Genau darauf wollte ich hinaus - und tatsächlich braucht es noch nicht einmal das, was als "medizinisches" Silikon seitens der Rohstoffhersteller vermarktet wird.
Wer in Metallen denkt, der hat es einfacher: Bei den genormten metallischen Werkstoffen gibt es unabhängig von der Legierungsbasis klare Vorgaben, wie viel von welchem Element zulegiert sein darf. Und daraus resultierend lässt sich vergleichsweise einfach festlegen, welche Sorten biokompatibel sind und welche nicht.
Bei Kunststoffen -und insbesondere den Elastomeren, also gummiartigen- sieht das anders aus. Denn hier kommen mehrere Punkte zusammen:
1.) Die Normung ist hier ungleich offener, da bei der Herstellung von Kunststoffen nicht einfach eine bestimmte Menge von Stoff X mit einer Menge eines Stoffs Y zusammengemischt wird, um ein Produkt Z zu erhalten. Vielmehr sind die exakten Zusammensetzungen hochkomplexe -und dem Betriebsgeheimnis des Herstellers unterliegende- Mischungen.
2.) Die meisten Menschen denken nur in Sorten (also Silikon, PVC, ABS, usw.) und nicht in Typen (also konkreten Materialien eines bestimmten Herstellers wie z.B. "Elastosil C 1200 A/B"). Gemeinerweise wird dem Endverbraucher die genaue Typenbezeichnungen von den Verarbeitern selten bis nie verraten.
Bei den kryptischen Handelsbezeichnung ist das aber auch kein Wunder - und führt denn selbst bei Medizinprodukten immer mal wieder zu solchen unschönen Skandalen wie seinerzeit bei den Brustimplantaten.
3.) Und dann gibt es da noch die Sache mit den Kontaminationen: Gesundheitsschädliche Verunreinigungen können bei der Herstellung des Rohstoffs, bei seiner Lagerung, bei der Verarbeitung oder bei der Lagerung der fertigen Produkte eingebracht werden. Verunreinigungen, die beim Rohstoffhersteller auftraten, führen im Idealfall schlicht dazu, dass die Produktions-Charge unter einem anderen Label verkauft wird und damit in der Baumarktecke statt beim "medizinischen" Silikon landet. Treten sie hingegen beim Verarbeiter auf, bleiben sie in der Regel unbemerkt. Denn kaum ein Verarbeiter kann die teure Spurenanalytik wirtschaftlich verkraften. Noch schlimmer wird es, wenn die Kontamination im Lager erfolgte. So gleicht die Ermittlung der "Schuldigen" selbst bei einer bekannten Lieferantenkette der sprichwörtlichen Suche nach der Nadel im Heuhaufen.
Wenn wir das mal für die Fragestellung dieses Threads zusammenfassen, könne wir also festhalten:
• Reines Silikon wäre aufgrund seines chemischen Eigenschaftsprofils (inert und damit ungiftig, alterungsbeständig, sterilisierbar, etc.) prima für Sexspielzeuge geeignet
• Völlig reines Silikon gibt es aber als technischen Werkstoff gar nicht, da für unterschiedliche Anwendungen unterschiedliche Reinheiten angeboten werden und auch erst die
gezielt eingebrachten Zusatzstoffe die mechanisch-technologischen Eigenschaften (Härte, Weiterreißwiderstand, etc.) einstellen.
• Beimengungen (z.B. durch Pigmente) können ebenfalls ein Schädigungspotenzial mitbringen - hier hilft nur Vertrauen darin, dass der Verarbeiter einen guten Kontakt mit dem Rohmateriallieferanten pflegt, sich beraten lässt und verantwortungsbewusst agiert.
Das Thema ist irrsinnig komplex und selbst mit passendem Studiengang und ausgiebiger industrieller Praxis im Alleingang kaum zu überblicken - als unvorbelasteter Endverbraucher hat man da schlicht keine Chance durchzusteigen. Dass es auch noch jede Menge Hersteller und Vertreiber gibt, die (sei es aus Unwissenheit oder zur Profitmaximierung) ihre Produkte zu "Silikon" umdeklarieren, macht es natürlich nicht einfacher.
Wenn hier aber konkrete Fragen aufkommen werde ich gerne versuchen, diesen gordischen Knoten etwas aufzudröseln - und das (hoffentlich) ohne allzuviel Fachchinesisch