Eurix 13 und Prague Shibari Festival 2018
Neben tollen Begegnungen und Erfahrungen auf diversen Stammtischen mit den Schwerpunkten BDSM, Beziehungsvielfalt oder (ganz gezielt) Sexpositivität, sowie auf öffentlichen und privaten Fesseltreffs, auf Workshops und auf meinem ersten Kuschelabend, sind vor allem zwei Veranstaltungen zu nennen, die lange bei mir nachgewirkt haben:
Es handelt sich um das
Shibari Festival in Prag und um die
Eurix. Beide Veranstaltungen habe ich im Herbst 2018 besucht.
Die Eurix definiert sich als sexpositiver Raum. Es gab diesbezüglich von Felix Ruckert zu Beginn auch eine Ansprache an die Teilnehmer. Der Fokus der Veranstaltung liegt zwar auf Shibari inkl. dem dazugehörigen Austausch, den Workshops und den Rope Jams. Es wird aber ganz explizit dazu eingeladen, sich auf die Weise auszuleben und zu experimentieren, wie man das gerne möchte. Das Prager Festival war im Gegensatz dazu nicht offen als sexpositiver Raum definiert, legt keinen expliziten Schwerpunkt auf das Experimentieren mit Sexualität und es kam dort auch zu keinen bzw. kaum zu deutlichen sexuellen Handlungen, die über das eigentliche Fesseln hinaus gingen. Es ist gefühlt "braver". Für mich war dieser Raum aber dennoch ganz klar sexpositiv.
Warum haben mich beide Veranstaltungen nun so stark beeindruckt? Es waren vor allem die Menschen, die ich dort getroffen habe. Man verbringt aktiv mehrere Tage in dieser kleinen Welt zusammen mit offenen, neugierigen, achtsamen Menschen von überall her, die alle die gleiche abgefahrene Leidenschaft haben, die alle gelernt haben, offen über Sexualität und über Ihre Wünsche und v.a. über ihre Grenzen zu reden, die sich aktiv mit sich und ihren Partnern befassen... Da beide Festivals international sind, erkennt man, dass es auf der ganzen Welt diesen Haufen an wunderbaren, verrückten und bunten Menschen gibt. Man kommt, wenn man das will und aktiv sucht, unglaublich leicht ins Gespräch, aus dem sich dann tolle Begegnungen ergeben können. Die Menschen gehen ja zu den Veranstaltungen hin, um den Austausch zu suchen und um Erfahreungen zu sammeln. Es wird viel gelacht, umarmt, geschrien, geweint usw.
Was mich nachhaltig am meißten beindruckt hat, war die "Normalität", die sich nach ein paar Tagen einstellt. Überall hängen Menschen von der Decke, links und rechts um einen herum stöhnt jemand, sei es aus Schmerzen oder aus Lust oder wegen beidem, woanders bildet sich ein großer Kuschelhaufen oder Menschen raufen miteinander, in der hinteren Ecke wird jemand ausgepeitscht, dort sitzen Leute zusammen und diskutieren über irgendwelche Seil-Frictions oder über Gott und die Welt, andere essen gemütlich was, viele beobachten ihre Umgebung, einzelne tanzen und einige schlafen einfach nur erschöpft auf den großen Sitzsäcken oder Sofas... und irgendwann fällt einem einfach nicht mehr auf, wie abgefahren das eigentlich alles ist und dass die Welt da draußen ja ganz anders tickt. Diese "Parallelwelt" wird zu der eigenen Normalität. Es verschiebt somit die eigene Sichtweise, was alles möglich ist.
Zu bemerken ist aber auch: Beide Veranstaltungen können sehr anstrengend sein, sowohl körperlich (wenig Schlaf, viele neue Eindrücke, viele neue Menschen, viel neues Wissen, etc.) als auch vom Kopf her. Wer nicht aktiv auf Leute zugeht (was wie gesagt dort eigentlich sehr leicht ist), kann im erschöpften Zustand schnell das Gefühl bekommen, alle anderen haben die Zeit ihres Lebens und man ist irgendwie außen vor. Gerade die Eurix ist recht groß und viele kennen sich bereits, was dieses Gefühl verstärken kann. Viele sind zudem sehr schüchtern, jemanden neues anzusprechen, wobei einem von den Veranstaltern aber auch geholfen wird (z.B. über Kennenlern-Workshops für Leute, die dort alleine hingehen). Dazu kommt, dass der Körper einen nicht die ganze Zeit mit Endorphinen vollpumpt, sondern auch mal gegensteuert. Entsprechend pendelt man häufig zwischen verschiedenen Emotionen hin und her und es ist sehr wichtig, sich genug Puffer für das Verarbeiten und für die Erhohlung einzuplanen.
Nichtsdestotrotz waren beide Festival jeweils sehr positive Erlebnisse für mich. Beide Veranstaltungen haben für mich bestätigt, dass ich ein Teil dieser lebhaften und tollen Community sein möchte. Dass dies die Menschen sind, die ich um mich haben möchte. Sie haben mir zudem aufgezeigt, wo aktuell meine Grenzen sind, aber auch, wo ich hinmöchte und was alles noch möglich ist, wenn man sich offen und neugierig darauf einlässt. Insgesamt kann ich beide Veranstaltungen nur empfehlen und man wird mich dort auch wieder antreffen.