Kirkenes (samisch Girkonjárga; finnisch Kirkkoniem)
Unser erster Anlaufpunkt war Kirkenes.
Gefühlt, die nord-östlichste Stadt Norwegens, letzter Anlaufpunkt der Hurtigrute. So hoch oben waren wir noch nie in Norwegen.
Ungefähr 400 Km nördlich des Polarkreises. Hauptstadt der Barentsregion und Tor zum Osten. Geographisch gehört es bereits zur Kola-Halbinsel und ist mit seiner Umgebung, das mit Abstand älteste Stück des europäischen Kontinentes.
Dies belegt der Fund eines 3,69 Milliarden Jahre alten Kristalles, nahe Kirkenes. Mit diesem wurde das von Forschern geschätzte Alter des Kontinents noch um 200 Millionen Jahre übertroffen.
Kirkenes liegt am Bøkfjord, einem Arm des Varangerfjords, nahe der Grenze zu Russland. Die Stadt ist Verwaltungssitz der Kommune Sør-Varanger . Sie bekam am 1. Januar 1999 die Stadtrechte verliehen.
Die meisten der c.a.3.500 Menschen, die hier (noch) leben, haben einen norwegischen Hintergrund. Es gibt außerdem noch eine Minderheit an Samen. Manche Einwohner haben einen finnischen Ursprung und derzeit gibt es einige zugewanderte Russen.
In der Zeit des kalten Krieges gehörte das östliche Ende der Provinz Finnmark, und damit das Gebiet von Kirkenes, zu den wenigen Gegenden, in denen sich die NATO und der Warschauer Pakt unmittelbar an einer gemeinsamen Grenze gegenüberstanden.
Das ganze Hinterland war militärisch geprägt. Versteckte Depots, Flugplätze, Sperrgebiete und Antennen auf den Bergkämmen, die versuchten weit ins feindliche Land hinein zu horchen, prägten das Bild dieser Region.
Murmansk ist nur 250 Km entfernt und der ganzjährig eisfreie Hafen dieser großen russischen Stadt spielte im 2. Weltkrieg eine große Rolle. Denn 1942 versuchte die deutsche Wehrmacht vergeblich den feindlichen Hafen über die Finnmark zu erreichen und so den russischen Hafen vom Nachschub über den Atlantik abzuschneiden.
Allerdings scheiterten die Deutschen nicht nur am erbitterten Widerstand der roten Armee, sondern auch an der Unwirtlichkeit des Landes. So zogen sich die Deutschen in den Süden zurück und verwüsteten dabei alles, was die wenigen hier lebenden Menschen fürs Überleben benötigten: Häuser, Vieh und Vorräte.
Auf der anderen Seite der Grenze baute die Sowjetunion 10 Jahre später, an der Küste vor Murmansk, eine Kette von Flottenstützpunkten auf, von denen aus die Atom-U-Boote ihrer Nordmeerflotte operierte.
Allerdings wurde nach dem Ende des kalten Krieges auf beiden Seiten, die militärischen Einrichtungen dem Verfall überlassen...Die Flotte zerfiel auf russischer Seite auch bildlich durch die Korrision des Meerwassers. Erst Ende des letzten Jahrtausends wurden U-Boote wieder überholt und moderne Technologien eingesetzt.
Aber zurück nach Kirkenes.
Nach Beendigung des kalten Krieges war Kirkenes – auch durch die Öffnung der Grenzen für Waren und Menschen- zu einer Grenzstadt geworden. Damals dauerte es noch Monate, um ein Visum zu bekommen. Inzwischen können Russen und Norweger, die in einer 30-Kilometer-Zone wohnen, im Rahmen einer Sonderregelung, die durch das
Schengener Abkommen (die für Europa bisher einmalig ist), seit April 2010 visafrei hin und her reisen.
Es entwickelte sich ein regelrechter Grenzverkehr. Es gab tägliche Busverbindung nach Murmansk. Das Bild, in Kirkenes russische Autos zu sehen, wurde langsam normal, die Supermärkte hängten Werbetafeln in kyrillischer Schrift auf und einmal im Monat findet der „Russisk torget“ statt. Ein Russenmarkt, auf dem sich der Geneigte Wodga und Zigaretten kaufen kann. Im Hafen von Kirkenes liegen immer häufiger russische Trawler, die sich hier ihre Maschinen überholen lassen oder von der norwegischen Polizei aufgebracht wurden, weil sie die Fangquote missachtet haben.
Eine zeitlang soll es sogar einen Straßenstrich, angeblich mit Prostituierten aus St. Petersburg, gegeben haben.
Private Investoren und Politiker wollten aus der Finnmark eine Art Eismeer-Paradies machen. Sie wollten riesige Einkaufszentren und Hotels bauen...doch schon bald ließ dieser Hype nach. Denn auch nach dem kalten Krieg, liegt Kirkenes schließlich weiterhin am Rand des Eismeers und der bewohnten Welt.
Auch das große russisch-norwegische Projekt, eine gemeinsame Offshore-Förderung aufzubauen, wurde auf Grund technischer Schwierigkeiten, des Preisverfalls von Öl und Gas und der Kalkulation der Prospektoren, in die Zukunft verschoben.
Trotz der Bemühung der Regierung in Oslo, wandern immer mehr Menschen aus Kirkenes ab. Viele kommen mit der Dunkelheit nicht zurecht.
Ursprünglich entstand Kirkenes als Verschiffungshafen für Eisenerz.
Um 1900 war Kirkenes noch ein kleiner Ort mit einer Kirche , die im Jahre 1862 auf einer Landzunge erbaut wurde.
Kirche= kirke /Landzunge=nes → Kirkenes.
Der Eisenerzabbau ließ die Stadt ab 1908 wachsen.
Tatsächlich lebten bis 1996 die meisten Einwohner vom Abbau des Eisenerzes. Heute ist der Haupterwerb der Einwohner von Kirkenes eher der Fischfang und der Dienstleistungssektor.
1966 wurde der Eisenerz – Tagebau zunächst stillgelegt und später wieder aufgenommen. Die private Erzbahn zwischen Tagebau und Hafen, „Kirkenes- Bjørnevatnbanen“, wurde 2010 wiederbelebt, doch der Erzbau dann 2015 erneut stillgelegt.
Wir haben Bewegungen gesehen in den riesigen Schuttbergen, ob dies aber Laster für den Straßenbau gewesen sind, können wir nicht sagen.
Wir fuhren nach Kirkenes, weil der Wolf sich in der Touristinformation nach zwei Führungen erkundigen wollte. Zum einen für eine in den „Øvre Pasvik“ - und einen weiteren in den Varanger-Nationalpark auf der Varangerhalvøya.
Doch es gibt keine Touristinformation mehr.
Das erfuhren wir in einem kleinen Deutschen Konsulat, in dem auch eigene Touren angeboten wurden, die allerdings Wochen zuvor gebucht werden hätten müssen.
Kirkenes kam uns so „un-norwegisch“ vor. Fast schon verwahrlost. Trist und traurig.
So aßen wir frustriert ein Soft-Eis und setzten unseren Weg fort...Richtung Grense Jakobselv....
Doch dazu
sm