Schneller, als manche/er denkt, ...
... kann sie/er in die Mühlen der Justiz gelangen. ¿Ein Beispiel gefällig?Die Erfahrung durfte jedenfalls eine Angeklagte machen, die es im Jahre 2007 zugelassen haben soll, dass ihr damals 6-jähriger Sohn mehrmals ihre unbekleidete Brust ergriff und an der Brust saugte bzw. leckte, ohne dass dies einem Stillvorgang gedient habe. Mit diesem Vorfall wurde nach Anklage durch die Staatsanwaltschaft das Amtsgericht Leer betraut, das zu der Überzeugung gelangte, die Angeklagte habe es bewusst in Kauf genommen, dass der Sohn ihre Bekleidung hochschob, um an die nackte Brust zu gelangen. Sie habe ihn in seiner von ihm ausgehenden Initiative bestärkt, indem sie während des Vorgangs von je etwa 30 Sekunden Dauer ihre Hand zärtlich um den Kopf oder den Rücken des Kindes legte, ohne ihn zurückzuweisen. Ferner habe ihre 9-jährige Nichte in mindestens 3 Fällen das gleiche getan, nachdem sie gesehen habe, wie der Sohn der Angeklagte an ihrer entblößten Brust saugte.
Konsequent verurteilte sie das Amtsgericht unter dem 19. März 2009 wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 6 Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen (§§ 174 Abs. 1; 176 Abs. 1 StGB) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Monaten, deren Vollstreckung zu Bewährung ausgesetzt worden ist. Die hiergegen von der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft erhobenen Berufungen verwarf das Landgericht Aurich mit Urteil vom 21. September 2009.
„Im Namen des Volkes“ wurde die Angeklagte hierdurch als Person stigmatisiert, die Kinder und Schutzbefohlene missbraucht.
Nun sieht unser Rechtssystem noch das Rechtsmittel der Revision vor und diesen Strohhalm ergriff die Angeklagte, indem sie das OLG Oldenburg anrief. Deren 1. Strafsenat hob mit Beschluss v. 22.12.2009, 1 Ss 210/09 auf die Revision die Urteile des Landgerichts Aurich vom 21.September 2009 sowie des Amtsgerichts Leer vom 19. März 2009 auf und sprach die Angeklagte frei.
Nach Auffassung des OLG fehle es für eine Verurteilung wegen sexuellen Missbrauch nach §§ 174 Abs. 1, 176 Abs. 1 StGB bereits an einer sexuellen Handlung. Diese liege objektiv nur vor, wenn die Handlung das Geschlechtliche im Menschen zum unmittelbaren Gegenstand hat und für das allgemeine Verständnis nach ihrem äußeren Erscheinungsbild eine Sexualbezogenheit erkennen lasse. Dies treffe zwar für das Betasten einer unbekleideten weiblichen Brust grundsätzlich zu, gelte jedoch nicht für diesen Fall. Denn die zu beurteilenden Vorgänge weisen in ihrem Erscheinungsbild keinen sexuellen Bezug auf. Die Erwägung des Landgerichts, dass die Duldung der "Intimitäten im Brustbereich im Laufe der Entwicklung der Gesamtpersönlichkeit der Kinder zu einer ungezügelten Sexualisierung des kindlichen Verhaltens führen" könne, erscheine nach Auffassung des OLG abwegig.
Hierbei muss man wissen, dass der Jurist den Begriff „abwegig“ nutzt, wenn er herauszustellen beabsichtigt, dass eine andere Bewertung „völliger Unsinn“ oder herausragend absurd ist.
Die Kinder handelten nach Ansicht des OLG äußerlich erkennbar aufgrund eines spie-lerischen Impulses oder weil sie Geborgenheit suchten, ohne dass Sexualität dabei irgendeine Rolle gespielt habe. Die Angeklagte ließ die Kinder gewähren, wobei sie ihre Hand zärtlich um den Kopf oder den Rücken des Kindes legte. Dieses Verhalten war nach seinem objektiven Erscheinungsbild in keiner Weise sexualbezogen. Daher kam das OLG zu dem Ergebnis, dass die Verurteilung auf einer fehlerhaften Anwendung des Rechts beruhe und keinen Bestand haben könne.
War die Korrektur der erstinstanzlichen Entscheidungen durch das OLG eine unseren Rechtsstaat kennzeichnende gerechte Entscheidung oder teilt ihr diese Ansicht nicht?
Viel Spaß beim diskutieren und abgrenzen.