Anmerkung eines homo novus
Da ich gerade die Mitteilung erhalten habe, in dieses Forum aufgenommen zu sein (danke!), möchte ich doch ein paar Anmerkungen zu den Ossi-Wessi-Pauschalvorurteilen machen:
Ich bin seit 17 Jahren Sachse und war vorher lebenslang Niederbayer.
1.) "Die Sachsen" gibt es so wenig wie "die Bayern". Ich bin z. B. in Görlitz gelandet, wo der Ureinwohner hochaggressiv reagiert auf die Unterstellung, Sachse zu sein, denn er ist Niederschlesier und spricht auch akzentfreies Hochdeutsch. Ein paar Kilometer weiter Richtung Zittauer Gebirge im Oberland sind Sprache und Mentalität ganz anders, ebenso konnte ich in den Jahren deutliche Unterschiede zwischen Leipzig, Dresden, Erzgebirge ... feststellen. Ich denke es ist hier genauso wie in Bayern: Wenn Niederbayern, Oberbayern und -sagen wir mal - Oberpfälzer in einem Bierzelt sind, ist man ein Herz und eine Seele, bis der letzte "Preuße" das Zelt verläßt, dann beginnen die Stammeskriege, was allerdings der Nichtbayer nicht wahrnehmen kann, da er ja weg ist.
2.) Die "Ellenbogengesellschaft" hat schon lange nichts mehr mit Ost/West zu tun. Entscheidend ist vielmehr die soziale Einbettung bzw. der Großstadt-Dorf-Unterschied. Jeder, der den Ort seiner Kindheit verläßt und an einen Ort geht mit ihm fremden Regeln, befindet sich rasch in einer Putativnotwehrsituation ohne die vertrauten sozialen Ressourcen, v.a. Freunde und Familie. So habe ich, als ich noch in Straubing wohnte, wiederholt erlebt, daß Leute, die z.B. berufsbedingt nach Schwaben ( auch Bayern) zogen, nach drei Monaten schwer traumatisiert wieder zurückkamen, weil sie nicht damit leben konnten, daß man dort von den Nachbarn geschnitten wird, wenn man am Samstag Vormittag nicht den Gehweg kehrt.
In der Hoffnung, mit meinem allerersten Beitrag im Joyclub nicht unabsichtlich auf allzu viele Zehen gelatscht zu sein warte ich gespannt auf eventuelle Reaktionen.
Bruno