Lieber Volker,
Ja, so ähnlich ist das schon... und das größte Thema bei der Arbeit mit behinderten Menschen ist die oft fürchterliche Sozialisation.
Ne Freundin von mir ist vollkommen "normal" in einer Wagenburg mit viel Musik, vielen besuchenden Musikern aufgewachsen und hat ein dementsprechend gesundes Selbswertgefühl und jede Menge Sexualität. Nicht immer einfach, da gibts schon noch viele Berührungsängste aber damit kann sie ganz gut spielen. Sie bringt das Thema auch auf die Bühne und ich bin mir sicher, in dem Stück Fucking Disabled gabs die heißesten Sex Szenen, die je mit Behinderten gezeigt wurden...
und ich durfte mit spielen... hach.
Die meisten stark behinderten Menschen wachsen aber in Einrichtungen auf, schon mal weggesperrt und von uns ausgeschlossen. Oder bei Überbehütenden Eltern die ihre Kinder nicht erwachsen werden lassen.
Viel mehr arbeit als die sexuell körperliche Arbeit ist es, diese Menschen zu empowern... auch zu konfrontieren. Wenn sie ne Freundin und Sex haben wollen, müssen sie sich entwickeln. Erwachsen werden, interessant werden. Wenn mit 40/50 die Wände noch voller Fussballbilder hängen wie bei einem Teenager wird da nicht viel. Das ist der schwerste Teil meiner Arbeit und er nervt manchmal ganz schön...
Nun ist aber die andere Seite. Beispiel mein Partner. 30 Jahre keine Chance, trotz selbstbestimmten Leben und lebenslang politischen Kampf dafür. Trotz Dickkopf, Revoluzzer und sichtbare coole Persönlichkeit (lange Haare, Spitzbärtchen mit Perlchen drin, Lederhosen und witzige T -shirts und Hüte), trotz Humor und vielen liebenswerten Eigenschaften... keine Chance.
Klar, auch ein paar nerveden Eigenschaften wie halt jeder ganz normale Mensch...
Trotz all dem... 30 Jahre... keine Chance. Ungeheure Sehnsucht... verlieben in Assistentinnen, bis hin zur Depression und Therapie. Abhängigkeit von Prostituierten, die ihn ausgenutzt haben. Mehrmals wurden Frauen mit denen er geflirrtet hat dann von den Assistenten abgeschleppt. Viel Drsmatik uns Schmerz bei dem Thema.
Für behinderte Männer ist Sex und Beziehung es ein sehr schweres Thema.
Das hat auch mit der Beziehubgsdynamischen Rollenverteilung zu tun. Ein behinderter (vermeintlich Hilfloser) Mann passt nicht in das Beziehungsbild. Männer sollen doch schon noch stark sein und versorgen können.
Wie selbstbestimmt und stark einer dabei ist, wird dann schon garnicht mehr wahrgenommen.
Die klassische Rolle die behinderten Männer immer abbekommen ist die des besten Freundes, des lieben zuhörers, aber nichrßt die des Liebhabers.
Querschnitt klammer ich jetzt mal aus, da viele Obenrum noch sehr fit sind, ihr Leben allein bewältigen können und meist eine normale sexuelle Entwicklung gemacht haben, die zwar erstmal einbricht, aber sich neu aufbauen kann.
Also die Realität bei uns ist nicht, das ich ihn pflegen muss oder irgendwas in der Richtung. Ich bin als Assistent ungeeignet und da hätten wir uns nur in die Haare.
Mehr als ab und an mal den Rollstuhl flach legen, das er sich umlegen kann, bisschen zu trinken geben, wenn der Assitent raucht, die Hand auf die Maus legen oder beim Spazieren fahren (ich hintendrauf)
Bissel mitlenken wenn du kurve groß ist, mehr mach ich nicht. Ginge auch nicht mit meiner Arbeit.
Aber er kocht ständig für mich leckere Sachen (natürlich kocht die Assistenz nach seiner Anweisung, aber das Gefühl, ich koche, ist sehr wichtig) liebt es mich bissel zu verwöhnen und organisiert unseren ganzen Paarkram. Wir leben in vielen Punkten ein vollkommen normales Paarleben.
Aber das das so sein kann, können sich viele Frauen einfach nicht vorstellen.
Und ja, Sex ist nicht immer einfach als Thema. Ihn zu verwöhnen, kein Ding. Aber das war das was ihm am schwersten gefallen ist, zu akzeptieren, das er mich nicht aktiv bespielen kann. Aber dafür holen wir uns zumindest einmal im Monat bezaubernde Sexualassistenz. Zwei Freundinnen von mir, immer mal abwechselnd und wie sie Zeit haben...
Witzig, spritzig, verspielt, haben wir zu dritt jede Menge Spaß. Auch wenn der Job eigentlich ist, mich nach Schatzis Anweisung zu betüteln, berührt es mich immer zu sehen, wie sehr sie ihn mögen, ernst nehmen und auch gern bespielen.
Ich glaube oft, wenn das Eis erstmal gebrochen ist, und behinderte Menschen einfach im Kontext von Sexualität wahrgebommen werden, schmelzen alle unterschiede dahin. Aber wie kommt man an diesen punkt? Es ist gesellschaftlich so festgefahren schon.
Bei behinderten Menschen (speziell Männern, Frauen haben es definitiv leichter mit Sexualpartnern) wird gleich an Sexualbegleitung gedacht, anstatt an Sexualpartner...
Das ist schon oft ne verflixte Kiste...
Deswegen versuche ich in meinem Seminar das Eis zu brechen und Begegnungen möglich zu machen...