Nur die Harten kommen in den Garten

So. Bald ist sie da. Noch ein Blick in den Spiegel: Ja, das sieht doch schon mal gut aus. Die frisch gekaufte Lederhose sitzt perfekt, das weiße Hemd auch. Oh, da ist das Preisschild noch dran. Schnell mal abmachen.

So. Erledigt. Noch einmal: Ja, das macht was her. Die Handschellen hängen auch an der Seite der Hose. Der linken natürlich. Schließlich bin ich dominant! Aber sowas von dominant. Guck mal, böse gucken kann ich auch schon. Mann, ist das böse! Ich habe vor mir selbst Angst, wenn ich diesen Blick im Spiegel sehe! Was für ein Mann!

Und überhaupt: Sie wird schon sehen, was für ein echter Kerl ich bin. Die Bullwhip wird Überstunden machen heute, muss ja schließlich auch eingeweiht werden. War teuer das Ding, aber man gönnt sich ja sonst nichts, ein echter Dom hat so etwas nun einmal. Genauso wie die gewässerten Rohrstöcke. Habe im Internet gelesen dass die mit Gummi überzogenen noch fieser sein sollen, aber wozu mogeln? Ein echter Dom verlässt sich nicht aufs Material, der haut feste drauf, fertig! Wir sind hier doch schließlich nicht im Streichelzoo! Nur die Harten kommen in den Garten, und ich bin sowas von hart! Da ist Chuck Norris ein Chorknabe dagegen!

Sie wird es schon sehen, das kleine Flittchen. Wimmern wird sie. Mich anflehen, aufzuhören. Ich doch nicht. Entweder sie tanzt nach meiner Pfeife oder kann gleich wieder gehen. Einen echten Dom wollte sie haben, also kriegt sie ihn auch!

Oh, glatt hätte ich vergessen, den Knebel zurechtzulegen. Stank ganz schön das Ding als ich es ausgepackt habe, habe ihn dann einfach mal mit Chillipaste eingeschmiert. Sie soll ja schließlich leiden, denn ein echter Dom lässt seine Sub nun einmal leiden! So! Ach komm, gleich noch Chayennepfeffer drauf. Sicher ist sicher.

Fünf Minuten noch. Sie soll pünktlich klingeln, wenn sie es nicht tut wird ihr das leid tun, habe ich ihr gesagt. Hoffentlich ist sie eine Minute zu spät, dann geht es hier aber rund! Nix da mit Begrüßung, dann setzt es gleich eine Ohrfeige! Wär' ja noch schöner, sich hier zu verspäten! Dann wird sie sofort wissen wo ihr Platz ist, unter mir nämlich. Ganz weit unten. Schließlich ist sie das erste Mal bei so einem ganzen Kerl wie mir, die vorher können ja nur Weicheier gewesen sein. Safeworte haben sie ihr zugestanden. So etwas Altmodisches. Entweder ganz oder gar nicht! Hab ich ihr auch so gesagt. Ritter haben früher ja auch nicht mit stumpfem Schwert gekämpft.

Zwei Minuten noch. Zeit, mich in den Ledermantel zu werfen. Die Cowboystiefel habe ich auch schon an. Die gleichen, die Django immer an hatte. Gut, sie drücken ein wenig, eingelaufen sind sie ja noch nicht, aber egal, das wird nichts an Schmerzen sein im Vergleich zu dem, was die Kleine gleich abkriegt! Sie wird …

„RRRRINNNNNG“

Ah, es ist soweit! Ein kurzer Blick auf die Uhr: Punkt 12 Uhr. Pünktlich. Mist. Dann eben doch keine Strafe sofort. Ach, sie wird schon ihre Fehler machen. Sagt sie nicht gleich „Hallo, Meister“, setzt es halt dann die Schelle. Hach, ich kann ja so fies sein! Die Arme. Sie tut mir jetzt schon leid.

Jetzt noch schön in Pose gestellt. So James-Dean-mäßig. Lässig ne Fluppe in den Mundwinkel. Musste erstmal googlen was die echten Kerle denn so für ne Marke rauchen, als Nichtraucher weiß man das ja nun einmal nicht. Hab die richtige gefunden. So. Rein damit.
Dann noch den Daumen in die Hosentasche. Dann weiß sie sofort Bescheid, dass mit mir nicht zu spaßen ist. Mit der anderen die Tür aufgemacht. Hab sie extra nicht geölt, damit sie schön knarzt. Wie das Tor zur Hölle. Hehe. Und los!

„Knaaaaaarrrrrrrzzzz“

Da steht sie. Steht da. Sieht mich an. Glotzt. Und glotzt.
Und fängt auf einmal an, laut zu lachen.

Sie lacht. Und lacht. Hält sich den Bauch vor lauter Lachen, wischt sich Lachtränen aus den Augen, während ich, immer noch in meiner voll dominanten Pose, etwas verunsichert bin: Damit hatte ich ja jetzt nicht gerechnet. Das bringt mich voll aus dem Konzept! Sie soll jetzt bittesehr sofort den Kopf senken, „Entschuldigen Sie, Meister, ich erwarte demütigst meine Strafe für mein ungebührliches Verhalten“ sagen! Das ist ja wohl das Mindeste!

Stattdessen ringt sie, immer noch nach Luft schnappend, mit ihrem Zeigefinger halb in meine Richtung wedelnd, sich ab: „In – japs – welchem Karnevalsverein hast du DAS denn aufgetrieben? “

Ich, nun mich wieder normal hinstellend, die Schultern hängen lassend: „Gefällt dir das nicht? Naja … ich dachte, das sieht halt dominant aus und so … also, wenn du willst, kann ich mir auch was anderes anziehen ...“

„Begrüßt du die Frauen immer so? Also, zieht das bei den anderen? Nur mal so aus Interesse.“

Mit vergeblich nach Sicherheit klingender Stimme antworte ich: „Najaaa – um ehrlich zu sein, bist du meine Erste. Hab da im Chat gelogen, dachte das würde nicht auffallen. Du weißt schon, ihr wollt doch immer voll erfahrene Kerle haben und so.“ Vorsichtshalber sehe ich ihr jetzt doch lieber nicht in die Augen, war ja doch irgendwie nicht so nett von mir.

Sie: „Soso.“
Ich: „Ähh … ja. Tschuldigung.“ Der Boden hat ein echt interessantes Muster.
Sie, nun nicht mehr amüsiert, sondern ernsthaft sauer: „Na, dann hol dir doch deine Erfahrung woanders. Mit Lügnern kann ich nicht so. Tschüss. Schönes Leben noch.“

Sprach es, drehte sich auf dem Absatz um, und ward nicht mehr gesehen.

Leise schließe ich die Tür. Werfe mich aus den Klamotten. Hey, der Jogginganzug ist ja eh viel gemütlicher. Und überhaupt, jetzt kann ich mich endlich ins Bett verkriechen. Mit meiner schönen alten Kuscheldecke von Mutti. Oh ja. Die hält so schön warm.

Warum sind Frauen immer so gemein zu mir?










(Anm. d. Redaktion: Nein, das ist nicht autobiografisch. )