Ja, das kann ich bestätigen, in einigen Gesprächen die ich in Ägypten hatte mit Islamgläubigen hat sich das auch sehr anders dargestellt als man es hier zu hören bekommt.
Ich hatte erst Angst nach dem Thema zu fragen, aber wenn man sich wirklich dafür interessiert und nicht sofort sagt "Das ist doch Quatsch" dann kann man sich sehr gut mit den Menschen über Religion unterhalten. Es ist kein so heißes Eisen wie man sich immer denkt. Da machen die Christen wohl eher so einen Aufstand drum, weil sie den Islam häufig einfach nicht verstehen (oder verstehen wollen).
Das mit dem Kopftuch hat mir auch einer erklärt, genauso gibt es viele Gesellschaftliche Regeln die dafür sorgen sollen, dass es keinen Missbrauch von Frauen gibt. Zum Beispiel ist es die Pflicht eines Mannes, wenn eine Frau nackt ist, ihr sein letztes Hemd zu geben. Oder er darf sie nicht anfassen, darf sich nicht mit ihr in einem Raum befinden etc. Das sind alles zwar strenge Regeln, aber wie gesagt im Kontext der Zeit sind diese Regeln durchaus sinnvoll.
Es gibt aber ein paar Probleme mit einem "Update" des Islams auf die heutige Zeit. Denn heute ist die Welt weitaus freizügiger geworden als sie es damals war. Die Männer denken heute natürlich genauso mit ihrem Genital wie damals (auch wenn ich ein Mann bin, das kann man(n) nicht abstreiten, wenn man ehrlich ist). Aber die Frauen sind heute auch sehr viel freizügiger - das wird meist als Emanzipation dargestellt, ich finde es aber teilweise einfach nur billig. Wenn man sich anschaut wie manche Frauen rumlaufen, das schreit quasi einfach danach dass sie vergewaltigt werden. Besonders in den westlichen Ländern.
In den Nationen, wo die Zeit noch etwas hinten dran ist, die wirtschaftlich und gesellschaftlich noch nicht im 20. Jahrhundert angekommen sind, ist das aber nicht der Fall. Dort tragen die Frauen ebenfalls Kopftücher und Kleidung die wenig Haut zeigt. Selbst in Deutschland hat man in den 30er und 40er Jahren Kopftücher getragen - manche "Omas" tun das heute auch noch. Deshalb kann ich das nicht einfach so als pure religiöse Sache abtun, sondern es ist eher eine Gesellschaftsregelung die sich bei uns eben verlaufen hat, weil sie nicht "poppig" genug ist.
Wir wollen eben dank der Emanzipierung, der Werbung und des "sex sells" Prinzips offenes, langes Haar sehen - ohne spliss und weiß der geier
Und wir wollen auch Haut sehen, knackige Hintern und rasierte Beine etc. Das hat uns nach und nach die Medienwelt so eingeflößt, denn es sieht ja auch total cool aus.
Da wo es keinen Fernseher gibt oder wo das Fernsehen sich an die Gesellschaftsregeln hält, da gibt es sowas nicht. Und da sind die Frauen sicherer. Ich würde, wenn ich eine Freundin oder Frau hätte, sie vollkommen unbesorgt durch Ägypten laufen lassen - weil ich weiß, dass die Männer dort zwar dauernd Kamele für sie anbieten, aber sie würden sie nicht anrühren. Teilweise kann es auch schon Strafen geben, wenn man eine Frau nur auf Sex anspricht.
In Afghanistan gibt es aber noch ein anderes Problem, das eher damit zusammenhängt, dass die Zeit dort quasi stehen geblieben ist bzw. zurückgedreht wurde. Wenn man sich mal das Afghanistan der 30er Jahre anschaut, sah es aus wie Europa. Wunderbare Bauten, Universitäten, Technik und alles war da. Den Menschen ging es gut. Dann kamen die Kriege gegen Russland und die USA. Die haben das Land zerstört, haben es in der Zeit zurückgedreht und dahin gebracht, wo es heute ist. Die Menschen dort haben nichts - wirklich nichts. Man muss sich das mal vorstellen, auch wenn es schwierig ist:
Der Müll wird auf die Straße geschmissen, auf der Straße oder im Vorgarten (wenn man denn einen besitzt) wird auch das "Geschäft" erledigt. Es gibt nur begrenzt Trinkwasser und das ist meistens in den Händen von irgendwelchen Stammesführern oder Dorfältesten. Und weil das Land durch die Kriege so zerrüttet wurde haben die Männer eine starke Haltung eingenommen - sie beschützen ihre Familien vor allem und jedem. Und die Frauen sind natürlich das schwache Geschlecht dass sich um die Kinder kümmert, das Essen macht und von manchen Männern wie Vieh behandelt wird. Ich weiß zum Beispiel von einem Kamerad der mir erzählt hat dass er einmal sah wie ein Bus auf eine Frau zuraste die gerade die Straße überquerte mit einem riesen Einkaufspaket in den Händen. Sie hat den Bus nicht gesehen, er raste weiter auf die Frau zu ohne zu bremsen. Und weil niemand reagierte, die Frau ansprach oder sonstwas hat er sie zur Seite gezogen. Er hat ihr quasi das Leben gerettet. Aber dann kam der Mann um die Ecke und hat natürlich gesehen, dass er die Frau angefasst hat. Da gab es ein riesen Theater...
Das ist hierzulande undenkbar, aber wie gesagt, die Zeit ist dort stehen geblieben. Und indem man die westlichen Werte dort einführt wie Demokratie oder Wettbewerbsdenken bewirkt man nicht ein Fortkommen der Gesellschaft, sondern behindert sie darin. Das ist das was ich immer sage, wenn es um den Afghanistan-Einsatz geht. Es hilft den Menschen dort recht wenig, wenn wir ihnen Demokratie und Wirtschaftsdenken mitbringen. Damit können Menschen die nichts haben einfach nichts anfangen. Und wenn der reiche Dorfchef von den Amerikanern lernt, wie man Menschen mit Geld oder mit Waren kontrolliert, dann hilft das auch wenig. Denn was bringt es, wenn wir einen Brunnen graben und einen Tag drauf die Mullahs vom Dorfältesten da stehen mit Kalashnikovs und den Menschen sagen es sei der Brunnen vom Dorfältesten und sie sollen sich gefälligst zum Teufel scheren?
Lange Rede kurzer Sinn:
Wenn man den Islam betrachtet, muss man auch sehen, dass die meisten Nationen in denen er noch als Gesellschaftsregelwerk gilt in der Zeit zurück sind - sei es durch Kriege oder durch schlechte Geographische Gegebenheiten. Und ich halte den Islam für eine Fortschrittliche Religion für die damaligen Verhältnisse. Vielleicht sogar fortschrittlicher als das Christentum - damals.
Da der Islam aber keine Kirche in dem Sinne hat wie das Christentum ist es schwierig (ja vielleicht unmöglich) ihn zu verändern und anzupassen an die heutige Zeit. Keine Kirche ist gut, denn so kann niemand die Religion für seine Zwecke ausnutzen. Aber dafür gibt es eben niemanden der sagen kann "Okay, das Nicht-Tragen von Kopftüchern ist in Ordnung, weil sich die Zeiten geändert haben. Nehmt stattdessen Pfefferspray mit".
Darum ist es auch so schwierig den Islam zu verstehen - weil wir in einer anderen Zeit leben. Ich bin sicher, wenn es nicht so viele Kriege um die Ölnationen gegeben hätte, wäre der Islam heute auch nicht so streng wie damals. Aber dadurch, dass wir den Menschen die Möglichkeit sich als Gesellschaft zu entwickeln genommen haben haben wir sie zu dem gemacht, was sie heute sind.
Und natürlich versuchen sie aufzuschließen - leider genau da, wo wir selbst unsere Probleme mit haben und wo unser System nicht funktioniert. Atomenergie, Militär, Drogen- & Waffenhandel...
So, jetzt hol ich mir erstmal nen neuen