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Der letzte Wille, oder doch nicht?

****mi Frau
3.128 Beiträge
Themenersteller JOY-Angels 
Der letzte Wille, oder doch nicht?
Heute mal ein ernsthaftes Thema zum Nachdenken:

Hallo ihr lieben ich habe vor einer Weile einen Artikel in der Zeit gelesen, zu dem es jetzt auch bei „Zeit Verbrechen“ den passendenden Podcast ( „Der Fluch des letzen Willens“ ) gibt, den ich übrigens auch generell sehr empfehlen kann.😉

Der Gedanke lässt mich nicht recht los, und ich denke immer mal wieder darüber nach, es geht kurz gesagt um aktive Sterbehilfe bei Demenz, hier die Kurzbeschreibung zur Podcastfolge:

„Sie möchte Sterbehilfe in Anspruch nehmen, wenn sie je an Demenz erkranken sollte. Das verfügt eine alte Frau. Dann erkrankt sie tatsächlich. Und sie wird getötet – obwohl sie ihre Meinung inzwischen geändert hat. Was ist der Wille einer Dementen wert?“

Natürlich spielten in diesem Fall noch einige Faktoren mit hinein, die man bei Interesse gerne nach hören oder lesen kann und der Fall ereignete sich auch in den Niederlanden, was aber jetzt nicht die entscheidende Rolle spielt.
Mir geht es eher um die generelle ethnische Frage, die Problematik die damit einher geht und was eure Meinung dazu ist:

Wenn sich ein Mensch im Vollbesitz seiner geistigen Fähigkeiten dazu entschließt im Falle einer Demenz von Sterbehilfe gebrauch zu machen, und dies schriftlich festhält, weil er Angst vor dem vergessen hat, dass es ihm dann schlecht geht, so das er sich entschließt ab einem bestimmten Punkt des Vergessens die Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen, und es passiert tatsächlich...
Er erkrankt an Demenz, vergisst mehr und mehr und kommt an jenen bestimmten Punkt, den er festgelegt hat, an dem er sterben möchte,
aber ihm geht es garnicht so schlecht, man kümmert sich, er ist ruhig und gelassen, hat Appetit, ist in sich ruhend und man hat nicht das Gefühl das es ihm schlecht geht, sollte man dann diesen Menschen euthanasieren?

Auch wenn der jetzige erkennbare Wille ein anderer wäre und auch wenn er vielleicht nicht mehr sprachlich dazu in der Lage wäre, dies zu artikulieren? In diesem Fall zählte nur der vorher festgelegte Wille….

Hat also der Wille eines dementen Menschen das gleiche Gewicht wie der eines Menschen, der im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte ist, oder zählt nur der vorher niedergeschriebene und festgelegte Wille?

Kann man das vorher überhaupt überblicken, bevor man tatsächlich in dieser Situation ist?

Ich weiß es ist ein schweres und sensibles Thema, aber ich hoffe ihr versteht das Dilemma…. Was wäre eure Meinung dazu?

Bitte bleibt fair wenn es unterschiedliche Ansichten gibt, ich freue mich auf eure Gedanken….

Nezumi
**********engel Mann
727 Beiträge
Zitat von ****mi:

Hat also der Wille eines dementen Menschen das gleiche Gewicht wie der eines Menschen, der im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte ist, oder zählt nur der vorher niedergeschriebene und festgelegte Wille?
Nezumi

M.E. Ja, solange er/sie nicht durch eine gerichtliche Anordnung durch das Betreuungsgericht (früher Vormundschaftsgericht) entmündigt wurde,ist sie/er voll geschäftsfähig.

Aber eine interessante Fragestellung....die auch in Verbindung mit einer Vorsorgevollmacht stehen kann.

siehe auch: §§ 1896 ff BGB
****nor Frau
587 Beiträge
Nüchtern betrachtet hat die Person eine Wenn-Dann-Entscheidug getroffen, die korrekt durchgeführt wurde. Sie hat sich damit dummerweise selbst die Möglichkeit genommen, ihre Entscheidung rückgängig machen zu können. Shit happens, doch: Selber schuld.

Angst ist kein guter Berater, insbesondere nicht beim Thema vorausgeplante Sterbehilfe.
*********lerin Frau
2.285 Beiträge
Ich verstehe das empfundene Dilemma, aber ich finde es unglaublich wichtig, dass der Wille des Menschen respektiert wird.
Denn ich musste mal einen Fall mitansehen, in dem derjenige für Wochen vor sich hinvegetierend im Bett an Apparaten am Leben erhalten wurde und niemand einschreiten konnte oder wollte. Er hatte NICHT verfügt, dass er das so möchte. Ich konnte in seinen Augen keinen Lebenswillen mehr sehen, nur unendliches Leid und Verzweiflung. Das ist die andere Seite.

Daher bin ich dafür, dass es möglichst für alle Menschen in jedem Alter (Unfälle können jederzeit passieren) eine unfassende und auch rechtliche Beratung dazu gibt, in der auch Was-wäre-wenn-Fälle aus allen Perspektiven durchgespielt und besprochen werden können.

Ich für meinen Teil habe ein paar Dinge schriftlich festgehalten, unter anderem, was für mich noch ein lebenswertes Leben wäre und was nicht. Ich habe zusätzlich eine Person benannt, die in Zweifelsfällen für mich entscheiden soll. So bin ich auch für Fälle, die ich nicht voraussehen kann, einigermaßen abgesichert.
Der freie Wille wird gemeinhin ueberschaetzt. Er Richter sich nach Tagesform, aeusseren Umstaenden und Einfluessen, Schmerzzustaenden, etc.pp... Heisst, er ist stark volatil und kein Absolutum. Entsprechend ist zu verfahren. Wenn allerdings keine suffizienten Methoden zur Verfuegung stehen, den aktuellen Willen festzustellen, gilt das zuletzt verfuegte, rein juristisch. Wir haben auf den Intensivstationen aber viel haeufiger den Fall, dass nichts verfuegt ist und die Angehoerigen aus verschiedensten Gruenden auf Maximaltherapie bestehen. Obwohl die Wahrscheinlichkeit, den Patienten bei ordentlicher Lebensqualitaet zu erhalten, in den allermeisten Faellen infaust ist. Das fuehrt zu hoher Belastung beim Personal, Pflegenden, Aerzten und nicht zuletzt zu ausufernden Kosten. Dagegen nehmen sich die wenigen Faelle von Euthanasie auf Verlangen eher akademisch aus. Generell muss immer I'm Einzelfall in grosser Runde mit Angehoerigen und behandelnden Experten entschieden werden, damit eine fuer alle Beteiligten zufriedenstellende Loesung erzielt werden kann.
Interessanter Ansatz.
Eine Patientenverfügung ist total oft fehlerhaft und unvollständig.
"ich möchte keine Lebenserhaltenden Maßnahmen" kann dann auch einfach das weglassen von Fiebersenkern sein.
Das muss man SEHRSEHRSEHR genau durchdenken und besprechen.

Eine Vorsorgevollmacht kann helfen, wenn man an Demenz erkrankt. Man wird dann nicht entmündigt und der Wille ist immer gültig, allerdings kann der Vorsorgebevollmächtigte bei entsprechender Formulierung die fehlerhaften und gefährlichen Entscheidungen widerrufen. Das ist jetzt stark zusammengefasst, aber heutzutage ist es durchaus möglich in Deutschland auch mit Demenz weiterhin mündig zu bleiben.
Eine Demenz schränkt die Entscheidungsfähigkeit nicht grundsätzlich ein. Dass, was heute geäußert wird, sofern er/sie bei diesem isoliertem Thema, einsichts- und steuerungsfähig ist, und wenn es in einfacher Sprache ist, dann gilt der jetzt aktuelle Wille.

Entmündigung gibt es seit 1997 nicht mehr und auch bei gesetzlicher Betreuung oder bestehender Vorsorgevollmacht, entscheidet der Betroffene selbst inkl Aufhebung eines vorher verfügten Willens.
Das ist die Rechtslage in Deutschland.
Auch der zitierte Paragraph von Großstadtengel beeinhaltet das "... Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht mehr...".
Demenz bedeutet erstmal nur, daß kognitive Fähigkeiten, die mal vorhanden waren nicht mehr (in der alten Form) vorhanden sind. Die Äußerung in der Beschreibung von Nezumi, dass sie ihre Meinung geändert hat zeigt aber, dass sie weiß, worum es geht.
Also ja, ich unterstütze die heute geäußerte Meinung und setze mich dafür zur Not auf die Bettkante und unterstützte sie in der aktuellen Meinung und verhindere, daß jemand ihren veralteten Willen durchsetzt.
Der Gefahr, dass bei einer Verschlechterung des Zustandes wieder ein Wunsch nach assistiertem Suizid aufkommt, der dann nicht mehr geäußert werden kann, die muss ich eingehen.
****mi Frau
3.128 Beiträge
Themenersteller JOY-Angels 
Zitat von ****ksy:
Der freie Wille wird gemeinhin ueberschaetzt. Er Richter sich nach Tagesform, aeusseren Umstaenden und Einfluessen, Schmerzzustaenden, etc.pp... Heisst, er ist stark volatil und kein Absolutum. Entsprechend ist zu verfahren. Wenn allerdings keine suffizienten Methoden zur Verfuegung stehen, den aktuellen Willen festzustellen, gilt das zuletzt verfuegte, rein juristisch. Wir haben auf den Intensivstationen aber viel haeufiger den Fall, dass nichts verfuegt ist und die Angehoerigen aus verschiedensten Gruenden auf Maximaltherapie bestehen. Obwohl die Wahrscheinlichkeit, den Patienten bei ordentlicher Lebensqualitaet zu erhalten, in den allermeisten Faellen infaust ist. Das fuehrt zu hoher Belastung beim Personal, Pflegenden, Aerzten und nicht zuletzt zu ausufernden Kosten. Dagegen nehmen sich die wenigen Faelle von Euthanasie auf Verlangen eher akademisch aus. Generell muss immer I'm Einzelfall in grosser Runde mit Angehoerigen und behandelnden Experten entschieden werden, damit eine fuer alle Beteiligten zufriedenstellende Loesung erzielt werden kann.

Da sehe ich es auch durchaus ein, wenn man nur noch das Leiden verlängert sollte man eine humane Lösung finden, Aber gilt das auch wenn es der Person eigentlich körperlich gut geht?
Ich denke auch das viel gesagt und vielleicht auch geschrieben wird was aus dem aktuellen Befinden resultiert und vieles eine Momentaufnahme ist…. In der akuten Situation hat man dann oft doch eine andere Meinung…
****mi Frau
3.128 Beiträge
Themenersteller JOY-Angels 
Zitat von **********engel:
Zitat von ****mi:

Hat also der Wille eines dementen Menschen das gleiche Gewicht wie der eines Menschen, der im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte ist, oder zählt nur der vorher niedergeschriebene und festgelegte Wille?
Nezumi

M.E. Ja, solange er/sie nicht durch eine gerichtliche Anordnung durch das Betreuungsgericht (früher Vormundschaftsgericht) entmündigt wurde,ist sie/er voll geschäftsfähig.

Aber eine interessante Fragestellung....die auch in Verbindung mit einer Vorsorgevollmacht stehen kann.

siehe auch: §§ 1896 ff BGB

Ja, aber darf ein Vormund sowas entscheiden, auch wenn es keine Medizinische Entscheidung ist, bei der man nicht mehr weiter behandelt, also z.B. eine Maschine abzustellen,
sondern eine bei der man aktiv zum Tod beiträgt? Kann man das überhaupt jemanden aufbürden?

Total schwierig….
*********2015 Mann
147 Beiträge
Vom praktischen Standpunkt her haben @*********lerin und @**********engel genau Recht. Aber Dir, liebe @****mi, geht es ja auch um das Prinzip dahinter.

Dein Beispiel zeigt, wie schwierig das Feld “Tötung auf Verlangen“ ist, und noch dazu hier: “auf vorgefertigtes Verlangen“ oder gewissermaßen “Verlangen auf Vorrat“. Aber wie schwer ist es doch, selbst in Vollbesitz geistiger Kräfte, zu wissen, was ich in ein paar Tagen oder auch in einem Jahr wirklich will...

Sehr gut nachvollziehbar ist, dass man z.B. bei einem dementen Menschen nicht unbedingt alles tun _soll_, was man tun könnte um sein Leben zu verlängern, wenn neben der Demenz auch noch eine körperliche Erkrankung dazukommt - hier helfen die Maßnahmen sehr, die @*********lerin angesprochen hat.

Aber ein derartiges Unterlassen ist ja etwas ganz anderes als ein aktives Töten - in Deinem Beispiel. Ein aktives Töten war bislang in Deutschland nicht vorgesehen, das soll sich gerade ändern. Aber egal welcher Entwurf Gesetz wird: eine derartige Tötung ist nur denkbar, wenn die betroffene Person auch irgendwie leidet, belastet ist usw. Ein Tötungs-Automatismus mit dem ein offenbar glücklicher, zufriedener Menschen umgebracht wird, bleibt zutiefst unmoralisch.
*********2015 Mann
147 Beiträge
Der Betreuer (Vormund) darf nicht eine aktive Tötung veranlassen.
@*********2015
Wenn jemand nicht mehr selbst entscheiden kann, dann gibt es eine recht gut strukturierte Entscheidungshierarchie. Meine eigene, persönliche Überzeugung hat darin an keiner Stelle Platz.
Wenn also jemand seinen Willen nicht mehr äussern kann, dann gilt
1. Der verfügte Wille (Patientenverfügung)
2. Der geäußerte Wille
3. Der mutmaßliche Wille

Und, wenn alles das nicht greift, dann die informierte Entscheidungen.

Für Angehörige ist das sehr schwer, weil die emotionale Bindung sehr stark ist, für Betreuer ist es sehr schwer, weil das Wissen zu 2. Und 3. Beschränkt ist.
Das Dilemma besteht für mich in der Theorie nicht, sondern nur in der Praxis.
Ich bin nicht fit mit den ganzen Verfügungen oder Paragraphen. Ich betrachte es nüchtern auf reiner Gefühlsebene.

Nahtoderfahrungen, der Wille zu leben, zu überleben ist bei fast allen Menschen stark verankert.
Natürlich gibt es dann noch die Erfahrungen wenn sich dein Opa oder der Nachbar aufhängt. Der Körper wehrt sich dennoch, weil er überleben will.

Eine Freundin die Altenpflegerin war hatte es gelernt im Altenheim die Menschen sterben zu lassen wenn es dem Ende zugeht. Schließe die Tür, mach deine Arbeit.

Eine andere begleitet Menschen beim Sterben. Steht an ihrer Seite. Gibt Trost. Achte die unantastbare Würde.

Wieder eine andere arbeitet auf der Intensivstation und kommt überhaupt nicht damit klar, wenn sie drei Stunden einen 94 Jährigen reanimieren muss, damit er noch einen Bypass gelegt bekommt, um dann ein halbes Jahr weiter auf der Intensivstation zu liegen bis sein Körper endgültig aufgibt.

Es ist und bleibt eine ethnische Frage. Manche würden bis zur letzten Zelle kämpfen, teils aus Geldgier, teils um des Lebens willen. Andere möchten die Würde behalten.

Die Frage ist für mich, wo ist die Grenze und wer legt diese fest?

Die eigentliche Frage war, darf der nun demente Mensch weiter leben obwohl er zuvor festgelegt hat, dass er im Falle dieser Krankheit sterben will.

Ich halte es da wie beim Sex. Wenn vorher alles glatt lief aber dann ein Nein kommt, dann ist das zu akzeptieren. Ein Nein ist ein Nein. Denn nichts hat mehr Bestand als Veränderung. Also ja. Er darf leben, denn nur das Jetzt zählt.

Ist vielleicht wie mit Rosenkohl essen. Ich kann jahrelang es ablehnen. Dann gibt es nur noch Rosenkohl. Und er wird lecker zubereitet. Andere Erfahrung, weil selber mittendrin. Das Recht auf Leben.....darum darf man liebevoll kämpfen.
*********vibus Mann
1.017 Beiträge
Ich sehe es sehr ähnlich wie @****see. "Demenz" ist ein weites Feld von den Anfängen bis zu massiven Ausfällen. Sterbehilfe kann erst in Frage kommen, wenn sicher ist, dass die Person keinen zu respektierenden Willen mehr äußern kann.

Ich vermute, ein Mensch, der im Falle der Demenz sterben möchte, wird eher als das eigene Empfinden die Belastung im Sinn haben, die er für andere darstellt. Ohne die Motivation für seine Verfügung zu kennen, wird es insofern kaum möglich sein, vernünftig zu entscheiden. Im Zweifel muss er weiterleben dürfen.
Meine Mutter lebt auf einer Demenzstation. Ihr geistiger Zustand entspricht einem Kleinkind: Sie freut sich auf Essen, singt gerne, beobachtet die Natur, ärgert sich über Mitbewohner, Bevormundung oder möchte bestimmte Dinge nicht tun. Ihr räumlicher und zeitlicher Horizont ist minimal und auf das unmittelbare Umfeld beschränkt. In diesem Rahmen hat sie einen klaren Willen und auch Überlebenswillen.
In ihrer Zeit als aktive intellektuelle Frau hätte sie aber diesen ihren Zustand als verzichtbar eingeschätzt. Ohne Glaube an ein ewiges Leben und ohne Angst vor dem Tod hätte sie ein "vernünftiges" Ende eines erfüllten Lebens festlegen wollen. Wir haben darüber durchaus gesprochen.

Das Dilemma ist in ihrem Fall wie von der TE beschrieben: der eigene hochreflektierte Wille erodiert quasi zusammen mit den geistigen Fähigkeiten zu einem elementaren Überlebenswillen.

Ethisch gleicht die Frage nach der Wertigkeit dieses späteren, weniger bewussten Willen jener nach dem Wert des Ubgeboren Lebens oder dem Wert der Gefühle höherer Tiere.

Man kommt m. E. nicht darum, entweder sicherheitshalber immer dem aktuellen Impuls der Person zu folgen (mag er noch so sehr im Widerspruch zu früher Gesagtem stehen) oder aber die Person beizeiten konkret formulieren zu lassen, dass man Jahre später diesen aktuellen Willen ignorieren soll, da sie ahnt, dass dieser konträr ausfallen könne, und dann diesem Auftrag zu folgen - das Risiko hat die Person dann in Kauf genommen und man müsste sich folglich von den Gewissensqualen frei machen, dass sie es bereuen könnte. Die Person hatte ohne Not die Freiheit, dieses Risiko einzugehen, sie muss also auch selbst das Risiko der Fehlentscheidung tragen. Will die Person das vermeiden, darf sie nicht frühzeitig einen Euthanasiewunsch formulieren.
Die Freiheit, den eigenen Willen festzulegen, schließt die Freiheit, sich zu irren, mit ein.
****mi Frau
3.128 Beiträge
Themenersteller JOY-Angels 
Ich vermute, ein Mensch, der im Falle der Demenz sterben möchte, wird eher als das eigene Empfinden die Belastung im Sinn haben, die er für andere darstellt.

… und gerade das sollte niemals der Grund für diesen Wunsch sein….
@****Tat, bedeutet das
"Die Freiheit, den eigenen Willen festzulegen, schließt die Freiheit, sich zu irren, mit ein"
Dass man seinen Wunsch nicht revidieren darf? Dass z. B. Auch eine Berufswahl bedeutet, den Beruf nicht ändern zu dürfen oder dass sich eine Scheidung verbietet?

Meine persönliche Überzeugung ist, dass unser Leben aus einer Auseinanderreihung von Modifikationen besteht, ohne dass eine Einzelentscheidung als Fehler oder Irrtum bewertet werden muss, sondern einfach nur als nicht mehr aktuell.
*********vibus Mann
1.017 Beiträge
Zitat von ****mi:
Ich vermute, ein Mensch, der im Falle der Demenz sterben möchte, wird eher als das eigene Empfinden die Belastung im Sinn haben, die er für andere darstellt.

… und gerade das sollte niemals der Grund für diesen Wunsch sein….
Ist es aber durchaus, befürchte ich. Ein typischer Satz, den ich nicht nur einmal aus dem Mund von alten Menschen gehört habe, lautet: "Ich möchte niemandem zur Last fallen."
****mi Frau
3.128 Beiträge
Themenersteller JOY-Angels 
Zitat von *********vibus:
Zitat von ****mi:
Ich vermute, ein Mensch, der im Falle der Demenz sterben möchte, wird eher als das eigene Empfinden die Belastung im Sinn haben, die er für andere darstellt.

… und gerade das sollte niemals der Grund für diesen Wunsch sein….
Ist es aber durchaus, befürchte ich. Ein typischer Satz, den ich nicht nur einmal aus dem Mund von alten Menschen gehört habe, lautet: "Ich möchte niemandem zur Last fallen."

Ja, das stimmt und viele befürchten (vielleicht ja zu recht…) das, sollte man auch hier zulande eine Lockerung in Sachen Sterbehilfe zulassen, sich ja tatsächlich Ältere vielleicht bedrängt oder genötigt fühlen dem zu zustimmen.
Einfach weil es normal und alltäglich werden könnte und schon indirekt erwartet wird…. Das wäre furchtbar….
*********vibus Mann
1.017 Beiträge
Das sehe ich genauso. Einen Druck, sich für Sterbehilfe zu entscheiden, darf es nicht geben.

Aber auf der anderen Seite finde ich es richtig, eine (gut informierte, verantwortliche) Entscheidung für einen unnatürlichen Tod zu akzeptieren, etwa wenn ein kranker Mensch seinem Lebenspartner nicht seinen Lebensabend verderben möchte, indem er diesen zur Pflege "nötigt", obwohl ein bewusstes Erleben nicht mehr erkennbar ist und das Leben der dementen Person praktisch nur noch aus Essen und Schlafen zu bestehen scheint.

Bei jeder (formal) freien Entscheidung kann sich der Entscheider trotzdem (sozial) gedrängt und damit unfrei fühlen. Das ist letztlich ein unauflösbares Dilemma.
Ich arbeite seit 10 Jahren hauptberuflich auf einer speziellen Station für Patienten mit weit fortgeschrittener Demenz. Ich erlebe sozusagen tagtäglich die Abgründe dieser Erkrankung.

Ja, anfangs dachte ich auch mal ,dass ich lieber sterben als dement sein möchte. Diese Einstellung habe ich mittlerweile nicht mehr.

Nicht die Demenz an sich ist das Problem, sondern der Umgang mit ihr.

• Genervtes Pflegepersonal (ja, da spielt u.a. auch die Personaldichte eine entscheidende Rolle)
• Ärzte, die schlichtweg nicht wissen, was man medikamentös machen kann, um den Leidensdruck, z.B. Ängste, Vergiftungsgedanken und Hinlauftendenz zu minimieren.
• Angehörige, die überfordert sind, aber oft auch keinen Rat annehmen wollen. Die mutter oder Vater grundsätzlich tieftraurig angucken und nach 5 Minuten Besuchszeit fast erleichtert sind, wenn eine pflegerische Tätigkeit durchgeführt werden muss.....ein perfekter Anlass, um gleich wieder zu gehen.

Aber es gibt nicht nur leidende Demente, sondern genau so viele fröhliche Demente. Sie sind ganz in ihrer Welt, die man NIEMALS mit unseren Augen betrachten sollte, sondern mit IHREN Augen.

Da sitzt eine Patientin neben mir, während ich dokumentiere. Sie schreibt auf einem Blatt Papier diverse Male "ich liebe dich" und schenkt mir dieses Blatt dann mit den Worten "ich könnte Dich knutschen, bis Du schielst". :-)))

Auf meiner Station ist so viel Freude und kleines Glück zu erleben. Viel Wärme, Körperkontakt, Lachen.
Ja, das nennt man Lebensfreude.

Und ich finde, dass auch die Lebensfreude eines Dementen etwas Wertvolles ist.
Ich möchte zu dem Sterbehilfe-Beispiel , das @****mi im Eröffnungsposting erwähnte, ein paar weitere Infos hinzufügen.

Die Pat. hatte, als sie gesund war, wahnsinnige Angst vor Alzheimer. Alzheimer ist noch um einiges heftiger als eine klassische Demenz. Genau daran ist sie aber erkrankt. Als ihre Kinder ihren schriftlich fixierten Wunsch durchsetzen wollten, sagte sie ständig "Es ist noch nicht soweit. Ich bin noch nicht so weit."

Der "Wunsch wurde trotzdem umgesetzt. Die Patientin erhielt ein sedierendes Mittel, damit sie ein wenig wegschlummert. Erst danach sollte sie den tötlichen Medikamentencocktail gespritzt bekommen.

Leider Gottes wirkte das sedierende Medikament nur minimal. Die Patientin war wach. Sie wehrte sich mit Händen und Füssen gegen ihre Kinder und die Ärztin. Die Kinder hielten sie quasi in der Zange, während die Ärztin spritze.

Die Ärztin wurde daraufhin wegen Mordes angeklagt, jedoch freigesprochen.
******muc Mann
344 Beiträge
Ganz heißes Thema mit vielen Meinungen und ganz vielen Abzweigungen in die Irre. Sei es medizinisch oder rechtlich ist kaum ein ärztliches Thema so mit Fallstricken belegt wie der Anfang und das Ende des Lebens.
Ich persönlich bin kein Palliativmediziner und ich habe nur viele hundert Tage damit verbracht, daß mir ein Pallitativmediziner am Ende des Tages "so etwas von der Arbeit erzählt" wie man eben so einiges verkraften muß und nicht mit ablegen des Dienstwagenschlüssels weglegt.
Es gibt keine Tötung im Sinne aktives Töten des Arztes. Dann kommt der Zusatz "auf Verlangen", was wiederum rechtlich extrem geregelt ist mit möglichen Hintertüren, die man gehen kann, je besser man die Regeln kennt. Ich kenne sie nicht genau, deswegen keine Aussage dazu von mir.
Richtig und rechtlich nicht belangbar ist, wenn z.B. durch die Gabe von Schmerzmitteln, die der Patient zur Schwerztherapie braucht, in Kauf genommen wird, daß sich damit eine größere Gefahr der Atemdepression z.B. ergibt und die Gefahr von Aussetzen des Atems in Kauf genommen wird. De facto aber eine Nebenwirkung einer klaren palliativen Maßnahme zu Schmerzfreiheit ist, auf die der Palliativpatient ein Recht hat und rechtlich standhält. Hier sind wir ganz weit weg von Tötung bei Demenz. Das will ich nicht diskutieren.
Ohne einen Palliativarzt, das ist eine Facharztausbildung, die auch immer wieder einer aktuellen Information der akuten Gesetzeslage bedarf, ist das Thema überhaupt nicht valide zu behandeln. Wer tatsächlich einen eigenen Fall hat, der sollte genau dort Rat suchen und sich v.a. auch im Umfeld absichern gegen mögliche Klagen.
Stell sich nur jemand vor, da gibt es etwas zu erben, da spielt der Zeitpunkt auch eine ganz erhebliche Rolle. Ist die 10-jahresfrist schon um, daß die vorangegangene Schenkung an einen der Kinder noch mitzählt in der Berechnung der Pflichtteile? Wird die Erblinie komplett umgeleitet, wenn der Ehepartner als Alleinerbe verstirbt - oder vielleicht sogar später angeheiratet kein leibliches Elternteil ist? Kann eine Teilung des Hauses und ein Anspruch noch geltend gemacht werden, wenn jemand vor Ablauf des Jahres verstirbt? Ist endlich ein Weihnachten im Hotel von St Moritz mit der Familie möglich, weil die Jahre davor immer die Oma nicht mit konnte ---- die Abgründe und Möglichkeiten sind schier unendlich.... nur so zum Denken aus der anderen Sicht. Die Belange des Patienten sind hier maßgeblich, werden aber schon mal hin und her gepusht.
Patientenverfügungen macht man zusammen mit seinem Hausarzt oder einem speziell dafür ausgebildeten Berater. Alles andere bringt dem behandelnden Arzt nur in die Bedoullie, bei unklaren Verhältnissen eben doch die Maximaltherapie ansetzen zu müssen oder sich mit den Angehörigen auf Diskussionen bis hin zu Zank wegen o.a. Ergeschichten einlassen zu müssen. Damit muß mein Beitrag dazu auch enden.
*********2015 Mann
147 Beiträge
Wir sprechen heute viel von Freiheit und meinen doch oft Kontrolle, zwar Selbst-Kontrolle, aber doch eben Kontrolle. Einen engen Korridor, nicht die Freiheit eines weiten Feldes...

Was wir nicht vergessen dürfen: jede Freiheit ist auch endlich. Wenn ich mir hier die Freiheit zum eigenen Tod nehme (und ich kann das gut verstehen!), dann beende ich meine Freiheit damit auch gleich wieder. Von der Freiheit bleibt damit nur die Kontrolle über einen Lebensabschnitt, der - wie alle anderen, wenn wir ehrlich sind! - kaum kontrollierbar ist, @*****_HH hat genau das aus erster Hand dargestellt.

Gleichzeitig begrenze ich aber die Freiheit der anderen um mich herum, die sich in “besseren Zeiten“ für mich entschieden haben: Wer sagt denn in dem Beispiel von @*********vibus , dass die Zuwendung meines Lebenspartners zu mir als demendem Rest meiner selbst diesem den eigenen Lebensabend verdirbt - und nicht vielleicht bereichert? Das kann ich nicht durch meine vorhergetroffene Einschätzung bewerten, sondern ist die freie Beurteilung durch den betroffenen Lebenspartner in der konkret eingetretenen Situation.

Wir tun und heute schwer mit Begriffen wie Schicksal, Glück oder Pech, aber ob wir es mögen oder nicht: mit dem Konzept der Selbst-Kontrolle als scheinbares Äquivalent von Freiheit stossen wie auch nur allzu schnell an Grenzen.

Zurück aber zum Konkreten: jemanden zu töten (danke @*****_HH , dass Du auch das so klar dargestellt hast!) ist etwas völlig anderes, als ein ausklingendes Leben ausklingen zu lassen ohne es unsinnig und gegen den erklärtem oder mutmaßlichen Willen des Betroffenen immer weiter zu verlängern.
**********eye69 Mann
38 Beiträge
ouch

Genau damit muss ich mich zurZeit auseinandersetzen.
Uff.....im echten Leben.

Wenn ich kann und mag und will, werde ich versuchen meine Erfahrung und Meinung etwas zu beschreiben.

Speziell bei Demenz, denke ich mir Aufgrund meiner Efahrung(en), dass, wenn der Wille in "Würde" zu sterben (sprich Exit) ganz klar kommuniziert und schriftlich festgehalten wurde, bevor es zur Demenz kam, dieser auch dementsprechend zu würdigen ist, auch wenn die nun sterbende, demente Person plötzlich den Willen ändert.

Wobei, das ist je nach Situation schwierig.
Bei uns ist abgemacht: keine LVM bei starkem Leiden.
(meine Mom hat sich vor kuzem ebendafür entschieden)
Und ich als Kopfmensch würde darunter leiden dass mein Denken und Verstand sich auflösen.

Ausserdem dachte ich zu Wissen dass auch bei einer solchen Verfügung der Gang zum begleiteten Exit aktiv gemacht werden muss. Da wird niemand gezwungen. Denke ich.
*autsch* Du verunsicherst mich.....
Wäre ja noch besser...

(muss das mal nachlesen - brauche aber etwas Zeit um hier weiteres zu erläutern)
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