Zitat von *********hmied:
„
Gute Frage, Galinthias. Tatsächlich möchte ich beide Seiten ansprechen. Mein Ziel ist es nicht, die klinische Seite des Narzissmus zu verharmlosen oder zu bagatellisieren. Vielmehr sehe ich Narzissmus als eine Skala: Einerseits gibt es den krankhaften Narzissmus, der schwer oder gar nicht zur Selbstreflexion fähig ist, andererseits gibt es narzisstische Bedürfnisse, die Teil unseres Menschseins sind. Mein Ansatz liegt dazwischen, bei den Verhaltensweisen und Anteilen, die wir erkennen und integrieren können, statt sie abzustreiten. Selbstannahme ist hier der Schlüssel. Erst wenn wir diese Anteile annehmen, können wir bewusster mit ihnen umgehen und unseren Mitmenschen auf Augenhöhe begegnen.
Das sehe ich kritisch. Es ist keine Skala. Eine Vermischung ist in diesem Falle nicht zielführend sondern extrem ungesund.
Grundstruktur & Grundfunktionen der Psyche
Die Grundstruktur und grundlegenden Funktionen der menschlichen Psyche werden in den ersten 5 Lebensjahren aufgebaut. Dazu gehören:
Selbstwahrnehmung:
• Selbstreflexion
• Selbstbild
• Identität
• Affektdifferenzierung
Objektwahrnehmung:
• Selbst-Objekt-Differenzierung
• Empathie
• ganzheitliche Objektwahrnehmung
• objektbezogene Affekte
Selbststeuerung:
• Affekttolleranz
• Selbstwertregulierung
• Impussteuerung
• Antizipation
Kommunikation:
• Kontaktaufnahme
• Verstehen von Affekten
• Mitteilung von Affekten
• Reziprozität
Abwehr:
• internale versus interpersonale Abwehr
• Flexibilität der Abwehr
Bindung:
• Internalisierung
• Loslösung
• Variabilität der Bindung
Narzisstische Persönlichkeitsstörung
Bei einer narzisstischen Persönlichkeiststörung, konnte ein Teil dieser Grundstrukturen nicht oder nicht ausreichend aufgebaut werden. Dies betrifft bei der narzisstischen Persönlichkeitsstörung insbesondere Grundstrukturen aus den Bereichen der Selbst- und Objektwahrnehmung:
Selbstwahrnehmung:
• Selbstreflexion
• Selbstbild
• Identität
• Affektdifferenzierung
Objektwahrnehmung:
• Selbst-Objekt-Differenzierung
• Empathie
• ganzheitliche Objektwahrnehmung
• objektbezogene Affekte
Innerhalb der ersten fünf Lebensjahre sollte eigentlich der Schritt aus der symbiotischen Mutter-Kind-Beziehung (oder einer anderen Haupt-Bezugsperson) hin zur Selbst-Objekt-Differenzierung vollzogen werden.
Einer der häufigsten Auslöser einer Narzisstischen Persönlichkeitsstörung ist, wenn genau das nicht geschehen konnte und die
Selbst-Objekt-Differenzierung nicht entwickelt wurde.
Strukturelle Mängel in der Selbst-Objekt-Differenzierung machen einen gesunden Umgang mit dem psychischen Grundkonflikt: "Selbstbestimmung versus Zugehörigkeit." nahezu unmöglich.
Doch sowohl Selbstbestimmung als auch Zugehörigkeit gehören zu den elementaren psychischen Bedürfnissen. Bleiben diese elementaren Bedürfnisse unerfüllt, kollabiert die Psyche.
"Das, was man ist" kann nicht von "dem, was man sein soll" unterschieden werden. Eine eigene Identität kann nicht hinreichend ausgebildet werden.
Um trotz des Kollaps dennoch irgendwie überlebensfähig zu sein, legt die Psyche eines Narzissten so einige Work-Arrounds an den Tag.
Ein Haufen "Als-Ob-Identitäten" bildet die Krücke für die fehlende eigene Integrität.
Das eigene Selbstbild wird rigide. Die Selbstreflexion wird blind für Abweichungen der Realität vom Selbstbild.
Und über "das, was man gerne wäre und für das man von der Außenwelt positive Bestätigung bekommt" erfolgt die Stabilisierung. Solange es immer wieder Menschen gibt, die diesen Glauben bestätigen, bleibt der Narzisst stabil und kollabiert nicht erneut. Dabei setzt die Psyche eines Narzissten vor allem auf ihre Stärken aus dem Bereich der Kommunikation.
Spielt ein für den Narzissten wichtiger anderer Mensch dabei nicht mehr mit und besteht auf seine eigene Wahrnehmung und seine eigene Gefühlswelt, so muss eben dieser Mensch komplett entwertet werden, damit seine "falschen Aussagen" ebenfalls komplett entwertet werden können.
Ohne Selbst-Objekt-Differenzierung kann es nur die eine Wahrheit geben: Die eigene.
Die Narzisstische Persönlichkeitsstörung ist im Grunde genommen eine bereits kollabierte Psyche, die irgendwie mit erstaunlichen Fähigkeiten im Bereich der Kommunikation überlebt hat.
Von Außen sind bloß narzisstische Verhaltensmuster erkennbar.
Um das darunter liegende strukturelle Niveau eines Menschen mit Narzisstischer Persönlichkeitsstörung bestimmten zu können, brauchen sogar erfahrene Psychotherapeuten viele Monate - vorausgesetzt dieser Mensch erklärt sich überhaupt zu einer Psychotherapie bereit und macht so lange bei der Therapie mit.
Verhaltensmuster
Verhaltensmuster sind so eine Art Allgemeingut des menschlichen Geistes.
Jeder gesunde Mensch, dessen Psyche alle Grundstrukturen gut aufgebaut hat, kann sich jedes Verhaltensmuster aneignen und reproduzieren.
Mit ausreichend Zeit, kann sich ein Mensch in so ziemlich jede Rolle begeben.
Ob und wieviel Lebensfreude einem Menschen bestimmte Rollen beziehungsweise bestimmte Verhaltensmuster machen, steht jedoch auf einem anderen Blatt.
Zur Zeit herrschen in vielen Unternehmen Organisationsstrukturen, in denen man mit narzisstischen Verhaltensmustern besser Karriere machen kann, eher an die nächste Gehaltserhöhung und/ oder Beförderung auf den gewünschten Posten im Unternehmen kommt als mit sozialverträglichen Verhaltensmustern.
Und vom beruflichen Erfolg und Einkommen hängen sehr viele andere Dinge im Leben ab, die man dann machen kann oder eben nicht machen kann.
Individualpsychologisch kann die Anwendung narzisstischer Verhaltensmuster als Mittel zum Zwecke des beruflichen Erfolgs also eine sehr gesunde Sache sein.
In einem Win-Lose-Wettkampfsystem die Gewinner-Seite anzustreben ist gesund. Nur wer sich eine überlegene Position erkämpft hat, der kann es sich hier und dort auch mal leisten, großzügiger Weise auf Win-Lose zu verzichten und stattdessen eine Win-Win-Strategie zu fahren.
Beziehungsweise kann man es sich dann auch leisten, sich Transzendenzbedürfnisse zu erfüllen.
Zum Beispiel, indem man dauerhaft in Teilbereichen des Unternehmens Strukturen implementiert, die ein Vorankommen mit narzisstischen Verhaltensmuster erschweren und ein Vorankommen aufgrund von sozialverträglichen Verhaltensmustern fördern. - Das ist eine soziale Überschreitung der Ich-Grenze.
Doch wer narzisstische Verhaltensmuster rigoros ablehnt und nicht in sein eigenes Verhaltensrepertoire integrieren will, kommt nie an den Punkt, an dem er ein narzisstische-Verhaltensmuster-förderndes System in ein sozialverträgliche-Verhaltensmuster-förderndes System verändern kann.
Kunstprojekt
Durch ein Kunstprojekt Bewusstwerdungsprozesse in den Bereichen
• elementare psychische Bedürfnisse
• situative Bedürfnisse
• narzisstische Bedürfnisse
• Transzendenzbedürfnisse
• sowie der jeweils zielführenden Verhaltensmuster
anzustoßen, kann für Menschen deren psychischen Grundstrukturen gut entwickelt sind, sicherlich sinnvoll sein.
ABER: Ein Mensch mit Narzisstischer Persönlichkeitsstörung kann damit - wie
@**********silon bereits schrieb - überhaupt nichts anfangen. Jedenfalls nichts Gutes.
Und bei deinem Brückenschlag zur Spiritualität besteht die Gefahr, die
@*********e_vb ansprach:
„Ich kann mir vorstellen, dass jemand die Spiritualität als eine Hilfestellung nützt (...), aber auch dass ein Narzisst diesen Dunstkreis nützt, entsprechende Opfer zu finden, sich diese gefügig und abhängig zu machen.
Für einen Menschen mit grundlegend unterentwickelten Strukturen der Selbstwahrnehmung & Objektwahrnehmung ist die Überschreitung der Ich-Grenzen doch ein gefundenes Fressen!
Statt als "gestört" zu gelten, kann er sich als besonders weit entwickelt verkaufen.
Für diesen Menschen geht es aber immernoch um die Erfüllung seiner elementaren Psychischen Bedürfnisse "Selbstbestimmung & Zugehörigkeit" auf Kosten aller anderen Menschen.
Von der Überwindung der Ich-Grenzen, um mit dem großen Ganzen in Einklang zu kommen kann bei einem Narzissten keine Rede sein. Höchstens kann die Rede davon sein, dem Narzissten keinen Widerstand mehr zu leisten - also diesem das Gefühl des Einklanges zu verrmitteln.
Ein Narzisst zertrümmert in seiner Bedürftigkeit & Seelenblindheit die Ich-Grenzen anderer Menschen.
Er tut anderen Menschen genau das an, was ihm in dessen frühkindlicher Entwicklungsphase angetan wurde.
Ein Mensch, der an einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung leidet, kann einem gesunden Menschen nicht bei dessen Überwindung der Ich-Grenzen behilflich sein.
Zwischen Überwindung (Transzendenz) und Zertrümmern liegen Welten.
UND: Für alle Nicht-Narzissten ist es Gift, wenn Überwindung & Zertrümmern in einen Topf geschmissen werden!
Meine Selbstannahme und Selbstliebe bezieht sich unter anderem auf MEINE vorhandenen und ausgereiften psychischen Grundstrukturen der Selbstwahrnehmung und Objektwahrnehmung.
Selbstwahrnehmung:
• Selbstreflexion
• Selbstbild
• Identität
• Affektdifferenzierung
Objektwahrnehmung:
• Selbst-Objekt-Differenzierung
• Empathie
• ganzheitliche Objektwahrnehmung
• objektbezogene Affekte
Das ist ein Teil dessen, was mich ausmacht.
Aus purer Selbstliebe will ich da nicht die Trümmer-Landschaften eines Narzissten haben.
Zertrümmert zu werden beißt sich mit meiner Selbstliebe.
Ich liebe meine psychische Grundstruktur und will sie bei der Überwindung meiner Ich-Grenzen erhalten.
Ja, Dank meiner Fähigkeit zur Selbst-Objekt-Differenzierung sehe ich da gravierende Unterschiede.
Und ich kann auch
@**********silon s Empörung nachvollziehen.
Borderliner sind für Narzissten relativ leichte Opfer und werden häufiger missbraucht und weggeworfen als Otto-Normal.
So zu tun als ob wir alle gleich wären, bringt nix Gutes - auch wenn sich ein Narzisst das noch so sehr wünscht und alles dafür tut, dass ich ihm Glauben schenke.
Menschen sind unterschiedlich. Punkt.