Die Lehre des Kamasutra
Richard Francis Burton übersetzte das Kamasutra (Verse des Verlangens), 1884, aus dem altindischen ins englische.
Die Texte wurden vermutlich 200 bis 300 n. Chr., von einem Gewissen Malanaga Vatsyayana verfasst, der vollständige Titel lautet „Vatsyayana Kamasutra“.
Das Buch wird meist als simpler Sexratgeber reduziert, ist jedoch weitaus mehr als dies.
Das indische Kastensystem unterliegt anderen sozialen Normen und Werten, soziale Kompetenz wird am Verhalten der Kaste gegenüber gemessen.
In jeder Kaste, gleich welcher herrscht eine autoritäre Befugnis- und Entscheidungskette, Fehlverhalten wird sanktioniert.
Das Werk verstand sich als Leitfaden für erotisch-sexuelle und ethische Lebenskunst.
Neben sehr detaillierten Angaben für Stellungen beim heterosexuellen Geschlechtsverkehr, reglementiert dieser „indische Knigge“ auch die Partnerwahl, dient als Eheratgeber und bezieht klare Stellung zu Prostitution, Ehebruch und Drogenkonsum.
Auch homosexuelle Praktiken sind darin erwähnt, bei älteren Übersetzungen wurden diese aber weggelassen.
Zu der Zeit als Kamasutra geschrieben wurde ging eine Art sexuelle und politische Revolte durch Indien, die die damalige konservative Werteordnung in Frage stellte.
Damals galt in Indien das religiöse Kollektiv mehr als Individualismus.
Das Kamasutra war aber weitaus mehr als ein Benimm Ratgeber für Sexualität sondern galt als Widerspruch gegen die uralten Schriften, die jedes noch so persönliche Detail des Alltags in gesetzgebender Art und Weise bestimmen wollten.
Etwas sexuell erotisches in einem Fachbuch zu thematisieren galt zu dieser Zeit als absolute Provokation des Establishments.
Das Wort Karma (Verlangen) galt als unkeusch, als Sutra(s) bezeichnete man die Verse der uralten ehrwürdigen Schriften.
Die Darstellung von Sexualpraktiken sowie die Hilfe bei der Partnerwahl, dessen Verführung, sowie Ratschläge über Ausübung und Beendigung von Beziehungen hatte Aufklärungscharakter.
Die penible Ausführung und Darstellung in dieser Schrift war zur damaligen Zeit eher typisch, so beispielsweise „die 64 Glückverheißenden Zeichen einer guten Liebhaberin“ mit Untergruppen.
Im Unterschied zu den vorangegangenen religiösen Schriften, die diese niedrigen Triebe als Feind spiritueller Entwicklung diabolisierten, baute gerade das Kamasutra eine freie Sexualität als Teil spiritueller Erkenntnis aus.
Gemäß der Lehre des Kamasutras gilt es im Leben drei Güter zu erstreben:
1.) „Dharma“, die spirituell, religiöse Erkenntnis und Weisheit.
2.) „Artha“, Wohlstand.
3.) „Karma“ als niedrigste Priorität, die sinnlichen Genüsse
Die Wertigkeit dieser Güter entspricht genau der Auflistung, wobei die Erlangung eines niedrigeren Gutes, die eines höheren nicht beeinflussen darf.
Da das sich das Buch international schlecht verkaufen lies wurde es mit allerhand erotischem Bildmaterial angereichert und der Textanteil auf Bildunterschriften reduziert.
Damit hat die Lehre des Kamasutra aber sehr wenig im Sinn, vielmehr ging es dem ursprünglichen Autor, Malanaga Vatsyayana, darum die Doppelmoral des indischen Kastendenkens bloßzustellen.
Kamasutra wird heute als eines der bedeutendsten Werke der Weltkulturgeschichte bewertet.