Autismus - Chancen und Barrieren
Einleitend sollte ich erwähnen, dass ich ein sog. Asperger-Autist bin. Gemeinsam mit allen anderen Formen des Autismus ist, dass es gegenüber allen 'Inputs' quasi keine Barrieren oder Filter gibt. Typisch beim 'Asperger' ist aber, dass sich dies vor allem auf die emotionalen Botschaften bezieht, die mich also 'ungefiltert' und ganz und gar ohne eine Barriere treffen. Im Zusammenhang mit allen anderen Behinderungen ist ja immer von Barrieren die Rede...Für 'Rollstuhlfahende' sind Stufen oder Treppen die Barrieren, aber für viele Menschen mit anderen Behinderungen - und ich glaube beinahe, dass das die meisten sind - liegen die Barrieren sogar eher im Menschen selbst; der Mensch ohne Hörfähigkeit oder Sehfähigkeit trägt die Barriere in sich wie auch viele andere, wenngleich es mittlerweile in der Gesellschaft sehr zu begrüßende Bestrebungen gibt, alle Barrieren nicht als solche anzusehen, die im Menschen mit einer Behinderung liegen, sondern außerhalb von ihm abgebaut oder auch 'Brücken' geschaffen werden können; Nachrichtensendungen mit Gebärdensprache sind dazu ein guter Ansatz.
Für mich als 'Asperger-Autist' gibt es zwar in mir keine Barrieren gegenüber allen mich ungefiltert treffenden Emotionen, aber eigentlich hätte ich viel lieber diese Barrieren; doch ich habe sie nicht! Es gibt jedoch auch für mich Barrieren, die - wie bei den Rollstuhlfahrenden - außerhalb von mir liegen:
Mit meinem Grad von Sensitivität 'renne ich gegen Wände', und die 'Ordnungsprinzipien' (sie gehören immer in einem gewissen Grade zum Autismus) und ein - wie ich weiß - beinahe 'maßloser Perfektionismus' werden nahezu von niemandem verstanden und erst recht nicht geteilt.
Meine Chancen habe ich längst in dieser (wenn auch 'übersteigerten') Sensitivität und begleitet von einer großen Imaginationsfähigkeit entdeckt und inzwischen auch ganz angenommen. Gegenüber den 'außerhalb von mir liegenden Barrieren' muss ich nun meine Erwartungen an die Gesellschaft nicht nur sehr weit herunter schauben, sondern genau genommen gänzlich begraben; denn das kann ja praktisch niemand sehen...
Ich habe erst recht spät in meinem Leben Klarheit über meine Behinderung bekommen. In der Rückschau verstehe ich erst jetzt, warum viele Dinge in meinem Leben schief gelaufen sind; das betrifft auch den Bereich von sexuellen und Partnerbeziehungen.
Ich möchte hierin Menschen ansprechen oder herausfordern sich in etwas zu öffnen, worin sie sich noch nie zu öffnen gewagt haben; ich denke, ich bin nicht so eine 'absolute Seltenheit'...