte in den Jahren - vieles hat mich ehrlich überrascht.

Und ich möchte nun gleich mehrere Ereignisse zur Diskussion stellen, die womöglich etwas knifflig sind. Normal kann ja jeder. Betrachten wirs also mal als Erfahrungsaustausch und als "juristische Denksportaufgaben".

Bin mal gespannt, welche Meinungen und Beiträge hier dazu kommen. Bitte jeweils die Nummer des dargestellten Falles nennen, damit man weiß, worum es geht. Vielleicht gibts ja aber auch Überschneidungen.

Fall 1)
Ein Schuldner verzieht (sich) ins Ausland und teilt einem seiner Gläubiger die ausländische Adresse nicht mit. Muss er ja nicht.

An seiner früheren Wohnanschrift aber hält er sich - beruflich bedingt - immer mal wieder auf und schaut auch noch in den "alten Briefkasten", den er sich mit "anderen Hausbewohnern" indirekt teilt. Soll heißen, er hat noch nen Schlüssel davon, steht aber nicht mehr auf dem Namensschild.

Mehrere !! Jahre nach der Aufgabe seines Wohnsitzes erreicht diesen Briefkasten ein großes gelbes Kuvert, also eine förmliche Zustellung, in welchem sich ein gerichtlicher Mahnbescheid befindet. Die Zustellung erfolgt sagen wir mal Ende Dezember 2018 - der Eintrag des Postzustellers aber lautet auf Dezember 2017, also ein ganzes Jahr zuvor.

Was könnte da passiert sein, überlegt der Empfänger.
a) Geht mich nix an - ich wohne ja nicht hier - Gerichtsstand ist "sonstwo anders in der Welt".

b) Au weija, das wurde postalisch dokumentiert zugestellt - auch wenn mit falschem Datum. Geht mich doch was an. Ich müßte reagieren - oder nicht ? Oder doch ?

c) Das hat vielleicht vor einem Jahr der Briefträger beim Nachbarn eingeworfen, weil ich kein Briefkastenschild mehr hatte - ich war ja schon 6 Jahre nicht im Lande. Und der Nachbar hats verschlampt und jetzt gegen Jahresende wieder gefunden und mit schlechtem Gewissen ohne was zu sagen hier reingesteckt.

So in etwa könnte der Empfänger denken.

Insgesamt erhebt sich die Frage: Welchen Wert hat denn überhaupt eine förmliche Zustellung, wenn sie ein ganzes Jahr später erst durchgeführt wird ? Der inliegende Mahnbescheid war vom Vorjahr und sowieso hoffnungslos verfristet.

Auflösung was dann wirklich passiert ist folgt später - ist ja schon bald wieder ein halbes Jahrzehnt her ....

Fall 2 - eine Finanzangelegenheit:
Ein Finanzamt erlässt einen Bescheid gegen Jahresende 2017, gegen den Rechtsmittel binnen 14 Tagen nach Zugang möglich sind. Der Bescheid trifft bei der empfangsberechtigten Steuerberaterin ein und zwar am Samstag in der ersten Kalenderwoche des Folgejahres. So jedenfalls dokumentiert sie mit ihrem Posteingangsstempel. Und da sie eine fleißige Steuerberaterin ist, war sie die ganze Woche in ihrem Büro, auch am Samstag. Na klar - ist Jahreswechsel und da ist auch im Januar höllisch viel zu tun. Also weiß sie genau, dass der Postzugang tatsächlich erst am Samstag war und nicht schon unter der Woche.

Nun vergisst sie aber im Eifer des Gefechtes, beim Posteingangsstempel die Jahreszahl weiter zu drehen und dokumentiert somit: Posteingang Samstag erste Kalenderwoche 2017 anstatt 2018.

Der Stereurpflichtige legt persönlich Einspruch gegen den Bescheid unter Einhaltung der 14 tägigen Frist ein - 14 Tage nach dem dokumentierten Posteingang in 2018 !

Zwei Jahre später - ja, dauert manches mal etwas - entscheidet darüber ein Gericht und verwirft den Einspruch mit der Begründung, er sei verfristet.
Jetzt kommts !
"Denn schliesslich könne der Steuerpflichtige nicht gegen einen im Januar 2017 zugegangenen Bescheid Einspruch einlegen, wenn doch dieser Bescheid tatsächlich erst im Dezember 2017 ergangen ist. Stempel sei nun mal Stempel und im übrigen sei es nicht glaubhaft, dass Steuerberater auch an Samstagen arbeiten."

Bitte - das ist wahr - so hat das Gericht entschieden - und noch einige gar nicht witzige Dinge mehr.

Diese Angelegenheit wird übrigens - unter anderem - derzeit vor dem Bundesfinanzhof bearbeitet, der entscheiden soll, ob gegen sowas Revision zulässig sei. Denn eine Revision hatte das Gericht auch gleich mit ausgeschlossen (Zitat: gegen diese Entscheidung ist ein Einspruch nicht möglich").

Schließlich will man doch als Richter nicht in die Situation kommen, allzu viel Arbeit zu haben und womöglich auch selbst noch samstags arbeiten müssen.

Einige andere skurrile Entscheidungen gabs da auch noch - aber dieses nicht hier. Wir diskutieren nur Überlegungen zu Fristenangelegenheiten.

Erste Rückmeldungen dazu - von Juristen:
a) Das Gericht bewegt sich da aber auf "extrem dünnem Eis".
b) Man weiß nie - womöglich wird die Entscheidung des Gerichtes auch noch anerkannt. Stempel ist schliesslich - rein juristisch gesehen - Stempel. Man muss da mit allem rechnen.

Eure Einschätzung interessiert mich. Ich finds jedenfalls lustig und traurig zugleich. Beratung dazu hatte ich und ich werde in einigen Wochen erfahren, wie das ausging.

Fall 3 - gleich noch so was:
Es geht um einen Einspruch in einer Verwaltungssache - der Zugang des Bescheides wurde von der deutschen Post auf dem Kuvert mit "Datum=Samstag" vermerkt. Frist für den möglichen Einspruch ist 14 Tage. Es handelt sich gemäß der einschlägigen BGB-§§ um eine sogenannte Ereignisfrist, d.h. Fristlauf beginnt am nachfolgenden Tag auf den Zustelltag um 0:00 Uhr und endet dem entsprechend 14 Tage später um 24:00 Uhr.

Fällt der Beginn einer solchen Frist oder aber das Ende einer solchen Frist auf ein Wochenende (=SA+SO) oder einen gesetzlichen Feiertag, dann gilt jeweils der nächste Werktag. Alles klar ? - So denke ich auch. Nicht so die Behörde.

Sie behauptet, der Zustelltag sei bereits am Freitag gewesen - keine Ahnung wie die darauf kommen, aber vielleicht hat da mal wieder der Postzusteller gepennt oder gekifft - vielleicht hat er gar kein Zustelldatum auf dem Kuvert vermerkt und ein wohlmeinender Nachbar hat sich der Sache erbarmt und stattdessen den Zustelltag pi-mal-daumen drauf geschrieben. Man hilft ja gerne, bevor noch am Ende der Hund den herumliegenden gelben Umschlag auffrisst und der rechtmäßige Empfänger gar nix kriegt.

Auch so könnte es rein theoretisch gewesen sein - der Fantasie sind da kaum Grenzen gesetzt.

Jedenfalls steht jetzt Wort gegen Wort - der Empfänger hat seinen Widerspruch "fristgemäß" bei der Behörde in den Briefkasten eingeworfen.

Und jetzt kommt die und behauptet:
a) Bescheid ging bereits 1 Tag früher zu als die Post beim Empfänger dokumentiert hat.
b) Widerspruch kam erst einen Tag nach dem Einwurf (Sachbearbeiterin formuliert recht vorsichtig mit "... habe ich erst ... erhalten).

Tja, und wann war denn jetzt tatsächlich die Bescheidszustellung und die Einspruchszustellung ?

Es geht jetzt nicht um "Welten" oder gar den Klimawandel - ein paar Euronen hängen aber schon dran. In diesem Falle bin ich - ich gebs ja zu - selbst betroffen. Meine Gegenmassnahme habe ich nach umfangreicher Information fristgemäß eingeleitet und sie wurde gemäß Sendungsnachweis heute zugestellt. Ich suche hier also keinesfalls eine Rechtsbaretung !

Viel mehr aber interessieren mich Eure Erfahrungen mit Fristen im Umgang mit Behörden.

Ist sowas "normal" oder passiert immer nur mir sowas ?
Sind solche "gelben Briefe" das Papier wert, auf dem sie gedruckt sind ?
Wenn sich doch wiederholt zeigt, dass allem auch nur widersprochen wird - und sei es von den Behörden selbst.

Bin wirklich gespannt auf Eure Erfahrungen und Meinungen.
*********dev75 Mann
167 Beiträge
Zu Punkt 1 ist anzmerken, daß das Mahnverfahren als Teil der ZPO ein reines Antragsverfahren ist und das Gericht von Amts wegen die Adresse nicht zu prüfen hat.
Sollte der Postbote also die Zustellungsurkunde mit dem Vermerk zugestellt durch Niederlegung zurückgesandt haben, wäre die Widerspruchsfrist ins Laufen gekommen und da wohl kein Widerspruch eingelegt wurde, auch nicht konnte, kann bereits ein Vollstreckungsbescheid erlassen worden sein.

Dieser stellt dann einen gerichtlichen Titel im Sinne der ZPO dar und kann die Grundlage einer Zwangsvollstreckung sein... hier wäre es auf jeden Fall sinnvoll nachzuhaken und gegebenenfalls auch Rücksprache mit dem zentralen Mahngericht zu halten.
**********r2015 Mann
37 Beiträge
Fristenberechnung im Verwaltungsrecht nach §§41, 31 VwVfG.
Ein Bescheid gilt mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugegangen (§ 41 Absatz 2 VwVfG). Es wird dabei davon ausgegangen, dass der VA am gleichen Tag zur Post gegeben wurde, an dem er ausgefertigt wurde (Datum auf dem Schreiben). Diese gesetzlichen Fiktion gilt auch dann, wenn der Zugang tatsächlich früher, also vor Ablauf der drei Tage, erfolgt ist. Wenn der Zugang nachweislich später erfolgt ist, so gilt dieses spätere Datum als Zeitpunkt der Zustellung. Derjenige, der sich auf den späteren Zugang beruft (also meistens der Adressat des Verwaltungsakts) hat den späteren Zugang nachzuweisen.
*******Maxx Mann
11.949 Beiträge
Gruppen-Mod 
Meine bescheidene Laien-Meinung zu 1:

Hier steckt der Schuldner in einer Zwickmühle.
Theoretisch muss er Null Kenntnis von dem Mahnbescheid haben, da er unter der Zustellungsadresse auch zum Zeitpunkt der Zustellung nicht mehr postalisch erreichbar war. Insofern kann der Mahnbescheid gar nicht rechtskräftig zugestellt worden sein, auch wenn der Postbote auf einem Zustellungevermerk etwas anderes angibt. Schweigen kann hier Gold sein, bis ihn auf rechtlich sauberem Weg ein Vollstreckungsbescheid erreicht.
Auf der anderen Seite hat der Schuldner natürlich inzwischen Kenntnis vom Mahnbescheid und kann sich unter Berufung auf die fehlerhafte erfolgreiche Zustellung immer noch innerhalb von 14 Tagen ab Kenntnisnahme dagegen stellen. Macht er das nicht und der Gläubiger kann in einem Klageverfahren glaubhaft machen, dass der Schuldner von der Zustellung des Mahnbescheides wusste, wäre da sehr nachteilig.

In Ergänzung stellt sich mir hier die Frage:
Ab wann beginnt in so einem Fall die 6-Monats-Frist zur Einreichung der Vollstreckungsklage?
Normaler Weise beginnt die ab der ordnungsgemäßen Zustellung des Mahnbescheides. Wenn der Mahnbescheid aber nicht ordnungsgemäß zugestellt wurde - wann dann?
*******Maxx Mann
11.949 Beiträge
Gruppen-Mod 
Zitat von **********r2015:
Derjenige, der sich auf den späteren Zugang beruft (also meistens der Adressat des Verwaltungsakts) hat den späteren Zugang nachzuweisen.
Nun, in den geschilderten Fällen wurde ja zumindest mit Postzustellungsurkunde der Zeitpunkt festgehalten. Das sollte allgemein an Nachweis eines späteren Zugangs ausreichen (zumindest bis zum Versuch eines Gegenbeweises, z.B. durch entsprechende Zeugenaussagen). Und wenn da der Samstag als Zustellungstag steht, dann ist der Samstag bis zum Beweis des Gegenteils der Tag der Zustellung.

Offensichtliche Irrtümer sollte meiner Meinung nach ein Gericht als solche auch einstufen.

Besonders krass finde ich das im Fall der versäumten Umstellung der Jahreszahl, denn ein Ende Dezember 2017 ausgestellter Bescheid kann unmöglich Anfang Januar 2017 eingegangen sein.
Was allerdings durchaus das generelle Anzweifeln der Aussagekraft so eines Posteingangsstempels beim Gericht nahe legen kann.

Hier wären die näheren Umstände schon interessant.
Wenn also der Bescheid mit normaler Post zugestellt wurde und am Freitag die drei Werktage für die Annahme der Zustellung um sind, so wäre nachvollziehbar, dass ein Gericht einen Posteingangsstempel des Empfängers mit einer völlig falschen Jahreszahl insgesamt nicht als belastbaren Nachweis für eine erst am Samstag erfolgte Zustellung anerkennt.

Auf der anderen Seite (ganz persönliche Meinung) finde ich es aber auch sehr engstirnig, sich bei solchen geringfügigen Friststreitigkeiten und eben nicht eindeutigen Beweisen für die verschiedenen Aussagen so pingelig zu haben.
Der Sinn solcher Fristen besteht ja nicht darin, ggf. durch (un)glückliche Umstände einen Rechtsstreit schnell vom Tisch haben zu können, sondern ein zeitnahes Reagieren der entsprechenden Parteien zu erreichen. Gerade bei eher kurzen Fristen von 14 Tagen oder auch einem Monat sind die Reaktions-Zeitfenster so knapp, dass nicht selten die Frist zur sorgfältigen Abwägung auch so weit wie möglich ausgereizt werden muss.
Etwas mehr Augenmaß und Bürgernähe durch die Ämter wäre hier sehr zu begrüßen - manche machen das ja auch.
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