Ich bin definitiv Anhängerin des Slow Sex Konzeptes wie es von Diana Richardson erklärt und gelehrt wird. Sie geht davon aus, dass die meisten von uns ihre Sexualität an einem Modell erfahren und entwickelt haben, welches sexuelle Erregung über jeweils bewusst intensivierte körperliche Reibung unserer Genitalien und sonstigen erogenen Körperpartien provoziert und erzielt, und als dessen angestrebter Gipfel der (möglichst auch noch gleichzeitige) Orgasmus beider Beteiligten gilt, welches aber in dieser Zielgerichtetheit kontraproduktiv ist, da es die menschliche Sexualität rein dem Leistungsprinzip unterstellt, das, in enger Koppelung mit Hektik, grundsätzlich unsere Lebenswirklichkeit prägt und dominiert. Unter diesen Bedingungen wird Sex jedoch oft zur mechanischen Pflichtübung mit ausschließlicher Fixierung auf den Orgasmus. Die Suche nach dem ultimativen Sex-Kick verursacht auf Dauer jedoch oft massive Probleme in der Partnerschaft. Richardson bezeichnet dies als eine Art "kollektive Konditionierung", der wir überwiegend unterliegen.
Dem gegenüber stellt sie ihr Konzept von Slow Sex und postuliert als ersten Schritt auf diesem Weg eine veränderte Einstellung zum Sex. Denn eine andere Perspektive eröffnet dem Körper ganz neue Erfahrungen und gibt ihm Raum, sich auszudrücken. "Normalerweise zwingen wir dem Körper unsere Vorstellungen auf. Wir wollen, dass er mitzieht und unseren Erwartungen und Wünschen in puncto Sex entspricht. Durch diesen Druck wird daraus ein hastiger, zielorientierter Akt, während sich der Körper eigentlich nach einem langsamen, ruhigen, lang ausgedehnten sexuellen Austausch sehnt. Statt viel zu machen, möchte der Körper einfach sein. Das setzt aber eine genaue Beobachtung des gegenwärtigen Augenblicks voraus. Beim Slow Sex tritt man einen Schritt zurück und beobachtet sich selbst, statt alles darauf auszurichten, einen Höhepunkt zu erreichen. Das heißt, man wird nicht so heiß, sondern bleibt im kühlen Bereich, denn Langsamkeit nimmt dem Sex die Hitze. Das ist gut, denn die zarten Wurzeln des Glücks und der Ekstase mögen lieber ein kühles Klima als ein heißes.
Deshalb ist auch keine sexuelle Erregung erforderlich, du brauchst nicht "heiß" zu werden. Stattdessen entdeckst Du, wie es ist, sich in den Körper zurückfallen zu lassen, bewusster und entspannter zu werden, ohne irgendetwas erreichen zu wollen. Um sich auf Slow Sex einzulassen braucht man nicht viel Energie, und genau das ist sein großer Vorteil - Slow Sex funktioniert besonders gut in langjährigen Partnerschaften. Man kann auf Dauer nicht stets "heiß" aufeinander sein, deshalb ist es ganz natürlich, dass sich der Sex im Lauf der Zeit etwas abkühlt. Es gehören Reife, ein Zur-Ruhe-Kommen und Sich-auf-seine-Ressourcen-besinnen dazu. Diese Qualitäten finden wir in uns, nicht im Außen. Es liegt in der Natur der Hitze, dass sie sich abkühlt. Das Kühle dagegen ist nachhaltig und hat eine langwährende Qualität...."(Diana Richardson, Slow Sex, München 2011, S. 12).