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Segeln - was ist der Reiz

*********sicht Paar
2.681 Beiträge
Themenersteller 
Segeln - was ist der Reiz
Die Überschrift ist nicht wirklich gelungen, ich versuche mal, etwas genauer zu schreiben, was meine Intention ist.
Als wir anfingen zu segeln, Ende der 60er Jahre, auf Piraten, dann Anfang der 70er auf kleinen Yachten und etwas größeren Charteryachten, war für uns das"Abenteuer", die (auch körperliche) Herausforderung wichtig.
Es gab (fast) keine Rollsegel, keinen Wetterbericht über Internet, keine elektronische Navigation, geschweige Plotter, AIS, etc.
Ich will jetzt nicht sagen, dass es "besser" war. Die Sicherheit beeim Segeln ist natürlich durch diese Hilfsmittel enorm gestiegen, aber ist nicht auch etwas auf der Strecke geblieben?
Die Befriedigung, wenn man nach dem Vorsegelwechsel bei viel Wind durchnässt und erschöpft, aber auch stolz wieder im sicheren Cockpit angekommen war?
Oder wenn nach einer regnerischen Nachtfahrt ohne Radar oder GPS die Ansteuerung im Morgengrauen voraus in Sicht kam?
Fehlt das heutzutage nicht ein bißchen? Sind die heutigen Charteryachten nicht zu sehr vollautomatische Luxus-Appartments zur See?
Wie ist eure Meinung.
******022 Mann
38 Beiträge
Hmmm, ich glaube, daß man da einen Unterschied machen muss bzw. sollte. Zuhause auf heimischen Gewässern genieße ich das sportliche und das gemütliche Segeln. Es kommt darauf an, mit wem man auf dem Wasser ist. Vereinsregatten oder mal bei 7-8 Bft. Raus halt mit Leuten, welche sportlich segeln wollen und ein wenig die Herausforderung suchen und das Segeln bei weniger Wind und Sonne satt mit Denen, welche das mögen. Gemütlich in den Sonnenuntergang hat auch was. Zurück zur hochtechnisierten Yacht...wenn ich Urlaub habe und ein Schiff chartere, genieße ich den "Luxus" und die Sicherheit. Ich bin ja auch für die Crew verantwortlich. Da helfen manche Dinge schon......
******iel Mann
1.586 Beiträge
@schoeneansicht
moin ... Du beschreibst genau das, warum ich segel oder mich überhaupt draußen bewege ... das Verschmelzen mit den Kräften der Natur, ob im Schönen oder Schweren, die Suche nach den besonderen Momenten ... die besten Touren, an die ich gerne zurückdenke, sind die, bei der mich am Ende des Tages die Wahl nach Sex oder einem Bier und ner Stulle im Kreise der Crew ganz deutlich zum 2ten geführt hätte ... um dann in einen tiefen und vedienten Schlaf zu fallen ... evt. sogar noch im Ölzeug und auf den Segelsäcken ... es gibt nun mal Dinge, die sind geiler als Sex *zwinker*
das kommt wohl darauf an.
Segler, die vorsichtig sich dem Element nähern wollen ist wohl eine moderne Yacht eher auf den Leib geschnitten - natürlich genauso für Hin-und-wieder-Segler
Ich selber bin immer gerne Traditionsschiffe gefahren - hab auch mit 20 Mann zusammen Rahsegel gebrasst und bei Nacht und Sturm Wache gegangen.
Nur ganz ehrlich bei Windstärke 8-10 mit auflandigem Wind und kotzender Crew, finde ich eine Selbstwendefock schon eine ganz schöne Angelegenheit. Und auch schon bei 6 Windstärken in der stampfenden See - mal eben die Genua gegen eine Fock zu tauschen ist schon eine Aufgabe, die Mut, Kraft und Ausdauer braucht.
Also für mich persönlich hat beides was *g*
Segeln reizt uns noch immer, weil...
... wir draussen in der Natur sind und uns mit Wetter, Wind und Wellen messen können.
Manchmal ist es durchaus heilsam zu spüren, dass nicht einfach alles geht, was man sich in den Kopf gesetzt hat.
Ein Hafentag, um besseres Wetter ab zu warten, hat durch aus im Rückblick ebenso seinen Reiz.

... es für uns immer wieder ein tolles Gefühl ist zu segeln und zu spüren, wie der Wind das Boot vorantreibt.

... wir so an Orte gelangen, wo ein Landlubber nie hinkommen würde

Technik kann einem unterstützen, aber man sollte sich nie zum Sklaven der Technik machen lassen.
Technik kann durchaus versagen, meist dann, wenn sie unterstützen sollte.
Ist der Hammer
Zu segeln ohne zu Planen wo man hinkommt. Nicht wissen wie weit der Wind reicht. Instrumente ausschalten, sich der Situation ergeben.
Das ist für mich Entspannung pur.
Streß haben wir alle genug. Aber den Kopf frei zu bekommen, abzuschalten, ohne ständig was organisieren zu müssen. Das ist nicht einfach, aber man kann sich daran gewöhnen.
Auf der anderen Seite, der Kampf mit der Natur. Geschwindigkeit, Gischt, Kraft, Mut und Ausdauer. Auch das ist eine möglichkeit abends zufrieden einzuschlafen.
Für mich ist eine Mischung beider Varianten der Favorit. Mal bummeln, chillen treiben lassen, mal der Kampf mit der Natur. Es braucht halt für jeden Törn die richtigen Partner.
Ich kann´s mir ohne Segeln nicht mehr vorstellen.
*********sicht Paar
2.681 Beiträge
Themenersteller 
Kampf mit der Natur - dieser Begriff hat mich schon immer irritiert.
Kann man mit der Natur überhaupt "kämpfen"?
Egal was wir machen, ob wir uns fürchten oder frohlocken, ob wir uns treiben lassen oder gegenanballern, ob wir durchkommen oder untergehen - auf den Wind und die See hat das keinerlei einfluß.
Die interessieren wir überhaupt nicht.
Ich habe das klarkommen aus schwierigen Situationen oder bei schlechtem Wetter immer als eine anstrengende, anspruchsvolle Arbeit gesehen, die kaum Fehler verzeiht - aber Kampf ? Ich kann dievSee doch nicht besiegen, für die existiere ich doch gar nicht.
Ich kann klarkommen, mehr ist es nicht.
Sorry, war jetzt ein bißchen OT.
So empfindet es jeder anders...
... und das ist gut so!

Ich (m) habe in den letzten 10 Jahren jeweils im Spätfrühling in Dänemark ein 27'-Stahlschiff gechartert und bin dann für 2 Wochen losgesegelt. Kein Plotter an Bord, kein Tablet oder Smartphone, keine Rollfock, kein Autopilot, alle Fallen am Mast zu bedienen. Einhand, ich allein. Keiner an Bord, dem ich die Schuld geben kann, wenn etwas schiefgeht, denn jeden Fehler habe ich selbst gemacht.

Ich bin nicht verrückt. Für mich ist es das Größte, das so zu planen, dass ich meinen Törn ohne unnötige Risiken durchführen kann. Das erfordert vorausschauendes Fahren und ständige Wachsamkeit. Wenn ich vom Wetter überrascht werde, dann habe ich einen Fehler gemacht. Und ich brauche immer einen Plan B. Was mache ich zum Beispiel, wenn jetzt das Ruder klemmt? Liegt wenigstens der Anker griffbereit?

Klar kann ich Pech haben. Wenn ich bei einer Patenthalse vom Baum erschlagen werde, ist keiner da, um Hilfe zu holen oder das Schiff in den Hafen zu fahren. Aber ich muss alles dafür tun, dass die Risiken für mich vertretbar sind. Zum Vergleich: Mit dem Auto kann es mir passieren, das ein Besoffener mich tot fährt. Pech. Aber bei Blitzeis kann ich versuchen, anzuhalten und abzuwarten.

Kämpfen will ich nicht, siehe meinen Vorredner. Ich mache auch eher Hafentage als Schiffe mit größerer Crew. Ich kenne meine Grenzen, bin keine 40 mehr und weiß, dass ich alles allein machen muss, dass keiner mir hilft.

Und wenn ich dann sicher ankomme und ganz ruhig anlege, dann bin ich der Größte! Denn ich habe es wieder mal geschafft. *stolzbin*
****di Mann
857 Beiträge
aus der Sicht des Urlaubsseglers ...
... vor der Jahrtausendwende betrachtete ich Segeln aus der Ferne, und zwar als das
zweit-langweiligstes Hobby dieser Welt nach dem Angeln (bitte verzeiht mir, aber so war es)

Durch einen Urlaub am See und einer Tages-Mitsegel-Gelegenheit wurde ich so neugierig, dass ich mich zuhause sofort zum Segelschein anmeldete, ganz ohne Vorkenntnisse. Nach der Theorie kam die Praxisausbildung und Prüfung in Slowenien, 6 Männer und 3 Frauen auf einer Bavaria 42.

Ab dem Zeitpunkt wurden die jährlichen Segelwochen zum entspanntesten Urlaub des Jahres
nach einiger Zeit konnte ich mir keinen Landurlaub mehr vorstellen, also beteiligte ich mich an einer Yacht.
Als uns diese für die gesamte Familie zu klein wurde, gründeten wir selbst eine Eignergemeinschaft und sind jetzt mit einem neuen Dickschiff jedes Jahr 8 Wochen in allen Regionen des Mittelmeeres unterwegs.

Der Reiz ist die Freiheit, die Natur, wenn du nachts alleine in der Bucht liegst, schwimmen, tauchen und nackt die Sonne genießen, aber auch jederzeit den Anker heben zu können. Die Abwechslung mit touritischen Zielen, Starkwindsegeln oder bei Leichtwind den Spinnacker aufziehen ...

Und vor allem - keine Langeweile - trotz dass man oft einfach nur so da sitzt und das Meer betrachtet ...

Gruß Rudi

Zu guter Letzt sollte die Yacht auch ein fester Bestandteil, ein Treffpunkt mit den erwachsenen Kindern werden, was uns inzwischen gut gelungen ist.
*********m234 Paar
317 Beiträge
..alt genug..
..um beides zu kennen..
aber nur bei der Jagdt und beim Angeln verzichte ich auf Moderne...
beim Segeln bin ich dankbar für Funk, Winsh und Rollsegel....
(komme aber auch mit Sextant, Lineal, Zirkel und Trimm-scheibe klar)
beim Autofahren dankbar für Gurt, Airbag und Anitschlinger-kupplung....
beim Wohnmobil/Wohnwagen dankbar für Nasszelle, Klimaanlage und Automover...

beim Mittelalter-Lager gerne authentisch.. aber dankbar für nen warmen Badezuber
(..und die Dusche zu Hause)

Ach ja beim Knippsen nutze ich auch ab und an gerne Analoges Material....
..wenn es sich um ein künstlerisch wertvolles Motiv handelt...

LG Herr Arte..
*********sicht Paar
2.681 Beiträge
Themenersteller 
Sicherheit an erster Stelle - keine Frage.
Aber wie definiere ich Sicherheit? Über möglichst viel Technik oder möglichst viel Fähigkeit, Vorraussicht und Respekt vor den Elementen?
Beides, wird natürlich jeder sagen. Aber ist das noch Realität?
Und besteht nicht die Freude und der Reiz beim Segeln auch in der Beschränkung, wieder raus aus der Welt in der alles auf Knopfdruck erledigt wird?
Ich bin beim Segeln auch nie Entspannt, sonder befinde mich immer, um Joseph Conrad zu zitieren "in einem Zustand der immerwährenden Wachsamkeit". Für mich ist der Reiz des Segelns also eher "back to the roots" als Fun und chillen.
Allerdings bin ich auch noch nie in südlichen,wärmeren Gefilden unterwegs gewesen.
#5
******nds Paar
181 Beiträge
Als wir in den siebziger Jahren anfingen zu segeln, waren die Boote sehr spartanisch ausgerüstet und die Navigation noch eine Herausforderung. Dies trug zum Reiz des Segelns bei. Keine Ankerwinsch, nur kleine Schotwinschen, Seehandbücher, Sextant, Peilkompass, Logge und Lot sowie natürlich viel zu teure Papierkarten. Die Rollfock war schon erfunden, hatte sich aber in unserem Teil der Welt noch nicht durchgesetzt. Das Boot war aus Holz, die Planken genagelt und kalfatert und die Pumpen immer gut in Betrieb. Von Italien nach Griechenland segelte man auf gegißtem Kurs im Vertrauen darauf, dass sich das Land nicht wegbewegt. An der südamerikanischen Küste halfen Peilkompass und Sextant. Wir sind immer angekommen, aber andere eben auch nicht. Heute fährt ebenfalls bei uns ein Plotter mit; wir haben Funk an Bord, und bei Starkwind starten wir eher den Motor als zu reffen. Die alte Navigationsausrüstung bleibt zu Hause. Nur die alten Kartendreiecke und der Zirkel gehen noch mit auf die Reise. Ob das Segelerlebnis schöner geworden ist? Zumindest ist das Segeln leichter geworden, und dies spricht aus Sicht älterer Segler doch sehr für die moderne Technik. Falls allerdings zwischendurch der Strom ausfallen und der Plotter aussteigen sollte, kämen uns die alten Erfahrungen zu Hilfe. Insofern sind wir froh, sie gemacht zu haben.
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