Eine Psychotherapie-Methode ist dann am wirkungsvollsten, wenn der Patient glaubt, dass diese Therapie-Methode "für ihn jetzt die Richtige" sei. Die Einschätzung der Fachleute, was in welchem Fall der beste Ansatz wäre, wird da ausgehebelt.
Es gibt Therapie-Methoden, die der Re-Inszenierung und Aufarbeitung der Vergangenheit Raum geben.
Während sich andere auf Änderungen gegenwärtigen Verhaltens und Einstellungen konzentrieren.
(Und natürlich gibt es noch viele andere Unterschiede.)
Ich bin ein riesen Fan davon, die Menschen möglichst wertfrei darüber aufzuklären, welche Möglichkeiten sie haben und sie dann selbst entscheiden zu lassen. Das hatten wir im Selbsthilfeforum getan.
Im Gesundheitssystem erfolgte diese Aufklärung in der Regel nicht. Ob nun Krankenhaus oder niedergelassener Therapeut: Nur in absoluten Ausnahmefällen wurde ein wertfreier Überblick zur Orientierung geben. In der Regel versuchte jeder nur das zu verkaufen, was er selbst im Repertoire hatte. Und wenn der Patient sagte, er habe da von einem anderen Ansatz gehört, der würde ihm liegen, nach sowas suche er, wurde in der Hälfte der Fälle sogar versucht, die andere Methoden "schlecht zu machen". Der Patient habe dazu nicht die Fähigkeiten. Oder die andere Methode wäre in seinem Falle wirkungslos und/ oder zu gefährlich. Und das von Menschen, die selbst gar nicht in der gefragten Methode geschult waren.
Anstatt es einfach bei "Das kann ich nicht/ das haben wir nicht im Angebot" zu belassen.
Und das bei Methoden, die ambulant oder stationär Kassenzulassung haben.
Besonders schräg fand ich das bei einem Universitätsklinikum.
Dass das Klinikum auch die gewünschte Therapiemethode im Angebot hat, hatte ich im Vorfeld recherchiert. Bei meinem Anruf zwecks Termin überstellte mich die Zentrale in eines der Institute. In diesem Institut bekam ich zu hören, dass ich für die Therapiemethode des anderen Instituts "zu schwach" sei und mir diese schaden würden. In so einem schweren Fall wie meinen, müsse ich mich mit der Symptombehandlung zufrieden geben.
Als ich nüchtern feststellte, dass ich wohl im falschen Institut gelandet sei und dazu gerne die Fachmeinung von jemanden hören wolle, der die gewünschte Methode praktiziert - also um eine Überweisung zur Konsiliaruntersuchung bat - wurden mir Steine in den Weg gelegt.
Erst wurde verleugnet, dass diese Therapiemethode im eigenen Klinikum praktiziert wird. Ich würde mir das nur einbilden. Und als ich auf dem beharrte, was ich im Internet gelesen hatte, sie möge doch mal bitte nachschauen: Nein, meine Realitätswahrnehmung sei gestört und der Rezeptblock für Psychopharmaka gezückt. Das Rezept habe ich nicht eingelöst. Stattdessen präsentierte ich beim nächsten Besuch einen Ausdruck der Internetpräsenz des Klinikums mit den Durchwahlen und fragte, wessen Realitätswahrnehmung nun gestört sei. Jedenfalls hatte ich dort angerufen und mir wurde gesagt, dass mein Anliegen überhaupt kein Problem sei. Es brauche bloß Formular XY für eine klinikinterne Konsiliar-Überweisung.
Doch es blieb bei der Weigerung, eine Konsiliar-Überweisung auszustellen.
(Ich solle endlich akzeptieren, dass ich unheilbar sei und nun lernen müsse, mit den Symptomen zu leben.
)
Keine Konsiliar-Überweisung = drei Monate zusätzliche Wartezeit.
Und um ohne Konsiliar-Überweisung einen Termin im anderen Institut machen zu können, musste ich vorübergehend auf jegliche Hilfestellungen aus dem ersten Institut verzichten.
Das war zwar doof. Denn im ersten Institut war ja nicht alles Mist. Da gab es durchaus Brauchbares. Doch die Perspektive auf Heilung war mir wichtiger.
Die Beschwerdestelle des Klinikums rief mich drei Tage vor meinem Termin im anderen Institut an, ich könne nun eine Konsiliarüberweisung haben.
Nach dem Wechsel des Instituts sah meine Prognose ganz anders aus. Obwohl sich meine Diagnose und mein Gesundheitszustand überhaupt nicht geändert hatten. Und ja, dort fand ich die notwendige Unterstützung zur Heilung. Das ist nun einige Jahre her und ich bin geheilt.
Von wegen lebenslange Symptombehandlung.
Volkswirtschaftlich ist es eine riesen Katastrophe, zu versuchen, Menschen, die Heilung suchen zur lebenslangen Symptombehandlung zu überreden. Aber so ist das System. Es kreiert Opfer und viele Menschen haben ein Interesse daran, Menschen, die ein Mal Opfer geworden sind, dauerhaft in die Opferrolle zu drücken. Andere unten zu halten, in Abhängigkeit zu halten. Dann steht man selbst besser dar.
Und damit meine ich nicht nur Fachleute.
Auch anderen Menschen geht es um die Anerkennung ihres Status/ ihrer "Fachkompetenz".
Befindet sich ein Mensch erst Mal "im angeschlagenen Zustand" wittern viele ihre Chance.
Schließlich bekommen sie ihr Leben auf die Reihe und Du gerade nicht. Also müssen sie doch besser wissen, was gut für dich wäre. (Als ob sie selbst nie "Opfer" werden könnten.) Diese Denke geht durch alle Gesellschaftsschichten.
Und das Schlimmste: Das gilt auch für andere Betroffene.
Also Menschen, die sich bei derselben Diagnose haben einreden lassen, dass ihre Krankheit unheilbar sei und man nur lernen könne, mit den Symptomen umzugehen. Die kommen dann ins Selbsthilfeforum und tun anderen Menschen genau das an, was ihnen angetan wurde.
Hilfe zur Selbsthilfe sieht anders aus.
Erstens ist es anstrengender, andere Menschen auf deren Weg zu unterstützen oder einzugestehen, dass man das gar nicht kann oder will.
Zweitens macht man sich damit mehr und mehr selbst überflüssig.
Drittens überflügelt einen der Mensch eines Tages in irgendwas.