Oh leewer Jott, jibb ons Wasser (oder ein gutes Boot).
Ein Thema, zu dem man ein Buch schreiben kann.
Nachdem ich selbst 28 Jahre lang Yachten verchartert habe (eigene und als Charteragentur) kann ich nur sagen: von der absoluten Katastrophe bis hin zu absolut erstklassig ist (leider) alles möglich.
Fangen wir mal beim Grundsätzlichen an: der Chartermarkt an sich.
Ungefähr Anfang der 90er begann die Arie mit den
Charterkaufmodellen. Windige Vertreter redeten den Neulingen ein, dass sie nur mit Ihrer Unterschrift unter dem Kaufvertrag ne Menge Geld mit Ihrem Hobby verdienen können. Also, Schiff kaufen, in Charter geben und dann absahnen. Na ja, so kam es förmlich zu einer Überflutung des Chartermarktes und eine stetig ansteigende Zahl von Charterflotten. Die Profiteure: alle Werften!
Es wurden mit einem Mal immer mehr und mehr Boote auf den Markt geworfen. Das Karussell drehte sich schnell und schneller. Die Flotten wuchsen und wuchsen. Endergebnis: ein absolutes Überangebot an Yachten überall.
Dies führte natürlich zu Problemen. Durch das Überangebot gerieten zig Vercharterer in die Bredouille. Insider kennen ja bestimmt die vielen Charterfirmen, die den Bach runter gegangen sind. Der Grund: Schiffswartung, Reparaturen, Manpower, Lagerhaltung, Versicherungen, Liegeplätze, usw. sind teuer. Sehr teuer.
Und wenn sich nun ein verringertes Kundenpotenzial auf ein Überangebot verteilt, verlieren alle…
Trauriges Ergebnis: Wollte man früher eine Yacht chartern, musste man neben den ganzen Scheinen zusätzlich diverse sailing-experience nachweisen. Ohne die hat es keine Yacht gegeben. Heute bekommt JEDER eine Yacht.
Doch das führte dazu, dass die Yachten von Leuten geführt wurden, die bereits über Erfahrung verfügten. Und genau das schonte das Bootsmaterial.
Heute:
Einen Kunden abweisen? Das kann sich keine Charterfirma mehr erlauben. Denn die Bank wartet ja am Ende des Monats auf Knete. Daher bekommt eben „jeder“ eine Yacht. Motto der Charterfirmen:
Segelerfahrung? Nö, brauchst Du nicht. Unsere Yachten segeln ja von alleine. Außerdem haben wir ja AUTOPILOT und GPS. Scheine? Ach ja. SBS reicht.
Und somit kommt zusammen, was nicht zusammengehört:
Segelunerfahrene Skipper mit ihren noch ahnungsloseren Crews und
„Leichtbauschiffe“.
Damit sind wir bei den Werften.
Großserie, kostenoptimiert gebaut. Egal, ob es nun Bavaria, Jeanneau oder Beneteau ist: Leichtbauweise bis zum Erbrechen. Optisch ansprechend, technisch eine Katastrophe. Aber: billig! Da wo normalerweise 6mm hingehören, müssen eben auch 4mm reichen. Da wo wirklich Niro hingehört, spendiert man Pseudo-Niro aus Fernost. Da wo normalerweise fünf Beschläge hingehören, müssen heute zwei ausreichen. Die Firma Dehler hat es Ende der 80er, Anfang der 90er mit dem CWS vorgemacht. (CWS steht für Central Winch System). Die haben doch glatt alle Winschen ausgemustert. Nur eine gab es noch: die zentrale Winsch mitten im Cockpit. So ein Ding zu fahren war und ist der absolute Gau. Doch die Firma Dehler hat es geschafft, weglassen (sparen) als INOVATION zu verkaufen…
Jetzt zu den „modernen“ Skippern und ihren Crews.
Fangen wir mal mit der Ausbildung an. Früher musstest Du den „A-Schein“ haben, um „BR“ zu bekommen. Also segeln lernen, von der Pike an. Später gab es den BR-Schein auch ohne vorher „A“ zu machen. Die Basisausbildung ging den Bach runter. Gefühl für Wind, Raum und Bewegung wurden nicht mehr so gelernt, wie es an und für sich erforderlich ist. Und so ging es weiter und weiter. Als Ausbilder musste ich diese Entwicklung mit Tränen in den Augen verfolgen.
Heute?
Verzichten die Meisten sogar auf die Segelausbildung. Man weiß ja: Schiffe gibt es heute überall auch mit „nur SBS“. Außerdem: Wir haben ja eine Kautionsversicherung!
Pfleglicher und fachmännischer Umgang mit Segelyachten? Das ist leider heute eher eine Seltenheit…
Als Beispiel nenne ich hier immer die Backskistendeckel-Arie. Was macht heute der „routinierte Anfänger“ wenn er etwas aus der Backskiste geholt hat? Jau! Der Deckel wird aus voller Höhe runterfallen gelassen. Hörbar für den ganzen Hafen. Absolut toll für das Material. Schlimm für die Finger und Zehen, die dazwischen geraten…
Und diese Handlungsweise und dieses Denken ziehen sich quer durch das ganze Schiff.
KOMBINIERT MIT LEICHTBAUWEISE!
Da sind wir nun bei den Charterfirmen.
Hat man es mit einer Firma zu tun, die nicht nach jedem Törn die Schiffe von vorne bis hinten checken, warten und reparieren, ist der Niedergang der Yacht vorprogrammiert. Zum Leidwesen der Nachfolgecrew. Hinzu kommt, dass viele Flotten von „Ahnungslosen“ geführt werden. Denkt hier noch mal an „Charterkauf“. Kommt nun noch Geldmangel hinzu (um Ersatzteile zu kaufen), könnt Ihr Euch ausmalen, wie die Yachten nach einer halben Saison aussehen.
Kombiniert man das jetzt alles noch mit südländischer Mentalität….
Ein kleines Zwischenresümee: Yachtcharter erfordert Erfahrung. Auf beiden Seiten!
Welche Yacht soll es nun von wem sein?
Werftneu? Nä! Nicht ausgereift und teuer in der Charter. Eine Saison sollte das gute Stück hinter sich haben. Dann sind die meisten Kinderkrankheiten behoben.
Zwei bis fünf Jahre? Die beste Wahl. Voraussetzung: Die Charterfirma pflegt und hegt die Schiffe.
Älter als fünf Jahre? Ich kenne Boote, die sind zehn Jahre alt, bestens gepflegt und technisch OK. Aber auch hier kommt es auf den Vercharter an. Vorteil: günstig zu chartern.
Mein Tipp: Seid Ihr mit einer Charterfirma zufrieden, dann bleibt bei denen. Hundert Euro Ersparnis beim nächsten (unbekannten) Vercharterer können einem teuer zu stehen kommen.
PS. Natürlich will ich nicht verallgemeinern. Es gibt immer noch genug Schiffsführer/innen, die mit Sachverstand und Können eine Yacht pfleglich behandeln. Auch dann, wenn es nicht ihr Eigentum ist...