Meine Kostbarkeit
Bereits in den frühen Stunden dieser neuen Gruppe ist erkennbar, wie fein die Unterschiede im vermeintlich Gleichen sind. BDSM als Sammelbegriff ist in meinen Augen genauso geeignet, wie ein Individuum mit dem Wort Mensch zu beschreiben. Zugegeben, es trifft beinahe immer zu, aber die feinen Nuancen in der Interpretation, dem Empfinden und der Bedeutung für einen selbst wird ein Sammelbegriff nicht gerecht. Mit meinem Beitrag möchte ich ein weiteres Mosaiksteinchen auf den Boden legen, um das Bild um eine weitere, bunte Fläche zu erweitern. Dabei möchte ich den Fokus auf das D/S und die Bedeutung der devoten Person für mich und meine Definition von Glück und Zufriedenheit legen. Um das Lesen einfacher zu gestalten, verwende ich die Begriffe Sub/ Sklavin/ Objekt, etc. bewusst nicht, sondern konzentriere mich stattdessen auf das, was sie im Kern für mich ist: meine Kostbarkeit.
Fangen wir zuerst mit einem einfachen Bild an.
In einem leeren Raum steht ein goldener Käfig. Gerade groß genug für eine einzelne Person. Er ist leer und seine Tür steht sperrangelweit auf. Dieser goldene Käfig ist für meine Kostbarkeit bestimmt. Ich werde sie dort nicht einschließen, um sie an mich zu binden. Vielmehr möchte ich, dass sie freiwillig den Weg hineinfindet und dort verweilt, aus freien Stücken, weil sie sich zu mir zugehörig fühlt. Ihre größte Sorge soll dieser Tür gelten. Nicht, weil ich sie darin einsperren möchte, sondern weil es einen Augenblick im Leben geben kann, in dem diese Tür fest verschlossen ist, meine Kostbarkeit jedoch nicht im Käfig ist, sondern davorsteht. Unmöglich für sie erneut wieder hineinzugelangen.
Dieses Bild soll mitnichten eine Drohkulisse aufzeigen, sondern meine Position und die meiner Kostbarkeit. So gerne die Fantasien mit einem durchgehen und man sich in den Tiefen des Machtgefälles befindet, sehe ich im D/S besonders eines: es ist die bislang tiefste Beziehungsebene, die ich mit einem anderen Menschen teilen durfte. Noch nie habe ich in einer Vanilla Beziehung eine solch innige Verbundenheit, Liebe und Zuneigung verspürt wie in der Konstellation einer geliebten Kostbarkeit und ihrem Herrn.
Die Gefühle, Emotionen, die auf beiden Seiten innerhalb dieser Beziehung in einem hervortreten sind überwältigend. Als Herr darf ich dabei aber niemals vergessen, dass meine Kostbarkeit, aufgrund ihrer Position und Stellung deutlich vulnerabler ist, als ich es sein werde. Gefangen zwischen Ansprüche, abgesprochenen Rahmenbedingungen, einer (eigenen) Erwartungshaltung, dem Wunsch zu gehorchen, zu dienen, kann sich meine Kostbarkeit in ihren Gefühlen verlieren und sich nicht mehr ihrer Stimme bewusst werden. Sie ist still, obwohl sie wohlmöglich schreien möchte.
So wie es den Subspace gibt, erlebe ich den Machtrausch. Meine Worte reichen nicht aus, um erklären zu können, was in mir vorgeht, wenn ich dieses überwältigende Gefühl in mir spüre. Es wird ausgelöst im Wechselspiel mit meiner Kostbarkeit. Wenn ich die Dinge tue, für die sich mich liebt und manchmal ein wenig verflucht.
Von Beginn an spielen Respekt und Wertschätzung meiner Kostbarkeit gegenüber eine große Rolle. Der Respekt und die Wertschätzung steigen sogar noch an, je stärker unsere Art miteinander umzugehen von der gesellschaftlichen Konvention abweichen. Gerade dann vergesse ich nicht, wie viel mir meine Kostbarkeit schenkt.
Im D/S möchte ich so viele Privilegien wie möglich genießen und meiner Kostbarkeit mehr und mehr von ihrer Autonomie abnehmen. Es ist ein stetiger Entwicklungsprozess in dem beide lernen. Bedürfnisse und Wünsche meiner Kostbarkeit stehen dabei im Vordergrund, so dass ich mich hin und wieder frage, wer hier eigentlich wessen Sklave ist. (Jetzt ist dieses Wort doch gefallen, aber nicht in Bezug auf die Kostbarkeit).
Im Lauf dieses niemals endenden Prozesses lernen wir gemeinsam zu tanzen - ich führe, sie folgt. Gemeinsam gehen wir eine Symbiose ein. Ohne ihre Neigungen, ihre Reaktion auf mich, was ich tue und nicht tue, finde ich keine Erfüllung.
Blicken wir zurück zum Käfig und der Frage nach der verschlossenen, oder offenen Tür. So wie meine Kostbarkeit erlebe auch ich einen Rausch an Gefühlen. Ich fühle mich meiner Kostbarkeit tief verbunden und bin selbst ungeschützt und offen für Verletzungen. In der Vergangenheit musste ich schmerzlich erfahren, wie es ist, wenn meine Kostbarkeit immer und immer wieder den Käfig betrat, um ihn wieder zu verlassen. Die persönlichen Umstände spielten dabei eine gewichtige Rolle. Jedes Mal, wenn sie zurückkam, spürte ich eine noch stärkere Liebe als vorher. Jedes Mal, wenn sie mich verließ, war der Schmerz unvorstellbar stark. Wir beide konnten jedoch nie voneinander loslassen, zu sehr waren wir einander verbunden und nur durch unser jeweils gewähltes Lebensmodell und den damit verbundenen Umständen war es geschuldet, dass wir niemals ein offizielles Paar wurden.
Loslassen ist wahrlich das schwierigste, was ich in meinem Leben lernen muss. Aus diesem Grund war es unabdingbar die Tür endgültig zu verschließen – für sie und für mich.