Die zwei Stammtische
Die Geschichte mit" In Hamburg gab es zwei Stammtische" zu beginnen wäre falsch. In Hamburg gibt es gefühlt unzählige Stammtische, selbst wenn wir uns auf die beschränken, die irgendwie BDSM- lastig sind.Es gibt Menschen, die andere Menschen und Bekanntenkreise meistens in kürzester Zeit verschleissen. Und das auch irgendwie von sich wissen, wenn auch anders formulieren. Sie sind ihrer Ansicht nach sehr oft von ihrer Umwelt enttäuscht worden, und immer, wirklich immer hatten die Anderen die Schuld.
Beide waren bereits in den Jahren, die nicht mehr als die besten Jahre gelten. Sprich: Sie hatten die 50 weit hinter sich gelassen, dem Äusseren nach zu urteilen hätten es auch leicht die 60 sein können.
Sie waren weder liebenswert noch aus irgend einem anderen Grund attraktiv. Dafür wild auf Frischfleisch, denn das ist bekanntlich unkritischer und die Versuche, eigene Ansichten zu Wahrheiten werden zu lassen, sind tendentiell erfolgreicher.
Der eine Stammtisch wurde von Norma ins Leben gerufen und mehr oder weniger geleitet. So hatte Norma die Möglichkeit, Leute dahin einzuladen, zu sichten und gegebenenfalls auf eine günstige Gelegenheit zu warten, sich fast lautlos heranzupirschen und im geeigneten Moment zuzuschlagen. Oder zuschlagen zu lassen, je nach Laune.
Wer mit Norma nicht befreundet sein wollte wurde umgehend zum Feind erklärt. Unter dem Siegel des Vertrauens erzählte Norma, wie unmöglich, kriminell, kinderfeindlich, verlogen und so weiter diese Personen waren.
Natürlich nur, um die armen Neulinge zu warnen; sie sollten nicht auch auf diese bösen Menschen hereinfallen wie Norma es tat.
Den zweiten Stammtisch hatte Barnabas ins Leben gerufen. Er hatte zwar nicht die Bildung eines berüchtigten ehemaligen Hamburger Innensenators, aber einen ähnlichen Charakter.
Wo immer eine Frau ein virtuelles Profil eröffnete: Barnabas war bereits da. Er eröffnete ihr die Gefahren, sich allein in der Szene zu tummeln. Und allein bedeutete ohne ihn.
So rissen beide Frischfleisch auf, trennten sich mit mehr öder weniger Getöse, wen jemand nicht ihrer Meinung war, und lästerten über jeden, der nicht zum Fan wurde.
Distanz und Nähe auszubalancieren war ihnen fremd. Unnötig so erwähnen, das beide sich hassten.
Eines Tages bekam Barnabas einen Brief von Norma, sie wolle sich mit ihm treffen, um mal in Ruhe miteinander zu reden. Sie schlug einen Spaziergang vor.
Zeitgleich bekam Norma Post. Der gleiche Treffpunkt wurde vorgeschlagen. Am Rande eines Waldes.
Beide stellten ihre Autos ab. Und wurden ab dem Zeitpunkt nicht mehr gesehen.
Es gab das Gerücht, sie hätten sich plötzlich verliebt und seien einfach abgehauen- Gläubiger, ungeliebte abgelegte Partner und alles zurücklassend.
Ich bin etwas besser informiert. Sie sind in einer unterirdischen Höhle eingesperrt, ab und zu wirft jemand einige Konserven und Brennholz hinein. Der Rauchabzug ist weit entfernt.
Die Luft ist nicht gerade gut. Aber es reicht, um sich weiter zu streiten.
Irgendwann werden sie sich umbringen, es ist nur eine Frage der Zeit.
Freundlicherweise wurde ihnen auch eine große Packung Rattengift geliefert.
Das kann der nehmen, der den Anderen zuerst umgebracht hat.
Ob es jetzt in Hamburg nett, freundlich und harmonisch ist?
Nein, natürlich nicht. A hat B was getan, B hat C was getan, A und B verbünden sich gegen D, der wiederum E bereits wegen Verleumdung angezeigt hat. E hat Gegenklage erhoben, F und G sind bereits informiert und haben es gleich H und I erzählt, die die Geschichte J, K und L erzählt haben. M ist mit dem Geld von N durchgebrannt mit der Begründung, seit Jahren nur ausgenutzt worden zu sein.
O hält sich aus allem raus und streitet sich nur ab und zu hinter verschlossenen Türen mit P. Q und R haben sich zusammengetan, um es S mal so richtig zu zeigen. Das Arschloch wusste ihre Subbigkeit nicht zu schätzen, das schreit nach Rache. T betont, nur Reaktionsfetischist zu sein, was U hinter seinem Rücken bestreitet. V steht auf Windeln und hasst W dafür, das breit getreten zu haben.
X und Y sind gegenüber anderen Leuten wie eine Wand, da passt kein Blatt Papier zwischen. Ab und zu spielen sie mit Z.
Wobei Z immer mal wieder eine Beziehung mit A anfängt, um sich dann bei G über dessen Beliebigkeit zu beschweren.
Es ist nicht leicht, es ist nicht einfach. Ausser vielleicht für X und Y, die sind Berufspolitiker und streiten sich woanders.
Aber es ist in Hamburg schöner und friedlicher geworden, seit Norma und Barnabas verschwunden sind.
Friedlicher, keinesfalls friedlich. Das wird wohl nie so sein.
Nicht auf dieser Welt.