Wieder so ein Thread, wo ich der Frage erst mal nachspüren muss
bevor mit eine Antwort einfällt
Was hinterlasse ich, wenn es mich abräumt, also sagen wir: in fünf Minuten falle ich tot vom Stuhl
1. Ein paar Regale mit einem Haufen Büchern, eine nicht mehr ganz taufrische Büroeinrichtung, ein Bett, ein Sofa, einen Tisch, zwei Stühle, eine altersschwache Waschmaschine, ererbtes Krams in der Küchenabteilung und ein Auto, das im November vielleicht nicht mehr durch den TÜV kommt und ein ausgeglichenes Konto
Stört mich daran irgend etwas? Nö
Ist irgend etwas daran wichtig, in Sinne von "ich will, dass meine Erben das aufheben"? Nö
Ob der Krempel auf dem Flohmarkt oder im Container landet
Habe ich keinen Einfluss drauf, ist mir egal
Aber ich lebe so, dass sich nicht allzuviel ansammelt
2. Gedrucktes Zeuchs mit meinem Namen als Autorin drauf. "Wer schreibt bleibt" heißt es in Wissenschaftskreisen und in der Tat war das etwas, an dem ich sehr lange sehr angehaftet habe. Und noch ein Aufsatz
Und wieder gilt: ich habe keine Kontrolle, was damit passiert. Wird der Kram gelesen? Beklatscht? Ausgebuht? Ignoriert?
Es ist mir nicht "egal", natürlich fühllt sich beklatscht werden besser an als ausgebuht (wobei beides Gefühle hervorruft, die einfach gefühlt werden wollen). Aber ich habe keinen Einfluss darauf, ob irgendwer sich nach meinem Tode entschließt, die "Gesammelten Werke der Sylvie" herauszugeben (wenn er meinen Acoount hier findet, hat er viel zu tun
). Und da mir inzwischen gottlob die Identifikation mit der Rolle "die Wissenschaftlerin" abhanden gekommen ist, verschwende ich keinerlei Gedanken daran, ob und wer den Krempel liest oder auch nicht.
3. Die Erinnerungen an Sylvie. Ja, das klingt toll. Ich möchte gerne, dass alle mich in guter Erinnerung behalten, ergriffen an meinem Grabe schluchzen und sich gegenseitig erzählen, was für ein wundervoller ich Mensch ich doch war. Ich möchte, dass sie sich gegenseitig erzählen, wie offen, warmherzig, empathisch etc.
ich doch war. Aber
da stimmt was nicht! Was ist mit: zickig, herrisch, immer gerne am predigen? Was ist mit: verschlossen, kompliziert, überwältigend etc.
Ich kann es drehen und wenden wie ich will: ich kann mich bemühen, ein "guter" Mensch zu sein. Ich kann wundervolle Aktionen planen, weil ich mir wünsche, dass mein Gegenüber sich später mal daran erinnert, wie nett ich doch war, als ich
Aber ich habe auch das nicht unter Kontrolle
Vielleicht hat der andere meine tolle Aktion nur ertragen, um mich nicht zu enttäuschen
Oder er findet die Erinnerung daran einfach nur unerträglich, weil er so voller Trauer um meinen Tod ist, dass er sie nicht mehr haben will
Lange Rede, kurzer Sinn: die Frage "was möchtest Du hinterlassen?" ist *IMHO auch nur wieder so eine Egofrage. "Ich" möchte gerne so wahnsinnig wichtig sein, dass auch nach dem physischen Ende irgend etwas wahnsinnig Wichtiges bleibt. Verständlich
aber nicht planbar
Ich habe keine Ahnung, wer was nach meinem Tode als mein Vermächtnis bezeichnet oder auch nicht. Und dieses Nicht-Wissen darf auch so sein. Es bereitet mir keinerlei Unbehagen
Mir ist es viel wichtiger, in jedem Augenblick so zu leben, dass keine "Altlasten" entstehen. Kein "ich hätte doch noch..." oder "warum habe ich nur..." Präsent zu sein im Jetzt eben.
Das ist, wenn Ihr so wollt", meine Botschaft. Aber die kann ich auch nur jetzt loswerden und nicht "wenn ich dann tot bin"...
Liebe Grüße
Sylvie