@TravelOf Delight
Ich kann Euch gut verstehen!
Denn Ihr klagt das an, was ich auch bemängelt habe als ich jünger war.
Genau das, was ich meinem Vater (Jahrgang 1925) auch in jungen Jahren angekreidet habe.
Dass er in diesem System damals wohl "funktioniert" hat. Dass er doch gewusst haben muss was da alles passiert ist. Dass er mitgemacht hat und nicht entschieden gegen das Unrecht angekämpft.
Er war acht Jahre jung als die Nazizeit durchbrach, er wuchs in einer braven deutschen Beamtenfamilie auf und das in Nürnberg! Einer der Hauptburgen der Idealogie!
Seine junge Zeit war von Hitlerjugend, masiver psychischer Beeinflussung und als Schüler dann von Brandlöscheinsätzen nach Bombanangriffen geprägt.
Nach dem "Notabitur" wurde er eingezogen.
Ich war leidenschaftlich und hartnäckig. Habe angeklagt und nachgefragt. Gnadenlos!
Und ich hatte das Glück, dass mein Vater nicht wie so viele Menschen der NS-Zeit so tief traumatisiert war wie so viele andere seiner Generation.
Er konnte über seine jungen Jahre reden. Das ist beileibe keine Selbstverständlichkeit!
Ganz viele Kriegsteilnehmer haben das Grauen in sich begraben und ihr Leben lang darunter gelitten.
Mein Vater hat mir geantwortet, versucht mir zu erklären, sich nicht verteidigt. Hat diskutiert mit mir. Er hat sich gestellt.
Sehr anstrengend für uns beide- aber auch so sehr gewinnbringend!
Mein Vater war als junger Mensch als Soldat im Osten Deutschlands unterwegs.
Kurz vor der Bombardierung Dresdens wurde er aus dem Lazarett dort nach Süddeutschland verlegt. So hat er das überlebt.
Er hat auch überlebt, dass er später in Dänemark plötzlich einem "feindlichen" Soldaten gegenüberstand. Und der ihn nicht bemerkte.
Und niemand gezwungen war, den anderen zu töten.
Am 8. Mai jeden Jahres hat er immer eine ganz besonders gute Flasche Wein geöffnet. Seine Art der Feier dieses Jahrestages.
Und dass der überzeugt liberale Mensch, der mich so geprägt hat, seinen Horizont in der damaligen Zeit so erweitert hat lag an weiteren glücklichen Umständen: er kam in amerikanische Gefangenschaft- dafür musste er etliche Kilometer hinter sich und sich in Sicherheit bringen- hat schnell englisch gelernt und endlich die Chance gehabt, seine Vorstellungen von einem freieren Leben zu verwirklichen.
Abseits von dem, in das er von der politischen Wirklichkeit der Nazizeit gedrängt wurde.
Richard von Weizsäcker war als junger Mann als Soldat in Polen und in Russland.
Er war geprägt von seinem Elternhaus, dazu von seinen Erfahrungen in anderen Ländern und der damals gängigen Überzeugung.....
Er war vier Jahre älter als mein Vater. Und ganz sicher hat er dort im tiefen Osten erlebt, was keiner von uns wissen oder erleben möchte.
Er hatte das Glück, körperlich gesund nachhaus zu kommen.
Er war "ein Mann seiner Zeit" und ist doch darüber hinausgewachsen.
Und er hat Stellung bezogen. In vielen Staatsbesuchen und Reden.
In seiner Entwicklung NACH dem zweiten Weltkrieg und seinem handeln.
Seiner weiteren Entwicklung.
DAS erkenne ich an. Sehr! Und dafür achte ich ihn!
• Und dass er in einer Talkshow, die ich auch gesehen habe, jemandem unangenehm über den Mund gefahren ist................das gestehe ich einem alten Mann zu der nicht mehr so viel Wert darauf legt wie ihn die Nation sieht. Und halt einfach auch nicht mehr so flexibel ist wie in jungen Jahren...............-