Untergänge und Kristallpaläste
Sehr interessantes Thema! Habe mich auch lange damit beschäftigt.
Meine persönliche (!) Sicht ist - zur Anregung und Diskussion gestellt - ungefähr diese:
Weltuntergänge "mystisch" vorherzusagen, diese zu terminieren, aus Mayakalendern, "sündhaftem Verhalten" oder Ähnlichem abzuleiten ist eher problematisch. Man berechnet das Schicksal nicht. Dennoch steht für mich (...) fest, dass der letzte Homo Sapiens dereinst den letzten Atemzug getan haben wird. Verlaufen die Dinge nicht zyklisch? Sind "Untergänge" nicht Teil der Welt?
Mit dem Fernrohr betrachtet: Selbst wenn unserer Spezies regelmäßig der "Umzug" gelingt (Sonnen implodieren ja nach ein paar Milliarden Jahren) haben die Dinge nunmal ein Ende, sehr wahrscheinlich auch das (eine?) Universum. Und ob man da herauskommt... Und selbst "der Mensch" ist nichts Statisches. Alles fließt...
Aber das sind eher philosophische Fragen.
Konkret in unser kleines Jahrhundert geschaut:
Hier droht den Menschen - und das veranlasst mich zu meiner Antwort - "die Spiritualität" verloren zu gehen (was immer das genau ist). Durch Technik, durch Konsum, durch Abstraktion. Und das hat mit künftigen historischen Entwicklungen schon einiges zu tun. Sind wir berechnende Einzelwesen, oder noch stärker: sind wir fressende Raubtiere? Oder streben wir als Spezies insgesamt nach Harmonie mit dem Kosmos (und der Natur) sowie innerer Freiheit?
Schafft die Menschheit wirkliche "Nachhaltigkeit"?
Oder saugt sie die Welt langsam und mit zerstörerischer Wirkung bis zum Anschlag aus, während wir uns (als Spezies) gleichzeitig wie die Kaninchen vermehren... ???
Es schmerzt, aber "Die Menschheit" ist kein globaler Ameisenstaat, den irgendwelche Uno-Beschlüsse steuern könnten. Es gibt "die Menschheit" nicht - nur sehr viele Menschen...
Harmonieprinzip oder Beuteprinzip? Nach dem kolonialen "Sieg des Westens" ist der Wikingergeist zum Weltprinzip geworden. Und die einst so friedlichen Chinesen kopieren ihn nach dem Ende von Kolonialzeitalter und Blockbildung nun ziemlich effektiv. Sie wollen schließlich auch Fleisch auf dem Teller haben...
Was passiert, wenn auf einer Insel eine wachsende Säugetier-Population von, sagen wir: Kaninchen, beginnt, das Grün mehr und mehr abzufressen...
Das Ergebnis ist dann ein gewaltiger Crash, mindestens ein "Niedergang" (wie man ihn in Aufbaustrategiespielen erleben kann, wenn man nicht aufpasst). "Die Menschheit" KANN nicht ewig weiterwachsen... Und vielleicht kann Spiritualität im weitesten Sinne dabei helfen, das eher "skeptisch zu lenken" als "fortschrittsgläubig zu erleiden"?
Der Wikingergeist ist eine Frage der Kultur - und Kultur ist in den Köpfen. Ein "nachhaltiger" Weg ohne Zusammenbrüche KANN ( jedenfalls glaube ich das) nur auf einem ganzheitlichen, seelischen, spirituellen Betriebssystem "laufen".
Doch die entscheidende Frage ist, ob das, was sein SOLLTE deswegen auch sein WIRD...
Es gibt da nämlich noch einige Probleme mehr, wie das der "Abstraktion" oder das des "Gefangenseins in der Kultur"...
Der Verfasser und die Leser dieser Zeilen wissen, dass die EIGENE Todesursache - selbst auf einem nicht-spirituellen Weg - sehr wahrscheinlich nicht die sein wird, in einem Slum auf der Südhalbkugel unterernährt an Cholera zu sterben. Aus diesem für das eigene Leben abstrakten Grund kein Flugzeug mehr betreten? Oder auf "Tierverbrauch" verzichten (ein schreckliches Wort) - und die schönen Medikamente aus dem Kreiskrankenhaus räumen? Seelenwesen und Raubtier...
Der Verfasser und die Leser dieser Zeilen wissen, dass Sie mehrheitlich nicht außerhalb ihres künstlichen, ressourcenfressenden "Kristallpalastes" -so nennt Sloterdijk unser Dasein in seinem "Weltinnenraum" - (über-)leben können. Wir sind alle von unseren natürlichen Lebensgrundlagen viel zu weit entfernt. Wer könnte von jetzt auf gleich auf den Einkauf von Nahrung verzichten? Also verbleiben wir notgedrungen im Kristallpalast, obwohl er uns innerlich gar nicht gut tut, und viele "auf der Suche sind" - und halten die Todesmaschine letztlich, Nachhaltigkeit hin oder her, doch mit aufrecht. Um - zu überleben. Seelisch leidend. Hinter Panzerglas.
Das Schicksal "des Menschen"? Oder nur das Schicksal einiger Menschen, zu einer bestimmten Zeit?
Vielleicht bedeutet "Spiritualität" in diesem Zusammenhang: Einfach Loslassen? Das "Strömen der Dinge" bedingungslos hinnehmen?
Den Asiaten fällt das leichter. Ein normaler Europäer kann nicht ohne weiteres "loslassen". Man denke an moralische Fragen. Er fragt sich nämlich dann gleich, ob er das darf...
Wahrscheinlich ist mein ganzer, nun schon ziemlich langer Text, ist die Frage nach dem "Sollen" von Spiritualität eben KEINE "Menschheitsfrage" - sondern ein Geistesprodukt, wie es nur einem von Christentum, Aufklärung und Generalisierungszwang geprägten westlichen Hirn entspringen kann...
Auf ins Zen-Kloster! D;)
Vorher noch ein paar Buchempfehlungen:
Oswald Spengler (Kulturphilosoph)
"Der Untergang des Abendlandes"
"Der Mensch und die Technik"
Jared Diamond (Anthropologe und Erfinder der 'naturwissenschaftlichen' Geschichtsschreibung)
"Kollaps"
"Arm und Reich"
Derrick Jensen (Radikalökologe)
"Endgame"
Dietrich Dörner (Psychologe)
"Die Logik des Misslingens"