Nachrichten-Verkehr
Nachrichten-Verkehr
Das Internet hat so seine Tücken. Und ich bin eine der Mücken,
die sich mit Herzens-Kälte in die Netzwerke drücken.
Ich gehe ins Netz. Folge dem Gesetz von Angebot und Nachfrage.
Perfektioniere meine Selbstinszenierung in jeder Lebenslage.
Ich setze Sätze, suche Sinn. Suche den Selbstwert-Gewinn.
Suche den Gegenpart, bin Einzelstück,
bin Single-Socke auf der Reise ins Liebes-Glück.
Ja, ich will rechtzeitig das Richtige schreiben.
Mich mit dem richtigen Mann verbal so richtig reiben.
Nach stark aufkommendem Nachrichten-Verkehr ein date wagen.
Wenn es dann doch nicht passt, wieder absagen.
So ploppen die Nachrichten-Fenster auf. Plimbim. Tag für Tag zuhauf.
Ich reagiere. Oder auch nicht. Es ist eine Frage der Tagessicht.
Ja, ich will, dass alles gut ist.
Dass keine Waschmaschine der Welt Zweitsocken frisst.
Dass kein Mann der Welt sich Zweitfrauen hält.
Warum hab ich mich darauf eingelassen? Ist es noch zu fassen?
Ich könnt mich selbst dafür hassen.
Diese Polyamorie ist Blasphemie,
Stinkfußsocken-Mist, bei dem Mann die andere vergisst,
sich nicht mehr rührt, weil seine Frau ihn gestern verführt, gefügig gemacht. Ich schreibe: „Hast Du heute an mich gedacht?“
Plimbim. „Erstfrau hält zur Zeit strenge Wacht. Kontakt geht leider nur mit Bedacht. Ich bedaure das sehr.“
Das war der Nachrichten-Verkehr mit „Sanfter Streichler“. Klick. Gelöscht!
Trotzdem - ich will mein Profil täglich neu generieren,
in Humor frittieren, mit kleinen Spitzen garnieren,
Unschönheiten kaschieren, Schwanzbilder exekutieren,
dünnhäutige Socken identifizieren, Copy´n´ paste-Texte extrahieren und
jeglichen organisch-geistigen Müll im virtuellen Papierkorb kompostieren.
Dann geht es heiter weiter: potentielle Freunde markieren,
bei anhaltend unterhaltsamem Nachrichten-Verkehr
des Mannes Namen verifizieren
und über google sein Leben recherchieren.
Denn ich bin im angesagtesten Single-Forum. Warum?
Tausend Nachrichten täglich. Ich bin der Renner,
mutiere schon zum Männerkenner. Zum virtuellen Schwerenöter-Töter.
Denn auf dem Single-Männer-Markt ist der Konkurrenz-Kampf hart.
Massive Gebrauchsspuren seitens des Mannes sind häufig,
seelische Abstumpfung oft nicht nur vorläufig,
hinzu kommt chronische Untervögelung.
natürlich mit bester Empfehlung des Mannes, dass sein Johannes …
na ja, er sagt halt, er kann es!
(das ist wie: Die Socken haben zwar Löcher, halten aber schön warm!)
Ich zeige mich als Wollmilchsau,
bin stets die schönste, beste, angenehmste Frau.
Lass mich gerne locken. Von einem Mann mit Gucci-Socken,
schwarzen Locken und kantigem Gesicht,
in seinen Augen ein wissendes Licht, und wenn er spricht
ist seine Stimme tiefenreich. Da werd ich kuschelweich .
Das steht so etwa in meinem Profil.
Und natürlich der Anspruch: Suche Mann mit Stil.
Ich bin „Belladonna“, die schöne Frau.
Wer meine gefakten Fotos sieht, sagt „Wow“
und bettelt um Aufmerksamkeit. Sucht Gemeinsamkeit.
Flieht der Einsamkeit. Verpackt seine Lust in Heiterkeit. Ist immer bereit.
Plimbim. „Ja, ich bin stets bereit einen Streit zu unterlassen,
und jederzeit bei Notwendigkeit die Schwierigkeit zu erfassen,
meine Verfügbarkeit deiner Bedürftigkeit anzupassen.
und natürlich meine Stinkesocken niemals unter deinem Bett zu lassen.
Denn allein leben ist nicht artgerecht.
Diese Einzelkäfighaltung bekommt mir denkbar schlecht.“
Dann der Zusatz, ob ich denn auch kochen kann?
Ich schau auf das Profil von diesem Mann.
„Einsamer Bär“. 130 Kilo schwer. Klick. Gelöscht!
Plimbim. „Eine Beziehung wäre wohl wunderbar. Sonnenklar.
Doch machen wir uns nichts vor, wer an die Liebe glaubt ist ein Tor.
Sie ist nicht nachhaltig haltbar.
So wäre ich bis zum Ablaufs-Datum für etwas Sex doch dankbar.
Wie wäre ein Treffen heute abend in der Hotelbar?
Keine Angst, meine kleinen Perversionen sind fein und zumutbar.
Ich lade dich ein auf ein Glas Wein. Es wird dein Schaden nicht sein
Und gehst du gefügig mit auf mein Zimmer, zahle ich großzügig. Immer.“
Solche Nachrichten hinterlassen schwer verdaulichen Eindruck.
Das war „Der kleine Muck 007“. Klick. Gelöscht!
Plimbim. „Ich suche nicht, ich lasse mich finden.
Lass mich nicht an die kurze Leine binden.
Wobei ich Fesselspiele besonders mag.
Hast Du Zeit und Lust, morgen vormittag.“
Schreibt „Knotensocke“. Klick. Gelöscht!
Ich schalte den Computer aus. Geh aus dem Haus. Muss einfach raus.
Echte Menschen sehen. Ein paar Schritte gehen.
Ich mach mich auf die Socken. Ich will nicht mehr am Computer hocken.
Dieser Zeitvertreib macht schwerlich Sinn.
So viel Zeit durch Nachrichten-Verkehr dahin.
Die Erfolgsaussicht auf einen Partner ist so gering wie ein Lottogewinn.
Da bleib ich lieber Single – und mach mein Ding!