Guten Abend...
hier wird es ja richtig philosophisch. Na gut, bei mir eher philosylviesch
Ist Liebe das Gegenteil von Hass?
Wenn ich dualistisch argumentiere schon. Dann ist der 0-Punkt eine Ausgewogenheit, Liebe die totale Vereinigung und Hass die totale Vereinzelung. Aus der Sicht des Egos sind dann jede Menge Abstufungen möglich. "Du liebst sie mehr als mich". "Mein Hass gegen ihn ist nicht mehr so stark wie früher."
In dieser Welt des Egos, das sich als getrennt von allen anderen wahrnimmt, mag das stimmen. Aber wenn ich Liebe als spirituelle Erfahrung wahrnehme, dann kann es dazu kein Gegenteil geben, weil in der Leere und Tiefe keine Gegensätze exsistieren. Liebe als spirituelle Erfahrung kennt kein Objekt, keine Begierde, sondern nur die erfüllende Wahrnehmung des bedingungslosen Einsseins mit der Welt. Da das Ego sich aber als getrennt vom Rest der Welt wahrnimmt, wird daraus Verliebtsein, Sehnsüchte werden auf jemand anders projeziiert. Und wenn das Ego dann denkt, dass das Gegenüber fähig und willens ist, die eigenen Defizite aufzufüllen, es perfekt zu ergänzen, nuschelt es "
ich liebe
dich ". Und wenn dieses Projekt scheitert, weil das Gegenüber ja ganz andere Defizite aufgefüllt bekommen möchte, nuschelt es "
ich liebe
dich nicht mehr". Oder schreit im Extremfall "
ich hasse
dich ." Daher rührt diese allgemeine Vorstellung eines Gegensatzpaares.
Was ist Hass?
Empörung ist Wut + Rechthaberei. "Ich weiß besser als du, wie du dich hättest verhalten müssen, damit es mir gut geht. Und wenn du nicht dieses oder das getan hättest, ginge es mir besser".
Hass ist Empörung + Rache. "Du bist schuld, dass es mir schlecht geht, also tue ich etwas, damit es dir noch schlechter geht." (Thanks Godness, wenn es bei Fantasien bleibt).
Wut ist ein Gefühl, wenn ich das nicht ausagiere kann es auflodern und dann wieder verbrennen, so wie jedes andere Gefühl auch. Empörung, Hass, Verliebtsein. In diesen Fällen versieht das Ego das Gefühl mit einem Kommentar, der das Gegenüber ins Recht oder Unrecht setzt. Und bei den allermeisten Menschen folgt dieser mentale Kommentar so schnell und automatisch, das die Wahrnehmungsfähigkeit fehlt, eines vom anderen zu trennen. Es passiert unbewusst.
Wo kommt der Hass her?
Wer mal mit Hund oder Katze zusammengelebt hat weiß, dass Tiere nicht nachtragend sind. Und Raubtiere töten nicht aus Mordlust, sondern aus Hunger. Aber sie haben unterschiedliche Persönlichkeiten und drücken Wut durch Fauchen, Bellen etc. aus. Es scheint ein menschliches Spezifikum zu sein, Gefühle persönlich zu nehmen. Das, was die Bibel den Sündenfall nennt, ist eine Metapher für das Bewusstwerden der eigenen Persönlichkeit. Der Preis dafür ist wie mir scheint, diese generelle Wahrnehmung von Getrenntsein. Und von "ich bin nicht du" ist es nur ein kleiner Schritt zu "ich bin besser als du". Wann das passiert ist? Ich sag mal, damals in den Höhlen. "Mein Faustkeil ist aber schöner als deiner und darum will ich jetzt das Weibchen haben". So in der Art.
Hat Hass einen Sinn?
Aus der Sicht des Egos schon, denn es kreiert darum eine Geschichte, deren Kern sich natürlich darum dreht, sich selbst mit dem eigenen Tun ins Recht und den anderen ins Unrecht zu setzen. Unglücklicherweise ruft erfolgte Rache natürlich erneut Hass, erneute Rache usw. hervor. Es ist ein egozentrisches Perpetuum mobile, in dem sich Rache und Vergeltung gegenseitig nähren. Etwas, das wir gegenwärtig überall in der Welt sehen müssen. Und was da in diesem Sinne getan wird, nennen wir "sinnlose Gewalt". Sie ist "sinnlos", weil wir eben nicht in diesem Geschichtengeflecht gefangen sind. (Allerdings in aller Regel in einem anderen).
Kann der Hass mich etwas lehren?
Ja. Er kann mich lehren, dass seine Folgen verheerend sind. Und daraus kann ich schlussfolgern, dass ich etwas tun sollte, damit er aufhört. Es ist allerdings wenig erfolgsversprechend, dem Gegenüber zu sagen "nun hör aber auf", denn das wird ihn ins Unrecht setzen und seine Bereitschaft aufzuhören, nicht gerade erhöhen. Darum ist Mediation ja so ein schweres Geschäft. Weil die Beteiligten bereit sein müssen, einen Schritt zurückzutreten, die Sachlage aus der Position des anderen zu betrachten, um dann den eigenen Anteil am Drama zu erkennen. Anschließend beginnt dann die zähe Verhandlung, wer was aufgibt. Und wenn sich die Beteiligten dann einig sind, dass sie eigentlich gewonnen haben, nennt sich das Win-Win-Situation.
Kann ich den Hass beenden?
Ja. Wenn ich bei mir anfange. Rache, Vergeltung, Rechtfertigungen, Größenwahnfantaisen... die Bibel nennt das "Versuchung durch den Teufel". Man muss diesen Gedanken ja nicht folgen. Man kann still bleiben und es aushalten. Das Rechthabenwollen aufgeben, sich innerlich den Gefühlen zuwenden und die aushalten, bis sie verbrannt sind. Darunter warten nach meiner Erfahrung Leere, Stille und Glückseligkeit.
Sylvie