Autobahnring
Ein richtiger Ring ist er nicht, eher ein aus den Fugen geratenes Dreieck. Für viele Autofahrer ist der Kölner Autobahnring sowieso eher ein notwendiges Übel als eine runde Sache. Das rund 52 Kilometer lange Gebilde, nach und nach zusammengefügt aus Teilen der A1, A3 und A4, gehört zu den höchstbelasteten und stauanfälligsten Autobahnabschnitten Deutschlands. Der Autobahnring – längst zum internationalen Drehkreuz mutiert – kostet viel Zeit und Nerven, wenn er mal Verstopfung hat. Und er hat oft Verstopfung.
Am Anfang dieses sensiblen Gebildes stand vor 80 Jahren der nördliche Abschnitt der heutigen A3. Am 21. Mai 1936 gaben die Nationalsozialisten, allen voran Propagandaminister Joseph Goebbels, die 24,5 Kilometer lange Strecke zwischen Köln-Mülheim und dem heutigen Kreuz Hilden für den Verkehr frei. Das Regime nutzte die Gelegenheit für einen großen Aufmarsch. An der neuen Anschlussstelle Mülheim stand eine Tribüne, auf der die NS-Honoratioren ihre Reden hielten. Anschließend setzten sich zwei lange Fahrzeug-Kolonnen auf beiden Richtungsfahrbahnen nach Norden in Bewegung. In Scharen strömten die Kölner herbei und jubelten. Am Tag danach wurde die verwaltungsintern „Strecke 5“ genannte „Reichsautobahn Köln-Düsseldorf“ für den regulären Verkehr freigegeben. Einen Seitenstreifen gab es jedoch nicht. Staus auch nicht.
„Heute hat jeder Parkplatz mehr Verkehr als damals die Reichs-Autobahn“, sagt ein Mitarbeiter der „Arbeitsgemeinschaft Autobahngeschichte“. Laut Landesbetrieb Straßenbau befuhren im Jahr 1936 etwa 4.400 Fahrzeuge pro Tag die Strecke 5, heute sind es mehr als 150.000. „Die A3 zwischen Mülheim und Köln-Ost ist deutschlandweit die am meisten befahrene Autobahn neben der A 100 in Berlin“, sagt Buchhold. Aus den einst vier Fahrspuren sind acht geworden – auch dies ein Spitzenwert.
Damals waren die Kölner Feuer und Flamme für das Prestigeobjekt. Der forcierte Autobahnbau sei „eine wunderbare Synthese zwischen Schönheit und Technik“. Widerspruch habe es gegen den Bau nicht gegeben, sagt der Mitarbeiter. Im Gegenteil: Jeder war begeistert vom modernen Verkehrsband.
Die Nazis verkauften die Autobahn als ihre Idee. Dabei gab es das Konzept des kreuzungsfreien Fahrens schon Jahre vor ihrer Machtübernahme. Im Kölner Süden hatte Kölns Oberbürgermeister Konrad Adenauer bereits 1932 eine 20 Kilometer lange „Nur-Autostraße“ eröffnet, die heutige A 555 zwischen Köln und Bonn. Sie für den Mitarbeiter als erste autobahnähnliche Strecke Deutschlands, die öffentlich zugänglich war. Doch die Nazis ignorierten das Kind der Weimarer Republik und verkauften die Autobahn als ihre eigene Erfindung. „Unsre Reichsautobahnen entspringen der schöpferischen Phantasie des Führers selbst“, wurde bei der großen Eröffnungs-Zeremonie in Mülheim gesagt. Dieses Gerücht hält sich bis heute hartnäckig.
Der Autobahn-Ring nahm während des „Dritten Reichs“ weiter Gestalt an. Schon seit Mitte der 1930er Jahre bestand das Ziel, ein „Liniendreieck“ um Köln herum zu bauen und den Verkehr so aus der Stadt heraus zu halten. Doch bis es so weit war, sollte das Nazi-Regime längst Geschichte sein. 1937 war zunächst der Abschnitt zwischen Mülheim und Siegburg fertig, in den 1940er Jahren folgte die Verbindung des Heumarer Dreiecks und des Autobahn-Kreuzes Süd durch die Autobahn 4 und die Rodenkirchener Brücke. Die A4 von Köln nach Aachen und damit der komplette südliche Teil des Autobahnrings folgten bis 1960, fünf Jahre später war der Ring mit dem Bau der A 1 im Kölner Westen komplett. Der nördliche Teil der A3 war zu diesem Zeitpunkt bereits auf sechs Fahrstreifen ausgebaut. Heute ist fast der komplette Ring mindestens sechsspurig befahrbar.
Weil die Verkehrsbelastung stieg, sollte der Kölner Autobahnring in den 1960er Jahren durch einen zweiten Ring entlastet werden – bestehend aus der A61 im Westen, der Verlängerung der A31 im Osten bis in den Rhein-Sieg-Kreis, der nie gebauten A54 im Norden und einer weiteren Rheinüberquerung bei Wesseling im Süden. Es wird bedauert, dass aus der Idee nichts wurde. Die A54 zum Beispiel hätte den Rhein überqueren sollen, was heute eine willkommene Ausweichroute für die marode Leverkusener Brücke wäre. „Man hätte viel Verkehr vom Autobahn-Ring abgehalten“, sagt der Experte. Ein Mitarbeiter vom ADAC Nordrhein ist sich sicher, dass der zweite Ring ohne Diskussion gebaut worden wäre, „hätte man die Verkehrsmengen von heute absehen können“. Besonders nach der Wende sei der Kölner Ring durch den anschwellenden Ost-West-Verkehr noch einmal stark belastet worden.
Es kommt viel zusammen rund um Köln – nicht lokaler und regionaler Verkehr, sondern nationaler und internationaler. Das Problem sei, dass die parallel zu den Autobahnen verlaufenden Bundes- und Landstraßen nicht leistungsfähig seien und als Ausweichrouten kaum in Frage kämen, so der Mitarbeiter: „Bei einer Störung geht dann nichts mehr.“ Einen Autobahn-Ring mit zehn Fahrspuren werde es sicher irgendwann geben – einen Ring ohne Staus eher nicht.
Hier einige Fakten zum Kölner Ring, für die Abschnitte der A1, A3 und A4 sowie für die A57 innerhalb des Rings und die A559, ermittelt vom ADAC und der Polizei:
25.600 gemeldete Staus gab es 2015, das entspricht 19.000 Stau-Stunden und 52.000 Stau-Kilometern.
10.868 Verkehrsunfälle gab es laut Polizeistatistik im vergangenen Jahr auf den Autobahnen rund um Köln – etwa 700 mehr als im Vorjahr. Allein ein Fünftel davon wurden auf den Autobahnen 1 und 3 im Bereich des Kreuzes Leverkusen registriert.