Ich gehöre nicht zu den Menschen, die bei Begriffen wie Etikette oder Benehmen an Schriften über kulturelle Wandlungen und ähnliches denken. Es erscheint mir nicht wichtig, was man in fernen Zeiten in adligen Kreisen gemacht hat. Auch sind mir psyhologische Faktoren ziemlich egal.
Ich denke vielmehr an das, was mir meine Eltern beigebracht haben. Halt die ganz normalen Umgangsformen, die man beherrschen sollte. Und meine Eltern haben dafür definitiv keine Bücher gewälzt. Es spielte auch keine Rolle, ob Menschen in Japan das genauso machen.
1. korrekt mit Messer und Gabel essen.
2. nicht schmatzen, laut rülpsen, furzen
3. nicht mit offenem Mund Kaugummi kauen.
4. bei Begegnungen auf der Strasse etc. mir bekannte Menschen grüssen
5. Tür aufhalten bei allen Menschen, die in dem Moment Hilfe brauchen. Ja, auch wenn es ein Mann ist, der keine Hand frei hat.
6. allgemein meine Hilfe anbieten, wenn ich sehe, dass ein anderer Mensch gerade Schwierigkeiten hat.
7. Bitte und Danke sagen,
und noch diverse andere Verhaltensregeln.
War ich höflich und korrekt, mein Gegenüber (ein Erwachsener) jedoch nicht, wurde der Erwachsene von ihnen angepflaumt. Das fand ich richtig gut.
Bereits als Kind fiel mir auf, dass viele Erwachsene diese doch recht einfachen Regeln nicht beherrschten. Hauptsächlich beim Essen bemerkte ich es. In Restaurants fragte ich gerne mal kindlich-laut: "Mama, warum schlürft der Mann da seine Suppe und schmatzt?"
Ein Mann muss mir nicht jede Tür aufhalten. Beim Auto finde ich es charmant. Sind es viele Türen (beim Shopping) etwas übertrieben. Hilft der Mann mir in den Mantel, dann helfe ich ihm anschliessend auch.
Anhand der Regeln, die ich als Kind gelernt habe, reagiere ich heutzutage auf andere.
Es stört mich, wenn mein Gegenüber im schicken Restaurant den Mund zum Löffel führt statt den Löffel zum Mund. Wenn jemand mit vollem Mund weiterredet...grausam.
Ich habe leider die Angewohnheit, meinen Ärger sofort zu kommunizieren. Das macht mich waaahnsinnig beliebt.
Am extremsten reagiere ich in den Bereichen Essen und Sprache. Selbst damals in meiner BDSM-Hochphase ging teileweise gar nicht mehr mit mir, weil mein Gegenüber zu ordinär redete.
Beispiel:
Veranstaltung "Nacht der Benutzung" in einer Lokalität in Hamburg. Alle schick angezogen, der Beginn stilvoll. SMer kommen ja gerne recht elitär daher. Alle Frauen sollten sich im Kreis aufstellen, mit dem Gesicht nach aussen. Sie präsentierten sich. Die Männer standen aussen ebenfalls im Kreis.
Und dann sagte der Gastgeber: "Sklavinnen, hebt Eure Röcke und präsentiert Eure Fotzen."
Ich war so dermassen geschockt von dieser Wortwahl. Sie passte für mich überhaupt nicht zu so einer Veranstaltung. Ich hob nicht meinen Rock, sondern verliess den Kreis, rauschte wütend zurück in die Garderobe. Etwas später zählte ich den Gastgeber, der mir erschrocken folgte, gnadenlos und lautstark aus.
Schlechte oder reduzierte Manieren ertrage ich nur begrenzt. Was mich aber noch mehr verstört, ist, dass die Leute, die die grössten Etikette-Defizite haben, tatsächlich glauben, dass sie gute Manieren haben.