Oh weh, diese Diskussion ist so alt und wurde schon geführt als ich vor nunmehr 50 Jahren mit dem segeln angefangen habe. Damals trafen Traditionalisten auf die Neumodischen, die sowas komisches wie nen Baumniederholer fuhren und die dann noch anfingen, vor dem Wind zu pumpen; der Untergang der so heilen Seglerwelt hatte begonnen! Wie damals kommt mir der ganze Disput hier doch sehr emotional geführt vor und mangelt an Sachargumenten.
Die wichtigsten Fragen sind doch: Welche Art von Boot/Takelung betrachte ich und in welcher Situation befinde ich mich. Während einer Regatta, wo es meistens sehr eng zugeht, ist der Bulle ein Sicherheitsrisiko. Irgendeiner greift mich an und ich MUSS reagieren - da bleibt keine Zeit erst mal ne Strippe los zu schmeißen. Reagierst du zu langsam kracht es.
Grundsätzlich fahre ich keine Kurse platt vor Laken. Es ist der langsamste und gefährlichste Kurs; wurde ja schon besprochen. Werde ich doch durch äußere Umstände dazu gezwungen ist der beste Bulle der Verklicker und mein "Arsch"-Gefühl. Mit ein bisschen Übung merkt man was sich da so anbahnt und kann entsprechend steuern. Dem Eisernen die Sache zu übergeben ist purer Leichtsinn, auch mit Bullen.
Ein Segel entfaltet seine beste Leistung durch Strömung. Vor dem Wind strömt nix. Es baut sich ein Luftpolster in Luv auf und der Wind versucht den kürzesten Weg zu nehmen - einmal links rum, dann rechts rum und schon geigt die Kiste. Kommt dann noch eine achtern anrollende See dazu fährst du, ob du es nun willst oder nicht, die berühmte Patenthalse. Ob es nun besser ist mit back stehendem Segel und ordnungsgemäß gesetzten Bullen auf der Seite zu liegen oder auf einmal freie Sicht nach allen Seiten zu haben - weiß ich nicht.
Bei einem Gaffelrigg alter Bauart und ohne Baumniederholer macht der Bulle auf allen raumen Kursen sehr viel Sinn. Baum und Gaffel sind ja frei nach oben beweglich, es kommt dadurch sehr viel Unruhe ins Schiff. Der Bullenstander ersetzt dann den Niederholer. Auf modernen Riggs hilft es sehr, den Niederholer etwas zu fieren, sodass das Achterliek im oberen Bereich leicht öffnet; es entsteht eine Strömung die in der Regel ein Umschlagen verhindern kann.
Die sicherste und schnellste Variante vor dem Wind ist m.E. das Abkreuzen mit einem Winkel von ca. 15 Grad. Wie groß der Winkel im einzelnen ist - ausprobieren, beobachten, notieren und dann gibt es eine schöne Rechenaufgabe für den Winter.