Kein Problem.
Nach meinem Outing erzählte meine Mutter mir folgende Geschichte:
Als sie mit mir schwanger war, war sehr lange nicht zu erkennen, ob ich ein Junge oder ein Mädchen werde. Meine Eltern hatten schon drei Kinder: Einen Sohn und zwei Töchter. Mein Bruder (der älteste von uns) wünschte sich weinend/flehend einen Bruder und meine Mutter betete mit ihm zusammen, dass ich doch bitte ein Junge werde. Sie wünschten mich also männlich und ich kam als Junge zur Welt...
Fakt ist, dass ich immer mehr Freundinnen als Freunde hatte, mich in der Gesellschaft von Mädchen/Frauen deutlich wohler fühlte und fühle, zu menen Schwestern immer ein engeres Verhältnis hatte als zu meinem Bruder, zwei Leistenhoden hatte (ein Hinweis auf mögliche Hormonschwankungen bei meiner Mutter während der Schwangerschaft) worauf hin ich als Kleinkind etliche Spritzen vom Arzt erhielt, was ich als ganz furchtbar und falsch empfand (nicht wegen dem Pieks), ich hatte schon immer einen leichten Brustansatz und schämte mich in der Pubertät dafür... Heute finde ich das toll.
Ich habe die männliche Rolle 47 Jahre versucht und eine sehr verwirrende Reise durch mich selbst gemacht. Hinzu kamen einige Erlebnisse, die für meine Entwicklung sicher auch nicht förderlich waren... Hier möchte ich aber nicht näher drauf eingehen.
Fasziniert haben mich Transsexuelle schon sehr früh, mein Vater hatte seine "Heftchen" nicht gut versteckt und ich entdeckte dadurch recht früh, dass es soetwas gibt. Eine innere Stimme sagte mir "Ja. Genau das ist es." nur fehlte mir lange die Stabilität und der Mut.
Anfang 2016 war ich ziemlich weit unten und die vorherigen Jahre waren sehr düster. Das einzige was mir Kraft und etwas innere Ruhe gab, war mein heimliches, weibliches Dasein. Ich sagte mir "Ich mach das nicht mehr mit." und hatte dieses innere Bild, dass meine "innere Sie" mich an der Hand nimmt und ich mit ihr soweit gehe, wie es eben führt. Im Nachhinein eine der besten Entscheidungen in meinem Leben.
Ich lasse mein Geschlecht nicht operativ angleichen... das fühlt sich irgendwie falsch an für mich und ich habe auch ziemliche Angst davor, dass etwas schief gehen würde. Ich nehme weibliche Hormone aber hatte zu Beginn der Hormonersatztherapie so wenig eigenes Testosteron in mir, dass ich keine Testosteron-Blocker nehmen muss, was mich in meiner Entscheidung bestätigte.
Ich spiele die weißen und die schwarzen Tasten der Klaviatur und da ich mich in dieser Rolle sehr wohl fühle, gehe ich davon aus, dass das meine Seele auch so wählte. Mein Weg fühlt sich sehr richtig an für mich, da ich mich jetzt deutlich mehr in mir zu Hause fühle als jemals zuvor. Zu meiner Überraschung reagierte der überwiegende Anteil meiner Umwelt deutlich weniger skeptisch auf mich als dieses früher der Fall war... Vielleicht spürten sie, dass bei mir etwas nicht rund war?
Ich denke, dass ich ein geschlechtliches Zwischenwesen bin (mit deutlich mehr als 50% weiblichen Anteilen). Meine Seele unterliegt eben nicht diesem weltlichen (geschlechtlich zweidimensionalen, falschen?) Denkgerüst.
Letztendlich ist es ein Gefühl, ein Wohlgefühl und eine gefühlte Komplettierung meines Selbst, welches mich so leben lässt und mein Gefühl war schon immer meine oberste Entscheidungsinstanz. Das war ich mir selbst schuldig und ich empfinde endlich etwas wie Selbstliebe, die es in meinem "alten Leben" kaum gab.