Ich bin begeistert über die Gedankendichte des Threads (vermutlich der ganzen Gruppe) -
Die Problematik ist seit Jahrtausenden bekannt, sonst wäre es nie nötig gewesen moralische Gebote zu formulieren. Religionsgemeinschaften, welche ihr Zugehörigkeit über die Mutter weiterreichen, hatten vermutlich mal die Idee, dass zumindest dieser Teil der Elternschaft sicher sei.
Ich möchte auch darauf hinweisen, das dieses Thema in der westlichen Kulturwelt der letzten paar Jahrhunderte gegenwärtig war, historisch und literarisch in offenen Nennungen aber auch Andeutungen gegenwärtig und ersichtlich war. Ein offenes Geheimnis, welches diskret gelebt wurde und Munition für private und politische Konflikte lieferte. Stichwort sei hierbei Dekadenz von Bürgertum und Adel.
Mir ist hier aber auch schon in einem anderen Bereich der Gruppe aufgefallen, dass Einige die Kenntnis eines Fachbegriffes mit der kognitiven Mobilität den Inhalt des Begriffes umzugehen, gleichsetzen. Ich kann euch so gut verstehen aber ich denke es schafft eine unnötige Distanz zwischen euch und den lebenden Vertretern der dogmatischen alten Weltbilder. Diesen Gedanken brauche ich später nochmals.
Hier wurde bisher, meines Empfindens nach, nahezu ausschließlich, makrosoziologische Aspekte diskutiert. Ich bin kein wirklicher Freund dieses Ansatzes, denn die gelieferten Erklärungen scheinen mir oft zu konstruiert und im Detail nur bedingt nachvollziehbar. Juristische Vorgaben möchte ich an dieser Stelle vernachlässigen, denn ich meine, der offen gelassene Spielraum für "Sünde" bleibt groß genug.
Mir wird es nicht möglich sein einen mikrosoziologischen Ansatz, auch nur ansatzweise ausreichend, zu beleuchten. Dennoch möchte ich zumindest versuchen Puzzle Teile dieser komplexen Problematik aufzuzeigen:
Die diskutierten und vorhandenen moralischen Vorstellungen werden von lebenden Menschen, in wie auch immer gearteten diversen Subkulturen, verkörpert und bestimmen Verhalten aber auch Handeln der Individuen.
Als Modell wähle ich einen möglichen worst case: oberbayrische, erzkonservative Dorfgemeinschaft in der noch nie lebende Individuen einer progressiven Lebens- und Denkweise offen die gesellschaftliche Norm angefochten hatten und die Manipulationsversuche der Medien an einer geschlossenen Wand der Ablehnung zerschellten. Unter diesen 1000, durch die Norm geprägten leben 2 Individuen, die ganz direkt mit der Fragestellung des TE im Alltag konfrontiert sind.
Anton sei der heimgekehrte, der durch Studium und wenige Berufsjahre mit den anderen Lebensweisen konfrontiert war und diese zu seinen Normen und Bedürfnissen gemacht hatte. Er war schon immer Teil der Dorfgemeinschaft durch Sport, freiwillige Feuerwehr und Schützenverein. Er gilt als hilfsbereit, aufrichtig, vertrauenswürdig und verlässlich und wird von den 999 en gros als vertraut betrachtet.
Bernd sei vor 10 Jahren zugezogen mit seiner alleinerziehenden Mutter. Er war schon von Anfang an ausgegrenzt, ist hochintelligent und gebildet. Er gilt als überheblich und distanziert (siehe Abschnitt oben). 997 der Dorfgemeinschaft ist er nicht vertraut - ein Alien könnte kaum fremder sein.
Anton und Bernd leben beide das gleiche Sexualleben aus (naja Bernd muss wohl notwendiger Weise bei Joy sein).
Ich denke obwohl es ein Modell ist, sollte es für jeden im Prinzip, nachvollziehbar sein und auch eine ausreichende Realitätsnähe haben. Ich denke jeder kann sich in bunten Bildern ausmalen wie Anton trotzdem Teil der Gemeinschaft bleibt, wahrscheinlich sogar bewundert wird und somit wahrscheinlich auch eine Akzeptanz seiner Lebensweise erreicht aber zumindest eine Duldung. Seine Einflüsse auf einen Wertewandel bewerte ich als vorhanden.
Bernd wird als Außenstehender vermutlich keine reale Chance haben auf Akzeptanz zu hoffen.
---> These: Es ist nicht der Konflikt zwischen Wertesystemen die entscheidende Frage, sondern wer, wie diesen Konflikt im Einzelfall austrägt.
Behauptung: Ein schwules Pärchen, welches abgesehen von der sexuellen Neigung, ein konservatives Leben führt und Nähe zum Umfeld hatte oder aufgebaut hat, hat mehr zur Akzeptanz in der Nachbarschaft beigetragen als 10 CSD in der nächsten Stadt.
• Effekte durch Ausstrahlung/Charisma möchte ich nur andeuten
• Mögliche Auswirkungen von bewusster, zielorientierter Anwendung von Sprache um Nähe oder auch Distanz zu schaffen
• Auswirkungen von äußerlich sichtbaren Glücksempfinden als anziehende und mögliche abstoßende Wirkungen (glücklich, smart, sympathisch vs überdreht, debil, entrückt).
• die Folgen von Distanz sind Abwertungen anderer Positionen ohne sie noch inhaltlich auch nur überhaupt in Erwägung zu ziehen. Ein Etikett auf die Schublade geklebt, die Leute hineinverfrachtet und hinter dem Haus schon den Scheiterhaufen aufgeworfen. Als Beispiele sollten Ausländer, Nazi, Linksextremer, Verschwörungstheoretiker als Beschriftung des Etikettes hinlänglich einleuchtend sein.
----> selbstverständlich muss ich somit die Fragestellung des Threads mit ja beantworten, auch wenn Hindernisse zu erwarten sind (gerade wenn politische, ökonomische Konflikte nur unter dem Deckmantel der Moral geführt werden). Ein ausreichend charismatisch, integrierter Teil der lokalen Gesellschaft kann jeden Konflikt für sich entscheiden. Er muss "nur" sozial mächtiger sein.
Ich wünschte, ich wäre ohne das Modell ausgekommen und hätte eine wissenschaftlich fundiertere Sprache nutzen können. Selbstverständlich sind das nur Thesen aber mein Steckenpferd ist eh dass nichts beweisbar ist (nur Falsifizierbarkeit möglich - vgl Erkenntnistheorie) .
Nun Messer raus und fallt über meinen Beitrag her
.