@********2018
Gar kein Problem. Ich finde die gemeinhin herrschende Stigmatisierung von psychischen Problemen bedauerlich. Sie drängt Betroffene sehr viel weiter an den Rand der Gesellschaft als sie sein müssten. Vor allem, wenn man bedenkt, welche hoher Prozentsatz von Menschen im Laufe seines Lebens an einer psychischen Problematik erkranken wird.
Sieh mal, es ist nach meiner Erfahrung so, dass jemand, der mit der Neigung zu psychischer Verletzbarkeit ausgestattet ist, immer in irgendeiner Form etwas mit seiner Psyche zu tun haben wird. Diese Dinge verschieben sich, aber sie gehen in der Regel nie ganz weg. Es sei denn, es handelt sich um Traumata an einer zuvor seelisch völlig stabilen und gesunden Person. Diese sind zumindest teilweise völlig heilbar. Aber bei Menschen wie mir ist das nicht so. Und so wandelte sich meine Angst einfach irgendwann und wurde etwas anderes. Etwas, mit dem ich heute recht gut leben kann, wenn ich auf mich achte. Selbstpflege und das Hören auf eigene Grenzen und eigene Bedürfnisse sind hier als Schlüsselpunkte zu nennen. Gerade als junger Mensch, der ich damals war, wollte ich nicht so ganz einsehen, dass ich eben nicht wie andere stundenlang in dunklen Clubs mit Flackerlicht und eng besetzter Tanzfläche ausharren konnte. Oder in ausverkauften Fußballstadien ... Ich war frustriert, weil meine Seele und mein Körper da nicht mitmachten. Ich wollte "normal" sein. Und vor allem diese Idee davon, was "normal" ist und dass man selbst nicht dazu gehört ist etwas, von dem man sich wirklich verabschieden sollte. Und zwar zugunsten dessen, sich selbst und seine ganz eigenen Bedürfnisse a) kennenzulernen und b) nach außen zu kommunizieren und zwar ohne permanentes schlechtes Gewissen.
Ich habe damals im Lernprozess durchaus Freunde verloren. Menschen, die mir sagten "SO" könnten sie mit mir nichts anfangen. Nun... rückblickend konnte und wollte auch ich mit ihnen SO nichts anfangen, also passte es ja wieder. Das ist nämlich auch noch so ein Punkt. Es ist wichtig, daran zu glauben, dass man seinen Weg, seine Nische, seine Leute finden wird, auch und gerade wenn man offen mit seinen Grenzen umgeht. Sich selbst anzunehmen ist wirklich der erste wichtige Schritt in Richtung Besserung. Zu verstehen "Ok, so bin ich eben jetzt gerade. Ich kann dies und jenes nun einmal nicht. Das ist weder gut noch schlecht, es ist so." Und im zweiten Schritt hilft es natürlich, genau anzuschauen, warum man dies und jenes gerade nicht kann. Was dahintersteckt. In welchen Momenten tritt Angst vermehrt auf? Kenne ich das eventuell von früher? Sind es alte Verletzungen, alte Träger, die sich da über die Angst Aufmerksamkeit verschaffen, weil sie noch nicht geheilt sind?
Ich kann nur jedem, der sich von Ängsten in seinem Leben eingeschränkt fühlt, raten, sich therapeutische Hilfe zu suchen. Es liegt keine Schande darin. Im Gegenteil ist es ein Zeichen von Stärke und dem Willen zur Selbstreflexion, sich mit sich selbst auseinandersetzen zu wollen.
Was mich letztlich wieder ins Leben zurückgebracht hat, war, ein gutes Händchen dafür entwickelt zu haben, wann ich mich schonen und zurückziehen sollte, weil meine Ängste nun einmal gerade stärker waren und wann es auch heilsam und gesund war, eine gewisse Wut auf meine Ängste zuzulassen, die mir dann dabei half, Dinge trotzdem zu tun. Auch wenn ich vor Angst dabei schlotterte. Ich weiß noch, als ich damals den ersten Job annahm nach einer langen Pause. Ich hatte unfassbare Ängste, die paar Aushilfsstunden gar nicht durchzustehen und ja, ich hatte auch Panikattacken. Aber ich hatte auch Wut im Bauch. Ich war Mitte 20 und wollte nicht, dass mein Leben weiter so verläuft. Als Sklavin meiner Ängste. Also hielt ich durch, ging gegen die Ängste an, arbeitete trotzdem. Und so wurden die Abstände zwischen den Attacken länger und aus Aushilfe wurde Teilzeit und dann Vollzeit und ich glaube, das hat mir damals wirklich den Weg aus der Krise gewiesen. Dinge trotzdem zu tun. Zu akzeptieren, dass es mir dann eben manchmal furchtbar ging dabei, aber trotzdem zu tun.