Im Dunkeln ist nicht immer gut munkeln....
Einmal wollte ich es mal richtig erleben. Einmal nachts ganz alleine stehe. Dieses “Experiment” startete gestern Nachmittag und endete abrupt heute morgen um 0:15 Uhr…
Wie es dazu kam?
In Småland gibt es ein Haus. Schön einsam gelegen auf einem Hügel, tront es in der Sonne und alles ist friedlich. Manchmal hört man dort ein paar Insekten. Der Wind weht in den Wipfeln am etwas entfernteren Waldrand und der eine oder andere Vogel zwitschert leise vor sich hin. Dort darf ich hin. Und wenn ich den Schlüssel in Deutschland hole, darf ich auch rein.
Nun hatte ich dieses Bedürfnis dort hin zu fahren. Noch ein, zwei Taged dort zu verbringen. Den Schlüssel (so meine Idee) brauchte ich nicht. Ich hab ja alles dabei.
So stand das Haus auch gestern späten Nachmittag still und friedlich auf diesem Hügel und ich hab erst mal ein paar Sachen auf die Terrasse gebracht um mich noch an der untergehenden Sonne zu erfreuen und erst mal etwas zu essen.
Der späte Nachmittag glitt friedlich in einen frühen und stillen Abend hinüber. Es regte sich kein einziges Lüftchen - was hier oben eine wahre Seltenheit ist. Und ich dachte noch: “genial. Stille. Da kann man wunderbar schlafen….”
Gedacht, getan. Kurz um hab ich mich dann im letzten Sonnenlicht dran gemacht und hab alles für die kommende Nacht vorbereitet.
Nebenbei ist mir folgendes aufgefallen: An der Hofeinfahrt stehen je ein Apfel- und ein Birnbaum. Die ließen beide locker alle paar Minuten ihre reifen Früchte fallen. Um so lauter ist es, wenn da sonst keine Geräusche sind.
Nun….so dachte ich noch….das Geräusch kennst du ja jetzt. Auch wenn es gleich dunkel ist - das wird schon gehen.
Das zweite was mir aufgefallen ist: am Haus, auf der anderen Seite, ist ein gigantisches Hornissennest.
Gut, dachte ich - andere Seite vom Haus. Gleich ist es dunkel. Da werden die Brummer schon ruhen….
Ich sollte das denken lassen…..
Kurz nachdem ich im Dachzelt meine Liegeposition eingenommen hatte, kam ich mir fast wie in der Einflugschneise eines Flughafens vor. Brummmmm, summmm, da war eine…...brummmm, summmm, die nächste. Und anstatt nur in die eine Richtung - nein, es wurde auch in die entgegen gesetzte Richtung abgeflogen. Also hin links am Zelt vorbei. Zurück dann rechts. Und es hörte nicht auf. Egal wie dunkel es wurde - sie flogen und flogen und flogen.
Preisfrage: was passiert, wenn Hornissen in der Nähe sind und man macht das Licht an?
Richtig. Sie fliegen auf die Lichtquelle zu.
Also Licht im Zelt an: brummmm, summmm, “Klatsch” - gegen das Zeitfenster. Ein Donnerhall in tiefer, schwarzer Nacht.
Die Milchstraße leuchtete über mir und ich konnte nicht mal das Dachzelt öffnen, weil ich ja in der Flugbahn dieser tierischen Hubschrauber lag. Wahrscheinlich wär es auch völlig egal gewesen, wo ich mich auf dem Hof hingestellt hätte……
Am nahen Waldrand bölkt plötzlich ein Reh. Das ist dieses durchdringende bellen eines heiseren Hundes mit Schluckaufeffekt. In absoluter Stille - die trotz der Hubschrauberbrummer immer noch allgegenwärtig ist - klingt das durch ein dünnes Dachzeltstoff, wie ein Kanonenhall.
Da hatte ich dann - glaub ich - den ersten Herzinfarkt. Stand das Vieh einen Meter neben mir? Bibber, bibber…..böööölk - das zweite antwortet - auf der gegenüberliegenden Wiese und böööölk, das dritte.
Ich wusste gar nicht das Rehe auch Konzerte veranstalten…..
Dann eine Art “kreischen” aus dem Wald hinter mir. “Gott, ich sterbe. Ich wollte doch “nur” schlafen. Bitte, bitte, lieber Gott, lass mich doch einfach nur einschlafen…” böööölk
Gut! Rehe fressen einen nicht. Aber ich merke plötzlich, wie mein Herz so laut schlug, dass es die Monsterbrummer übertönt. Wird Zeit “ins” Auto zu gehen. Ja. Auto ist gut. Auto ist sicher. Ich brauch nix außer ein Kissen. Einfach nur ins Auto…..
Gefühlt eine Minute später saß ich dann auf dem Fahrersitz. Ein Häufchen “Schisser” in tief, schwarzer Nacht. Umgeben von Monstern und Trollen, die ich nicht sehen aber alle laut und deutlich hören könnte.
“Waren das nicht gerade etwa Schritte? Hinter mir? Kommen sie nicht gerade die Einfahrt hoch? Da ist am Anfang auch noch Schotter. Ich hab auch im Winter mal ganz deutlich Schritte in stiller Nacht gehört…” “Klatsch”...wieder ein Apfel. Dann eine Birne, die noch mehrere Äste streift, bevor sie mit einem dumpfen Aufprall unten aufkommt…..böööölk…bööölk…..
Und da…..
“Quiiiick, kreisch”! Wildschweine! Hinter mir! Garantiert schon aufm Hof und am Fallobst. Auf jeden Fall “zanken” sie sich. Und das in einer Lautstärke, dass meine Autoschreiben vibrieren. Gleich kuckt son Vieh mich garantiert an. Mein Auto ist ja etwas tief gelegen und da kann das Kampfschwein mir direkt Aug in Aug…..
Meine Nerven drehen durch….meine Fantasie auch…..
“Ich sterbe! Jetzt! Verrecke elendig im Nirgendwo……….”
Nein. Natürlich nicht. Aber das - ich gebe es zu - war Hardcore für meine Nerven.
Die Wildsauen waren der Gipfel des erträglichen. Wenn ich da nicht schon im Auto gewesen wäre - spätestens da hätte ich einen Infakt gehabt. Das hat mich - im Nachhinein - schwer beeindruckt. Wie die Urängste in uns doch “zuschlagen” können.
Ich kenn die Schweine hier. Ich hab sie schon vom Fenster aus beobachtet. Das sind beeindruckend große Tiere. Und in einer dunklen Nacht sind sie trotzdem noch als massiges Schwarz sehr gut zu erkennen. Ich möchte so einem Tier nicht begegnen….. Vor allem nicht in finsterer Nacht ohne Lichtquelle. Und ich hatte keinen Bedarf, dass das diese Nacht passiert.
Also erst mal: Schlüssel rum drehen, Auto an, Flutlicht. Vertreiben aller Trolle, Ängste und Geister. Dann das Auto umgesetzt. Mit Lichtkegel zu den Obstbäumen.
Natürlich waren da dann keine Schweine mehr. Die hatten wahrscheinlich noch viel mehr Angst als ich.
Aber das war mir egal. Nur “weg hier” war mein Gedanke.
Nur…..ich hatte nach Sachen auf der Terrasse stehen. Sachen, die ich brauchte und die ich nicht zurück lassen wollte. Und morgen noch mal wieder kommen? Nein. Wer weiß wo ich heute Nacht lande. Ganz davon ab, dass nach Mitternacht kein Camping mehr auf hat und es hier auch keine geeignete Badestelle gibt….
Also Sachen holen…...Scheiße… dafür muss ich die Heckklappe öffnen. Und das geht nur mit dem Schlüssel, der im Zündschloss steckt und gerade die einzige Lichtquelle und das Geräusch des laufenden Motors, wie der einzige Lebendsfaden, am Leben erhält.
Gott - ich kam mir vor wie in einem Horrorfilm. Fehlte nur noch die passende Dramenmusik dabei….
Aber es nützt nichts. Da muss man durch. Man muss seine Ängste irgendwie in den Griff bekommen und dann einfach machen.
Ich hab gemacht. Bin weder angefallen noch aufgefressen worden. Selbst die Hornissen hatten anscheinend ein einsehen und haben weder mich noch mein Auto attackiert. Und keine 15 Minuten später war mein Dachzelt zu, das Auto voll und ich saß erleichtert wieder auf dem Fahrersitz….
Puuuhhhh….. Wieder überlebt.
Und nun? Gute Frage. Wohin nach Mitternacht? Auf jeden Fall nicht in der Einsamkeit bleiben. Das wusste ich. Also auf zum Licht. Auf in die Zivilisation……
Und so bin ich gefahren. Durch finstere Nacht. Bis ich endlich eine gute ¾ Stunde später in Växjö vor einem Campingplatz einen großen Parkplatz entdeckt habe, wo bereits mehrere Womo's und ein Landy standen.
Ich habe danach gut, fast 7 Stunden geschlafen…..