ät KKMK
sorry, komme erst jetzt dazu dir zu antworten:
Kirsten Armbruster:
"Von mutterbiologischen Tatsachen und männlichem Samen; Wie das Patriarchat Mütter zu passiven Gefäßen degradiert
Veröffentlicht am 8. Februar 2018
Genotyp, Phänotyp und Mütterliche Effekte, die darüber bestimmen, ob ein Mensch ein Mensch wird
Die natürliche Fortpflanzung des Menschen erfolgt bisexuell, d.h. ein Mensch entwickelt sich genetisch hauptsächlich aus der Vereinigung eines mütterlichen und eines väterlichen Chromosomensatzes bei der sogenannten Karyogamie, der Verschmelzung der Zellkerne zur Zygote. In den Zellen von Eukaryoten, zu denen neben Menschen auch Pflanzen, Tiere und Pilze gehören, ist der Großteil der DNA (Desoxyribonucleic Acid) im Zellkern als Chromosomen organisiert. Die DNA, als materielle Basis der Gene, ist also die Trägerin der Erbinformation. Ein kleiner Teil der DNA befindet sich allerdings außerhalb des Zellkerns im sogenannten Zytoplasma und zwar in den dort befindlichen Zellorganellen, die von einer doppelten Membran umgeben sind. Bei Pflanzen sind das die Plastiden, bei Tieren und Menschen die Mitochondrien.
Die DNA in den Mitochondrien, die sogenannte mitochondriale DNA (kurz mtDNA), von ihrer Gestalt her kreisförmig, ist zwar mit 16 000 Basenpaaren wesentlich kleiner als das Erbgut im Zellkern, das 3 Milliarden Basenpaare umfasst, aber die mtDNA leistet trotzdem einen wesentlichen genetischen Beitrag. Tatsächlich kann die Anthropologie – die Abstammungslehre des Menschen – die Abstammung von Mulier-Homo sapiens – dem sogenannten modernen Menschen – anhand der mtDNA aufgrund ihrer geringen Mutationsrate, 6000 Generationen zurück auf eine einzige Urmutter zurückführen. (Sykes, Bryan, 2001). Der Genotyp eines Menschen, die Gesamtheit der genetischen Information ist also einmal von den mütterlichen und väterlichen Genen im Zellkern bestimmt. Zusätzliche genetische Informationen erfolgen aber über die ausschließlich mütterlich vererbte DNA aus den Mitochondrien.
Neben dem Genotyp gibt es allerdings den Phänotyp. Der Phänotyp ist das Erscheinungsbild und bezeichnet in der Genetik die Menge aller Merkmale eines Organismus. Dabei bezieht sich der Phänotyp nicht nur auf morphologische, sondern auch auf physiologische Eigenschaften und auf Verhaltensmerkmale. Morphologisch bedeutet dabei die äußere Gestalt betreffend und physiologisch betrifft die inneren Stoffwechselvorgänge. Die amerikanische Soziobiologin Mary Jane West-Eberhard schreibt dazu, dass „die bloßen Gene zu den unfähigsten und nutzlosesten Materialien gehören, die man sich vorstellen kann“, weil „der Phänotyp des frühen Embryos allein von der Mutter determiniert wird“. (West-Eberhard, Mary Jane zit. in Blaffer Hrdy, Sarah, Mutter Natur, 2010, S. 97/98).
Die Befruchtung und die Verschmelzung der Gene im Zellkern ermöglichen nämlich noch keine Fortpflanzung.
„Tatsächlich entscheiden sogenannte Mütterliche Effekte darüber, ob ein Mensch ein Mensch wird“, schreibt die amerikanische Anthropologin Blaffer Hrdy in ihrem ersten Buch „Mutter Natur“ und ergänzt die Forschungen der Soziobiologin West-Eberhard, denn schon vor der Befruchtung ist die Eizelle eines Tieres oder einer Pflanze ein hoch organisierter und aktiver Phänotyp. Blaffer Hrdy konkretisiert:
„Man betrachte nur, was am Anfang eines Froschlebens passiert. Stunden nach der Befruchtung besteht die sich schnell teilende Blastula (das Anfangsstadium in der Entwicklung eines Tieres) bereits aus 4000 Zellen. Aber noch ist kein einziges Gen des Embryos aktiviert. Alle seine Instruktionen stammen von Hormonen und Proteinen, die in seinem Zytoplasma zirkulieren. Die anfängliche Entwicklung dieses neuen Individuums ist alles andere als genetisch determiniert, sondern in hohem Maße von der Verfassung seiner Mutter, ihrem Ernährungszustand oder ihrer Lebensgeschichte beeinflusst“. (ebenda, S. 97).
Kein Wunder, ist doch die Mutter die einzige Umwelt des Embryos.
Schauen wir aber nun auf physiologischer Ebene noch einmal genauer auf die Mütterlichen Effekte.
Die Eizelle, ihr Zytoplasma und die damit einhergehenden Mütterlichen Effekte
Die Eizelle oder Oocyte ist die weibliche Keimzelle zweigeschlechtlicher Lebewesen. Die Eizellen sind wesentlich größer als die männlichen Gameten. Beim Menschen ist die Eizelle hundertmal größer als die männliche Gamete, das Spermium, da das Spermium nur die Kern-DNA enthält. Eizellen sind hingegen nicht nur Zellen mit einem haploiden Chromosomensatz im Zellkern, sondern sie enthalten auch das Zytoplasma als zelluläre Umgebung in der sich zusätzlich noch die Zellorganellen befinden. Blaffer Hrdy schreibt.
„Die Eizelle enthält dagegen verschiedene Ingredenzien – den Zellkern und das Zytoplasma. Sobald sich das Spermium innerhalb des Eis befindet, werden von der Mutter übermittelte Anweisungen umgesetzt. Nährstoffe, die schon vor der Befruchtung gehortet wurden, versorgen den Embryo mit dem, was er für seine Entwicklung benötigt. Die Eizelle der Mutter stammt von Zellen ab, die schon vor der Befruchtung damit begonnen haben, sich zu teilen. Lange bevor es zu irgendeinem Kontakt zwischen Spermium und Eizelle kommt, sind durch die vier Teilungen aus der mütterlichen Urkeimzelle 16 Zellen geworden. Eine dieser Zellen lebt als eigentliche Eizelle weiter. Aus den anderen werden „Nährzellen“ – sie stellen Nährstoffe und andere Substanzen her, die durch das Zytoplasma transportiert werden (Alberts et al., 1994). Mit anderen Worten: Ehe die im Spermium enthaltenen Gene des Vaters auch nur aktiviert werden, steht die frühe Embryonalentwicklung bereits unter mütterlicher Kontrolle. Sobald die Eizelle eine Samenzelle akzeptiert, werden mütterliche Effekte in Gang gebracht. Das Protoplasma der Mutter leitet die Entwicklung des Embryos ein und gibt damit gleichzeitig den Startschuss für eine Vielzahl möglicher mütterlicher Effekte“. (Blaffer Hrdy, Sarah, ebenda, S. 96).
Den Mitochondrien als den Kraftwerken der Zellen kommt dabei eine weitere Schlüsselrolle zu, denn die Mitochondrien sind nicht nur durch ihre ausschließlich an die Mütter gekoppelte Genetik interessant, sondern auch physiologisch, denn die Hauptaufgabe der Mitochondrien ist die Produktion von Energie in Form von ATP (Adenosintriphosphat) innerhalb der sogenannten Atmungskette. Die Atmungskette ist ein Teil des Energiestoffwechsels der meisten Lebewesen. In der Atmungskette finden sogenannte biochemische Redoxreaktionen statt, die zur Energiegewinnung dienen. Diese Redoxreaktionen erfolgen durch Enzyme, welche in der inneren Mitochondrienmembran liegen und eine Kette bilden, über die Elektronen transportiert werden. Neben der Energieproduktion stellen die Mitochondrien Raum für den Ablauf von chemischen Auf-und Abbauprozessen zur Verfügung. So befinden sich in den Mitochondrien Enzyme, die für den Zitronensäurezyklus und den Fettstoffwechsel wichtig sind. Darüber hinaus dienen die Mitochondrien als Kalziumspeicher.
In den Mitochondrien aber auch im rauhen Endoplasmatischen Reticulum (ER) befinden sich zudem sogenannte Ribosomen. Ribosomen sind elementar wichtig für die Proteinbiosynthese, also den Eiweißstoffwechsel, da sie Bestandteil zweier „Übersetzungsfunktionen“ in der Zelle sind, der sogenannten Transkription und der Translation. Unter Transkription versteht man die Umschreibung der Nucleinbasen Adenin, Thymin, Guanin und Cytosin der doppelsträngigen DNA, welche den Zellkern nicht verlassen kann, in die einsträngige RNA, wo die Base Thymin durch die Base Uracil und der Zucker Desoxyribose durch Ribose ersetzt werden. Dieser Prozess der Transkription fungiert als Übersetzungsprozess des genetischen Codes der im Zellkern befindlichen DNA, welche durch die Basensequenz definiert wird. Unter Translation versteht man den anschließenden zweiten Übersetzungsprozess, in der die veränderte Basensequenz der RNA nun in die Aminosäurensequenz des Proteins übersetzt wird. Die Basensequenz der DNA stellt somit einen Code dar, der unter Vermittlung der ribosomalen RNA die Struktur spezifischer Proteine bestimmt. Bei diesem Vorgang der Informationsübertragung handelt es sich um den zentralen Prozess der Molekularbiologie und der kann nur erfolgen mithilfe der sich im Zytoplasma befindlichen Zellorganellen von denen auch der Golgi-Apparat eine zentrale Funktion innehat. Eine der Hauptfunktionen des Golgiapparats ist es, die entstandenen Proteine vom Endoplasmatischen Reticulum (ER)zu empfangen und umzuwandeln. Dazu werden die Proteine in kleinen Abschnürungen vom ER – den sogenannten Vesikeln – zum Golgi-Apparat transportiert und dort umgewandelt. Diese Transportweise mit Vesikeln soll verhindern, dass beim Transport durch das Zytoplasma Reaktionen ablaufen, die der Zelle schaden könnten. Nach der Umwandlung der Proteine im Golgi-Apparat, werden diese nun wiederum in Vesikeln – die jetzt vom Golgi-Apparat stammen – weiter zu ihrem Bestimmungsort geschickt.
Da nur die Eizelle über das Zytoplasma und die darin befindlichen Zellorganellen verfügt, wird nun auch verständlich, warum Soziobiologinnen wie Mary Jane West-Eberhard die Entstehung des Individuums als Mütterlichen Effekt definieren.
Embryonenschutzgesetz und die Einnistung des Embryos in den mütterlichen Organismus
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, wie sich gerade im Zuge von Klontechniken und Reproduktionsmedizin die grundrechtliche und bioethische Sichtweise auf den Embryo verändert. War bisher die herrschende Meinung, dass mit der Verschmelzung der Kerne von Eizelle und Spermium zur Zygote menschliches Leben entsteht, das sich von da an als Mensch weiterentwickelt und dem deshalb auch der Schutz der Menschenwürde nach Art. 1 des Grundgesetzes zukommt, verändert sich diese Sichtweise zunehmend.
Wikipedia schreibt unter dem Begriff des Klonens:
„Allerdings ist auch in Deutschland die Ansicht im Vordringen begriffen, die den Lebensschutz des Grundgesetzes mit der Nidation, der Einnistung des Embryos in den mütterlichen Körper, einsetzen lässt. Das legen Erkenntnisse der medizinischen Anthropologie nahe, nach denen eine Wechselwirkung zwischen Embryo und Mutterkörper erforderlich ist, damit sich der Embryo überhaupt zu einem Menschen entwickeln kann. Ohne diesen Impuls, die Nidation, entsteht niemals ein Mensch, der Embryo entwickelt sich gleichsam ins Nichts. Dieser Ansicht entspricht die geltende Rechtslage in Großbritannien“. (Wikipedia: Begriff: Klonen: 31. 1. 2018)."