Zur Technik der Hängepunkte in Stahlbetondecken
Der Beitrag würde zuerst in der allgemeinen Bondage Gruppe von mir veröffentlicht und hierher kopiert.Die Technik zur normgerechten Befestigung von Hängepunkten in "normalen" Stahlbetondecken wurde in verschiedenen Threads diskutiert und auch off Topic immer Mal wieder angesprochen. Leider sind die letzten Themen dazu aber geschlossen worden und es können deshalb keine Beiträge mehr geschrieben werden. Beim Nachlesen bin ich auf sehr viele Empfehlungen gestoßen, die keine baurechtlich zulässigen Lösungen darstellen. Für Gebäudetechniker und Ingenieure ist dies unbefriedigend.
Ich empfehle daher dieses Thema ausdrücklich für eine fachliche Diskussion zu lesen und Beiträge über empirische Bewertungen (Erfahrung basiert) nicht in den Vordergrund zu stellen. Mir ist bewusst das viele gute Rigger auch mit nicht zugelassenen Systemen Jahre lang gute Erfahrungen gemacht haben und deshalb keinen Wert auf die Verwendung normgerechter Lösungen legen. Ich möchte auch ausdrücklich keine Angst verbreiten sondern Lösungen diskutieren, die auch im schlimmsten auftretenden Fall stets eine 100% sichere Aufhängung gewährleisten. Solche Lösungen sind für Privatleute vielleicht nicht unbedingt erforderlich sind aber beim Betrieb von Fesselschulen, BDSM-Clubs, Jamming Cafes, Zirkussen, Athletik Shows oder ähnlichen öffentlich zugänglichen Hängepunkten für den Betreiber unerlässlich. Persönlich mache ich die Regeln für derartige Einsätze zum Maßstab für meine privaten Installationen. Ich möchte aber bewusst niemanden kritisieren, der auch mit sonstigen bewährten Lösungen zufrieden ist.
Eine sehr gute Resource für diese Diskussion ist das technische "Handbuch der Befestigungstechnik für Hoch- und Ingenieurbau" der Firma Hilti. Es mag ähnlich erschöpfende und grundlegende Werke anderer Firmen gaben, jedoch kenne ich sie nicht und sie sind dann wahrscheinlich auch nicht 300 Seiten dick und kostenlos runter zu laden. Ich hoffe die URL darf hier gepostet werden. Wenn nicht muss man obiges Stichwort googeln:
https://www.google.com/url?s … PC_RAW.pdf&usg=AOvVaw2jgGtzh
Entscheidend für die Klassifizierung der Befestigung ist zunächst der mechanische Lastfall und dann das Grundmaterial (Stahlbeton Decke) und die Benutzungsumstände. Fessel-Hängepunkte in Decken sind auf Zug belastete Verbindungen mit dynamisch schwellender Last bei der die Grundsätze der Personensicherung für eine oder mehrere Personen eingehalten werden sollten. Bei einem universellen Hängepunkt kann man nicht ausschließen, dass auch zwei Personen daran aufgehängt werden! Die hierfür geltenden Normen sind erheblich schärfer als solche für nur eine Person und sind im Original dafür gedacht eine verunfallte Person und einen Retter zu tragen. Mit einer derartigen Auslegung ist man auch zum Riggen 100%tig sicher unterwegs.
Das Material Stahlbeton ist ein Verbundwerkstoff, der für das Bauelement Decke konzipiert ist und bereichsweise, also lokal - wie bei der Benutzung als Anker für Hängepunkte - keineswegs die Materialeigenschaften aufweist, die für die Gesamtheit des Bauteils gültig sind. Der Verbund aus Stahl und Beton gewährleistet bei richtiger Konstruktion und Verarbeitung die kombinierten Eigenschaften von Stahl (Zug- und Biegefestigkeit) mit der Druckfestigkeit von Beton. Beton alleine hat bei Zugbelastung nur etwa 10% der Festigkeit, die er bei Druckbelastung aufweist. Beton ist schlicht gesagt ein spröder Werkstoff der eine sehr geringe Zähigkeit hat, die Risse stoppen und an der Ausbreitung hindern kann. Außerdem hat jedes Betonteil theoretisch interne Risse und Lunker, da beim chemischen Abbinden (Trocknen) eine Volumen Schwindung erfolgt. Unsichtbare Mikrorisse an den Oberflächen und im Inneren können große Risse auslösen und propagieren. Deshalb geht der Fachmann immer von gerissenem Beton aus.
In einigen Themen hier in Joy wird empfohlen den dynamischen Lastfall zu vernachlässigen und mit 13 oder 20-facher Sicherheit so zu rechnen als ob die Last des Bunnies oder der Bunnies statisch wäre. Dies mag für private Lösungen ausreichend sein ist aber nicht wirklich sicher, da ja im Endeffekt gar nicht nach gesetzlich anerkannten Regeln der Technik gerechnet wird sondern eine Schätzung nach Erfahrungswerten erfolgt. Eine Versicherung oder ein Gericht würde das schlicht nicht akzeptieren. Dies ist jedoch der Maßstab, den ich in dem angenommen Nutzungsfall als verantwortlicher Betreiber anlegen muss, wenn ich Schadensersatzforderungen definitiv ausschließen will.
Damit kommen wir zur Betrachtung der unterschiedlichen Befestigungsarten für Zug belastete Dübel in Stahlbeton. Es gibt im Wesentlichen drei Techniken:
- Spreizdübel, die Reibkräfte aufbauen
- Hinterschneidungsdübel, die formschlüssige Verbindungen erstellen
- durch chemische Verbindung / Klebung wirkende Dübel
Für den dynamischen Lastfall in Stahlbetondecken sind nur die Lösungen zwei und drei grundsätzlich geeignet. Spreizdübel mit Reibwirkung sind schlicht unzulässig weil dadurch im Bohrloch lokal große Zug-/Biegespannungen erzeugt werden wo sie vom Armierungsstahl nicht aufgenommen werden können. Es hängt damit nur noch vom Zufall ab, ob im Bereich der Bohrung schon Risse oder Lunker vorhanden sind, die durch die Spreizung getriggert und propagiert werden können. Für eine 100%-tige Lösung sind alle Spreizdübel verboten! Es spielt dabei auch keine Rolle ob harte metallische Werkstoffe oder weichere Kunststoffe in der Spreizverbindung eingesetzt werden. Auf Dauer gesehen existiert eine restliche Wahrscheinlichkeit, dass ein Brocken Beton mit dem Dübel und dem Hängepunkt darin von der Decke runter kommt und ein Bunny dran hängt wenn es passiert.
Auch der Hinterschneidungsdübel ist für Mieter einer Wohnung keine attraktive Lösung weil die Bohrgeräte dafür extrem teuer und selten sind und die Bolzen im Falle des Auszugs nur sehr aufwändig wieder entfernt werden können.
Damit läuft alles in der Praxis auf eine chemische Lösung hinaus, die im Falle von Hilti auf Seite 26 des Handbuches vorgestellt wird. Dabei wird ganz normal ein zylindrisches Loch gebohrt, das gesäubert und mit einer Patrone gefüllt wird. In diese Patrone wird der eigentliche Dübel eingesetzt und muß dann einige Zeit aushärten. Natürlich sollte man den Durchmesser des Dübel so bemessen, dass man für den Lastfall mit ausreichender Sicherheit ausgestattet ist. Das Handbuch gibt dazu genügend Hinweise.
Ich hoffe hiermit für andere Ingenieure eine befriedigende Zusammenfassung des Standes der Technik aufgeschrieben zu haben. Alle Empiriker, die jetzt noch mitlesen sind vielleicht doch nicht so sicher, dass sie alles getan haben um ihre Liebsten in Seilen beschützt und gesund zu halten. Gesundheit und Sicherheit beim Fesseln wünsche ich uns allen.
Euer DeliteBlue