Behinderung oder Besonderheit?
Hallo Joachim,
ich kann mir gut vorstellen, dass deine Hasenscharte für dich etwas Besonderes ist. Für mich ist sie es nicht.
Ich habe 2 chronische Krankheiten, die unbehandelt relativ zügig zum Tod führen. Ich habe leider lange Zeit meines Lebens gedacht, dass ich deswegen etwas Besonderes sei: besonders bemitleidenswert, besonders behandlungswürdig, besonders minderwertig, besonders heroisch, dass ich es doch bis hier geschafft habe.
Mir hat die Erkenntnis gut getan, dass ich völlig normal bin.
Darüber hinaus habe ich mir immer wieder Gruppen gesucht, denen ich verzweifelt versucht habe klar zu machen, dass ich anders bin, weil ich mich dann besser gefühlt habe; weil mich deren Ablehnung dazu brachte mir selber mehr wert zu sein, weil ich es ja doch alleine schaffe.
Áus meiner Sicht ist Folgendes wichtig: Erkenne die Selbstverständlichkeit deiner Einzigartigkeit an. Und schon bald wird Vieles leichter.
Vor vielen Jahren habe ich mal ein Interview mit einem - wie es damals hieß - "Schwarzen" gesehen, der sehr eindringlich davon sprach, wie diskriminierend es sei, von Allen besser behandelt zu werden als die "Weißen" in Deutschland. Oder die hier seit langem sozialisierten Volksgruppen, mit welchem Migrationshintergrund auch immer, die sobald sie nicht bevorzugt werden, von den "Nazis" schimpfen und schon verschrecken sich die meisten "Deutschen" und derjenige bekommt seine Bevorzugung.
Also, vielleicht ist dein Thema so zentral für dich, dass du Alles in deiner Wahrnehmung auf deine "Besonderheit" beziehst - zu tiefst menschlich und überhaupt nicht verwerflich, vielleicht, und dieses vielleicht richtet sich nur an dich, neigst du dazu, dein Eigenbild auf diese Wahrnehmung zu fixieren und dein Fremdbild ist ein völlig anderes.
Vielleicht hat die "doorbitch" an dir etwas wahrgenommen, was dich als unpassend erscheinen hat lassen, was du selber gar nicht sehen kannst, weil deine Fixierung auf deine "Besonderheit" dir den Blick darauf verstellt.
Musik macht angeblich alles leichter; hör dir mal an: Tote Hosen, "schwarze, lesbische, behinderte"
Und hier schlägst du einen fordernden Ton an, der mich als "doorbitch" dazu veranlasst hätte, dich auch wieder wegzuschicken.
Der Mensch, der gerade vor dir steht, kann nichts für alles vergangene Unrecht und Unbill, dass die bisher in deinem Leben widerfahren ist. Es ist ein neuer Moment, in dem alle bisherigen nichts gelten. Schwierig und trotzdem ist es so.
Auf deine konkrete Frage: nein, ich fände es nicht gut, wenn du wegen deiner "Hasenscharte" nicht eingelassen würdest; und ja, ich fände es scheiße, wenn du nur wegen deiner "Hasenscharte" reingelassen würdest.
Herzliche Grüße,
Wolf
P.S.: Ich komme auch nicht überall rein, wo ich rein will.
P.S.II: Sollte ich jemanden mit meinen Ausführungen verletzt haben, so war dies nicht meine Absicht, und anscheinend nicht zu verhindern.