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Gedichte und Lyrik
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Gedichte

****le Mann
16.204 Beiträge
Themenersteller 
Gedichte
Die Made

Hinter eines Baumes Rinde
wohnt die Made mit dem Kinde.
Sie ist Witwe, denn der Gatte,
den sie hatte, fiel vom Blatte.
Diente so auf diese Weise
einer Ameise als Speise.

Eines Morgens sprach die Made:
"Liebes Kind, ich sehe grade,
drüben gibt es frischen Kohl,
den ich hol'. So leb denn wohl.
Halt! Noch eins, denk, was geschah,
geh nicht aus, denk an Papa!"

Also sprach sie und entwich. —
Made junior jedoch schlich
hinterdrein, und das war schlecht,
denn schon kam ein bunter Specht
und verschlang die kleine fade
Made ohne Gnade. — Schade.

Hinter eines Baumes Rinde
ruft die Made nach dem Kinde.


Heinz Erhardt (1909 – 1979)
Komiker, Musiker, Komponist, Unterhaltungskünstler,
Kabarettist, Schauspieler und Dichter.
********nder Paar
55.810 Beiträge
Gruppen-Mod 
Zweifle an der Sonne Klarheit,
Zweifle an der Sterne Licht,
Zweifl’, ob lügen kann die Wahrheit,
Nur an meiner Liebe nicht.
*herz2*

William Shakespeare
*****ajo Paar
268.485 Beiträge
Wilhelm Busch

Der Vogel

Es sitzt ein Vogel auf dem Leim,
Er flattert sehr und kann nicht heim.
Ein schwarzer Kater schleicht herzu,
Die Krallen scharf, die Augen gluh.
Am Baum hinauf und immer höher
Kommt er dem armen Vogel näher.

Der Vogel denkt: Weil das so ist
Und weil mich doch der Kater frisst,
So will ich keine Zeit verlieren,
Will noch ein wenig quinquilieren
Und lustig pfeifen wie zuvor.
Der Vogel, scheint mir, hat Humor...
*****ajo Paar
268.485 Beiträge
Sexuelle Aufklärung

Der alte Storch wird nun begraben.
Ihr Kinder lernt im Unterricht,
Warum wir dies und jenes haben,
Und es verbreitet sich das Licht.

Zu meiner Zeit, du große Güte!
Da herrschte tiefe Geistesnacht.
Man ahnte manches im Gemüte
Und hat sich selber was gedacht.

Mich lehrte dieses kein Professer;
Nur eine gute, dicke Magd
Nahm meine Unschuld unters Messer
Und machte auf dieselbe Jagd.

Ihr Unterricht war nicht ästhetisch,
Im Gegenteil, sehr weit entfernt.
Und doch, wenn auch nicht theoretisch,
Ich hab' es ziemlich gut gelernt.

(Ludwig Thoma, 1867-1921)
********nder Paar
55.810 Beiträge
Gruppen-Mod 
*roseschenk*
Diese Rose von heimlichen Küssen schwer:
Sieh, das ist unsre Liebe.
Unsre Hände reichen sie hin und her,
unsre Lippen bedecken sie mehr und mehr
mit Worten und Küssen sehnsuchtsschwer,
unsre Seelen grüßen sich hin und her –
wie über ein Meer — wie über ein Meer —
Diese Rose vom Duft unsrer Seelen schwer:
Sieh, das ist unsre Liebe.
*herz2*

Christian Morgenstern
*****ajo Paar
268.485 Beiträge
Wir im Welteninnen

Pflanze auf meine Lenden
Deiner Liebesküsse Raserei:
Sieh: mein Schrei
Brüllt wie eine Fackel auf zu Weltenbränden.

Lass die Sterne bleich ins Nichts verrinnen,
Lass die Erde sich in Asche modern,
Wir im Welteninnen
Werden wie die Hölle ewig lodern.

(Klabund, 1890-1928)
*****r07 Mann
54.209 Beiträge
*berlin*
*****ajo Paar
268.485 Beiträge
Das Korn ist reif
Eine Sense blitzt durchs gelbe Roggenfeld,
Schwung und Schlag, die vollen Ähren rauschen, fallen.
Durch die Furchen stapft vom Hof ein braunes Dirnlein,
Bringt dem fleißigen Schnitter Bier im Krug und Frühbrot;

Mit dem Schürzchen spielt der Wind und mit dem Röckchen
Und dem bunten Kopftuch. Schon aus Flimmerferne
Hört die Kleine Sirr und Surr der raschen Sense,
Und je näher sie dem Ziel, je mehr verzögern
Ihre Schritte sich, die jungen Pulse fliegen,
Und der warme, schwere Sommerduft der Reife
Macht ihr kleines heißes Mädchenherz beklommen.

Gustav Falke
*****r07 Mann
54.209 Beiträge
Saure Schnauze, dicker Schädel,
und im Bett ein fremdes Mädel.
Uhr im Pisspot, Geld ist weg,
und am Fingernagel Straßendreck.
Tief im Herzen Trippersorgen,
Überschrift: "Der and're Morgen!"
*****ajo Paar
268.485 Beiträge
Der Hut am Baum
Neulich bin ich durch den Wald gegangen,
wie man das gewöhnlich tut.
Da hat am Baum ein Hut gehangen,
ein echter schwarzer Zylinderhut.
Er hing nicht am gebrochenen Ast,
was man doch vermuten dürfte.
.
Ein Messer steckte in dem Baum,
das vorher Rinde schürfte.
Doch weil der Baum eine Kiefer war,
tropfte Harz aus seiner Wunde.
Es tropfte gelblich klebrig klar,
bestimmt schon manche Stunde.

Der Hut wurde dadurch schwer
und formte ein Oval.
Dieser Hut gefiel mir sehr,
doch das Harz wird schnell zur Qual.
Was einmal an den Händen klebt
Lässt sich nicht leicht verdrängen.

Drum habe ich nur nach Hause gestrebt
und ließ ihn einfach hängen.

29.04.2021©Wolf-Rüdiger Guthmann
*****ajo Paar
268.485 Beiträge
Solchen Monat muß man loben:

Keiner kann wie dieser toben,

keiner so verdrießlich sein

und so ohne Sonnenschein!

Keiner so in Wolken maulen,

keiner so mit Sturmwind graulen!

Und wie naß er alles macht!

Ja, es ist ′ne wahre Pracht.



Seht das schöne Schlackerwetter!

Und die armen welken Blätter,

wie sie tanzen in dem Wind

und so ganz verloren sind!

Wie der Sturm sie jagt und zwirbelt

und sie durcheinander wirbelt

und sie hetzt ohn′ Unterlaß:

Ja, das ist Novemberspaß!



Und die Scheiben, wie sie rinnen!

Und die Wolken, wie sie spinnen

ihren feuchten Himmelstau

ur und ewig, trüb und grau!

Auf dem Dach die Regentropfen:

Wie sie pochen, wie sie klopfen!

Schimmernd hängt′s an jedem Zweig,

einer dicken Träne gleich.



Oh, wie ist der Mann zu loben,

der solch unvernüft′ges Toben

schon im voraus hat bedacht

und die Häuser hohl gemacht;

sodaß wir im Trocknen hausen

und mit stillvergnügtem Grausen

und in wohlgeborgner Ruh

solchem Greuel schauen zu.


Heinrich Seidel
****le Mann
16.204 Beiträge
Themenersteller 
Internet-Beziehung

Ich kann dein Freund sein,
das tu` ich gerne,
ich kann dich lieben,
leider – von Ferne.

Ich kann dir schreiben,
das fast jeden Tag,
Du kannst dann lesen,
dass ich dich mag.

Doch dich fest drücken,
kann ich leider nicht,
Drum bleibt es wieder,
bei diesem Gedicht!

M. Wolfram Kutzscher (*1949 in Leipzig)
*****ajo Paar
268.485 Beiträge
Der Lenz mit Klang und roten Blumenmunden
Der Lenz mit Klang und roten Blumenmunden,
Holdselge Pracht! wird bleich in Wald und Aue;
Tonlos schweift ich damals durchs heitre Blaue,
Hatt nicht das Glühn im Tiefsten noch empfunden.

Da sprach Waldhorn von überselgen Stunden,
Und wie ich mutig in die Klänge schaue,
Reit´t aus dem Wald die wunderschöne Fraue
O! Niederknien, erst´s Aufblühn ewiger Wunden!

Zu weilen, fortzuziehn, schien sie zu zagen,
Verträumt blühten ins Grün der Augen Scheine,
Der Wald schien schnell zu wachsen mit Gefunkel.

Aus meiner Brust quoll ein unendlich Fragen,
Da blitzten noch einmal die Edelsteine,
Und um den Zauber schlug das grüne Dunkel.

Autor: Joseph von Eichendorff
****le Mann
16.204 Beiträge
Themenersteller 
@*****ajo Danke für das schöne Gedicht von Eichendorff (1788 – 1857). In den Zeilen ist zu erkennen, wie sehr sich die deutsche Sprache seit Beginn des 19. Jahrhunderts bis heute verändert hat.
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