@***us
Ich habe nichts gegen ausgefallene Sexspiele im Gegenteil, aber mittlerweile hat normaler Sex - zumindest gefühlt - eine gewisse Exotik erreicht, wohingegen BDSM, Dreier und andere Spielchen an seine Stelle gerückt sind. Die Reize derer es bedarf, um Geilheit noch zu steigern, scheinen bei manchen auf einem sehr abgehobenen Level zu sein.
Ich bin mir selbst noch nicht sicher, ob ich das als Bereicherung und Chance oder als Verarmung und Nachteil betrachten soll...
Geht das nur mir so, oder empfindet Ihr das manchmal auch?
Sehe ich auch so. Vor Allem: Viele Leute verwechseln die Virtualität des Pornos mit dem realen Leben. In einem kommerziellen Porno ist alles gestellt. Die Mimik, die Gestik, das Gestöhne, alles mit einem Regisseur besprochen. Wie es hinter der Kamera aussieht und ob die Damen und Herren auch die Lust empfinden, die sie vor der Kamera vorgeben zu haben, ist eine andere Frage. Das Problem durch die Pornographie ist auch, dass Sexualität nur noch reduziert wird auf die paar Minuten, die in diesen Pornos gezeigt werden. In einer Porno-Dokumentation jammerte mal ein Porno-Regisseur, dass die meisten Porno-Konsumenten sich die Pornos heute schon gar nicht mehr an einem Stück ansehen wie einen richtigen Film, sondern nur noch vor- und zurückspulen zu den entsprechenden Stellen (Cumshot, AV, OV etc.), um sich so noch schneller Geilheit und einen Orgasmus verschaffen zu können. Irgendwann gewöhnt man sich aber an diesen Non-Stop-Konsum und steigt dann auf härtere Sachen um, in der Hoffnung, seine Geilheit noch schneller und noch höher zu katapultieren. Darum geht es nur noch, um immer mehr und immer schneller. Kuschelsex, Streicheln, das freudige Erwarten, das Vorspiel etc., alle diese Dinge werden gar nicht mehr wahrgenommen, weil man sich gar nicht mehr darauf einlassen kann. Man hat sich davon gewissermaßen entfremdet. Man hat den Blick für die vielen kleinen Dinge der Sexualität verloren, weil man mit Stieraugen nur noch auf ganz wenige Sachen schaut.
Das Problem hierbei ist, dass man die Geilheit und die eigene Sexualität damit allmählich zerstört und immer mehr abstumpft, weil man zuviel davon bekommt. Denn um genussvollen Sex haben zu können, brauche ich Zeit, Phantasie und auch ein wenig Abstinenz. Geilheit muss sich auch erst einmal aufbauen, und das tut sie - bei mir zumindest - am Besten, wenn es nicht schnell, sondern langsam zur Sache geht. Essen schmeckt auch am Besten, wenn ich Hunger habe, und nicht, wenn ich die ganze Zeit etwas in mich hineinstopfe und immer fetter werde, weil ich meine, es geht noch mehr. Diese Sucht nach Quantität anstelle der Qualität ist es, die Genüsse zerstört. Irgendwo ist nämlich eine Grenze erreicht.
Die schönen Dinge des Lebens sollte man, auch wenn sie noch so gut sind, immer in Maßen genießen, um sie überhaupt genießen zu können. Und daher würde ich mir auch wünschen, dass wir uns wieder mehr rückbesinnen auf das ganze Drumherum der Sexualität: die Romantik, das Flirten, die Phantasie, das Kuscheln und Schmusen, das Bezirzen - und vor Allem: die Individualität und Einzigartigkeit dieser sexuellen Momente.