Hingabe
Er räuspert sich. Sie geht schnell zu ihm und schaut, was er möchte. Oh, sein Glas ist leer. Sie füllt es neu und stellt es so hin, das er es mühelos greifen kann. Er zieht eine Augenbraue hoch. Sein Brot ist schlecht geschnitten, sie holt das Messer aus der Küche, entschuldigt sich bei ihm und schneidet sein Brot in passende Stücke. Er zeigt auf einen Film. Sie legt den Film ein und setzt sich zu seien Füßen nieder, um ihn gemeinsam zu sehen. Kuschelt sich gegen seine Beine. Früher war das anders. Sie war mit ihm jedes Wochenende auf einer SM-Fete. Jede Woche auf einem Stammi, in mehreren Foren sehr aktiv. Sie wurde bereits die Hohepriesterin der Unterwerfung genannt und schrieb lange Abhandlungen über freiwillige Unterwerfung. Betonte ihre totale Aufgabe für und Hingabe an ihren Herrn. Der etwa 5x im Jahr wechselte. Immer wieder.Bis es sich mit ihm einpendelte.
Beklatscht von einer meist jubelnden Kommentatorenmenge, wenn sie mal wieder ihre Aufgabe gegenüber ihrem Herrn und das große Glück, seine Sub sein zu dürfen, proklamierte. Ein wirklich schönes Szenepaar. Beide waren sehr stolz auf sich.
Auf dem Rückweg von einer Fete geschah es- er übersah ein Auto. Landete schwer verletzt in einem Krankenhaus, sie hatte nur Schrammen. Er hatte unter Anderem ein Schädelhirntrauma und konnte Arme und Beine nicht mehr bewegen. Auch das Sprechen ging nicht mehr. Sie holte ihn nach Hause und kümmerte sich um ihn. Konnte mit ihrem Arbeitgeber klären, das sie zwei Stunden Mittagspause bekam, damit er nicht zu lange allein war. Und so lebt sie jetzt mit ihm. Parties gibt es nicht mehr, die Anrufe der Freunde werden weniger. Für virtuelle Beiträge fehlt die Zeit. Was hätte sie auch schreiben sollen? Das sie es immer noch geniesst, sich lustvoll zu unterwerfen?
Sex gibt es für sie nicht mehr. Daran hat sie sich gewöhnt. Sie trägt es mit Hingabe und in tiefer, altruistischer Demut. Als gemeinsames Schicksal. Und sie freut sich jedes Mal, wenn sie ihn leise lächeln sieht. Als Hohepriesterin der Unterwerfung fühlt sie sich schon lange nicht mehr, was sie tut ist für sie selbstverständlich geworden. Wenn sie an früher denkt, lächelt sie leise. Sie ist erwachsen geworden. Sie hat gelernt, was wirkliche Hingabe ist.